Medizin & Technik

Endoskopie im HDTV-Modus

14.10.2010 -

Flexible Endoskope sind aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Ihr biegsamer Schlauch erlaubt es dem untersuchenden Arzt, diesen mithilfe zweier Handräder an Ecken vorbei und über Schleifen durch den Körper zu navigieren. Während in der Chirurgie, z.B. für die Spiegelung des Bauchraumes, starre 3-10 mm dicke sog. Staboptiken eingesetzt werden, erfordert die Spiegelung von empfindlichen Hohlorganen anschmiegsame flexible Geräte mit einem Videochip als elektronisches Auge am Ende. „Eine Untersuchung des gewundenen Darms wäre mit einem starren Endoskop nicht möglich", sagt Prof. Dr. Jürgen Hochberger, Chefarzt der Gastroenterologie am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim und international bekannter Spezialist für endoskopische Interventionen.

Während bei der Spiegelung des Bauchraumes von laparoskopischen chirurgischen Eingriffen das Organ für eine optimale Sicht mit Hilfsinstrumenten „zurechtgezogen" werden muss, passen sich flexible Endoskope - beispielsweise im Verdauungstrakt - optimal den natürlichen anatomischen Gegebenheiten an und ermöglichen durch Abwinkelung auf den letzten fünf bis zehn Zentimetern eine optimale Sicht auf das Organ. „Sie können regelrecht wie ein Spazierstock umgebogen werden, um die Veränderung von hinten anzuschauen", berichtet Hochberger. Durch Einführen von flexiblen Hilfsinstrumenten wie Schlingen oder Fangkörbchen können z. B. präzise Resektionen von Schleimhauttumoren im Verdauungstrakt durchgeführt werden.

Je nach Frequenz haben flexible Endoskope eine Lebensdauer zwischen drei und sieben Jahren. Dabei nutzen sich im Laufe der Zeit insbesondere Abwinklungsteil, Einführungsschlauch und Kanäle ab. Sie müssen dementsprechend gewartet oder ausgetauscht werden, was aufwendiger ist, als beim starren Modell. „Flexible Endoskope sind hitzeempfindlicher, weshalb ein Autoklavierverfahren wie die Dampfsterilisation nicht eingesetzt werden kann. Wir haben spezielle Waschvollautomaten, die die Geräte für die Verwendung im Verdauungstrakt oder Bronchialsystem hocheffizient reinigen und thermodesinfizieren. Das erfordert jedoch einen größeren Aufwand und ist für die Verwendung am offenen Bauch bisher nicht zugelassen", berichtet Hochberger.

An der Funktion flexibler Endoskope arbeiten Wissenschaftler seit Jahren auf Hochtouren. Besonders in den vergangenen zehn Jahren haben Fortschritte in der Videoelektronik die gastrointestinale Endoskopie wesentlich beeinflusst. „Sogenannte Big-chip-Videoendoskope sind mittlerweile Standard, oft kommen bereits High-Resolution-Endoskope mit speziellen Chips und einer Pixelzahl von über einer Million zum Einsatz", berichtet Hochberger. Dank HDTV-Modus werden sogar Bilder mit doppelter Zeilenzahl und unglaublicher Schärfe angezeigt. Zusätzlich kann sie der Arzt per Knopfdruck um den Faktor 1,5 bis zwei vergrößern.

An einer noch nicht zugelassenen Innovation arbeitet der US-Amerikaner Richard Rothstein von der Dartmouth University in New Hampshire. Der Gastroenterologe entwickelte einen Roboter, dessen Arme an ein flexibles Endoskop angebracht sind, das wiederum mit OP-Besteck ausgerüstet werden kann. Die Arme bedient der Arzt über zwei Joysticks an einer Computerkonsole, an der er auch die Bilder aus dem Körperinneren sehen kann. „Mit dieser Technik wären Eingriffe noch präziser möglich als bisher", sagt Hochberger. Der Roboter erinnert an die Da-Vinci-Methode, mit der bereits einige Kliniken in Deutschland arbeiten. Der größte Unterschied sind jedoch die Arme des Roboters von Rothstein, die im Gegensatz zu Da Vinci flexibel sind.

Rothstein erhofft sich, dass mithilfe des Roboters sogar innere Organe - beispielsweise Blinddarm oder Gallenblase - entfernt werden können. Schnitte, wie sie derzeit hauptsächlich über minimal-invasive Eingriffe vorgenommen werden, würden dann der Vergangenheit angehören.

Die Idee, ein flexibles Endoskop mit der nichtinvasiven Chirurgie zu verbinden, hat ihren Ursprung in den USA. Im Rahmen von Notes-Eingriffen können beispielsweise über Speiseröhre und Magen-Operationen im Bauchraum mit flexiblen Endoskopen durchgeführt werden. Dieser Eingriff ist zwar mit kleineren Verletzungen der Magenwand verbunden, die aber endoskopisch verschlossen sind und für den Patienten keine negativen Nachwirkungen haben.

Zwar haben Notes-Verfahren bislang lediglich für wenige Eingriffe im Rahmen von Studien eine Bewilligung erhalten, sie werden laut Hochberger jedoch die Zukunft auf dem Gebiet der Endoskopie bestimmen. Neue für die Chirurgie im Bauchraum geeignete Endoskop-Plattformen und Hilfsroboter könnten künftig schonender als bisher auch im sterilen Bauchraum agieren. Schließlich hören sich die Möglichkeiten vielversprechend an: Mit nur einem Schnitt in Magen oder hinterem Scheidengewölbe könnte das Endoskop an sämtliche innere Organe herankommen - unter anderem an Gallenblase, Leber, Bauchspeicheldrüse, Niere, Milz, Gebärmutter und Eierstöcke.

Eine weitere Innovation, die Ärzten künftig beim Endoskopieren helfen könnte, sind spezielle Kamerakapseln. Sie dienen inzwischen nicht nur der Erforschung des fünf bis acht Meter langen Dünndarms, in dem die verschluckte pillengroßen Kapsel Signale an den Empfänger am Hosengürtel des Patienten sendet. „Mittlerweile können sie auch von außen ferngesteuert werden und so als zusätzliches Auge bei Operationen dienen", sagt Hochberger.

Zusätzlich wird die Telemedizin die Endoskopie in Zukunft bestimmen. Hochberger: „Die räumliche Entfernung von Arzt und Patient ist dann nicht mehr von Bedeutung. So könnten Spezialisten auch Eingriffe trotz großer Distanzen durchführen."

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