Fraunhofer First: Computergestütztes Endoskopie-System mit 360-Grad-Ansicht
02.04.2012 -
Fraunhofer First entwickelte mit Partnern ein computergestütztes Endoskopie-System mit 360-Grad-Ansicht. Das Besondere: Alle Funktionen können per Kopf, Blick oder Sprache gesteuert werden.
Die Forschungsergebnisse der Informatiker des Fraunhofer-Instituts First sind vielsprechend und könnten die Arbeit von Chirurgen in den kommenden Jahren stark verändern: Die Forscher entwickelten das Endoskopie-System „Endoguide", das Computer-unterstützt arbeitet und dem Arzt während seiner Arbeit eine 360-Grad-Ansicht ermöglicht. „Es handelt sich um ein motorisiertes Endoskop mit einer beweglichen Spitze, die zur Seite gebeugt werden kann", berichtet Forschungsgruppenleiter Ivo Haulsen.
Das Endoskop selbst muss nicht etwa von einem Assistenten gehalten werden, sondern ist an einer Halterung angebracht. Neben der Blickrichtung des Endoskops werden auch Fokus und Zoom über Motoren gesteuert.
Das Endoskop kann dabei automatisch gesteuert werden, z.B. über eine Autofokus-Funktion oder auch über eine automatische Instrumentenverfolgung. So sieht der Arzt immer den wichtigsten Bereich, in dem der mit den Instrumenten arbeitet. Darüber hinaus können alle Funktionen auch manuell gesteuert werden - hierbei aus Gründen der Sterilität aber nicht über Handsteuerungen, sondern über Kopf-, Blick- oder Sprachsteuerung.
Auf einem zweiten Monitor sieht der Chirurg 360-Grad-Panoramabilder, die die integrierte Kamera aus einzeln aufgenommenen Bildern direkt zusammenfügt. „Das Endoskop macht sozusagen eine Scanfahrt, indem es einmal im Operationsfeld herumfährt. So kann der Arzt in einem Rutsch sehen, wie das Gebiet aussieht und wo er sich genau befindet", so Haulsen, der das Endoskopie-System mitentwickelt hat.
Ein weiteres Extra sind Zusatzinformationen über den Patienten beziehungsweise das zu operierende Gebiet, die der Chirurg über dem Bild des Eingriffs angezeigt bekommt. Das können Informationen aus zuvor durchgeführten Untersuchungen wie der Magnetresonanztomografie (MRT) und der Computertomografie (CT) sein. Der Clou: Die präoperativen Daten werden exakt aus der gleichen Perspektive wie die Live-Daten mit dem Endoskop gezeigt, sodass der Operateur diese sofort zuordnen kann.
Ermöglicht werden diese Funktionen über ein optisches Tracking-System, das die Position und Orientierung des Patienten, der Instrumente und des Endoskops erfasst. Optisches Tracking, Motorsteuerung, Anzeige von CT/MR-Daten, Mensch-Maschine-Schnittstelle, Autofokus und 360-Grad-Scan werden über das sogenannte „Endoguide Processing Framework" auf einem leistungsfähigen Computer, unter Ausnutzung von Multicore-Eigenschaften und Grafikkarten, verarbeitet und gesteuert.
Die Forscher von Fraunhofer First arbeiteten drei Jahre an dem Projekt, das 2011 endete und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. Wie die vielversprechenden Ergebnisse nun weiter verwertet werden, wird sich in Zukunft zeigen. Haulsen: „Das System wir zunächst evaluiert. Dann werden wir sehen, wie es weiter geht." Mehrere Firmen haben bereits Interesse an dem System gezeigt. Inwieweit die Forschungsergebnisse tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden, kann Haulsen derzeit aber noch nicht einschätzen.