Hochfrequenzbeatmung: Ein Thema der Zunkunft?
08.05.2011 -
Hochfrequenzbeatmung: Ein Thema der Zunkunft - Das akute respiratorische Versagen mit den Subgruppen acute respiratory distress syndrome (ARDS) und akutes Lungenversagen (ALI) ist in der Intensivmedizin aufgrund von Prävalenz und Mortalität immer noch eine Herausforderung. Die Beeinträchtigung des Gasaustauschs resultiert primär aus dem Verlust von ventiliertem Lungengewebe, aus einer Zunahme des Ventilations-/Perfusionsmismatch zusammen mit einer veränderten Lungenmechanik.
Die mechanische Beatmung ist in der Behandlung des Lungenversagens etabliert; dennoch gilt als belegt, dass die pulmonale Schädigung durch die Beatmung selbst via hoher Beatmungsdrucke und Tidalvolumina (V t ) induziert oder auch aggraviert werden kann. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass ein Multiorganversagen als eine häufige diesbezügliche Todesursache durch die mechanische Beatmung erst ausgelöst werden kann. Die Vorteile einer Ventilation mit begrenzten Spitzendrucken und kleinen V t wurden in einer multizentrischen Studie gezeigt, die eine signifikante Reduktion der Letalität ergab. Die daraus resultierende Abnahme der funktionellen Residualkapazität mit Anstieg des pulmonalen Shuntflusses wird zu begegnen versucht durch die Verwendung von positivem endexpiratorischem Druck (PEEP), der den drohenden Alveolarkollaps verhindern soll. Dessen Anwendung scheint zumindest beim manifesten ARDS zu einem besseren Outcome beizutragen.
Bei schweren Verläufen ist oftmals keine Verbesserung des Gasaustauschs zu erreichen, so dass der Patient von Hypoxie, respiratorischer Azidose oder Multiorganversagen bedroht ist. Werden unter diesen Umständen die Grenzen einer konventionellen Beatmung erreicht, besteht die Notwendigkeit zur Anwendung von Alternativen, um einen Gasaustausch unter lungenprotektiven Gesichtpunkten zu gewährleisten. Eine Maximalvariante dieses Konzeptes wird mit der Hochfrequenzoszillationsventilation (HFOV) umgesetzt, die minimalste Druckamplituden bzw. V t im Bereich des anatomischen Totraumes mit einem kontinuierlichen hohen Atemwegs druck kombiniert.
Die Existenz eines adäquaten Gasaustausches unter geringsten Volumenbewegungen wurde erstmals 1915 beobachtet. Seit den 1980er Jahren ist die HFOV in der neonatologischen Intensivtherapie zur Behandlung eines Lungenversagens etabliert, in der adulten Intensivmedizin wird sie seit der Mitte der 1990er Jahre verwendet. Die Effektivität und Sicherheit wurden in einer Multizenterstudie gezeigt, der Trend zu einer geringeren Mortalität in der HFOV-Gruppe gibt Anlass, dies in weiteren Untersuchungen zu bestätigen.
Befeuchtetes, temperiertes oxygeniertes Atemgas wird mit hoher Flussrate („bias flow“ typisch: 20-25 l) in das System eingeleitet. Zusammen mit einem regelbaren Druckventil im Expirationsschenkel wird ein kontinuierlicher Atemwegsmitteldruck (MAP) erzeugt (bedingt durch niedrige alveoläre Druckamplitude entspricht MAP~PEEP: typisch 20-35 cm H 2 O), die Luftsäule wird über einen Oszillator (Rotationskolben/Membran) in Schwingungen versetzt. Die Frequenz (3-15 Hz), die Leistung (0-100 %) sowie die Inspirationszeit (T insp 33-50 %) werden stufenlos geregelt. Die Leistungseinstellung bedingt die Auslenkung von Membran/Rotationskolben, das erzeugte Hubvolumen wird als Druckamplitude (∆p) um den bestehenden MAP geräteseitig angezeigt. Diese kann über 100 cm H 2 O betragen, fällt jedoch durch System- und patientenimmanente Dämpfungsphänomene bis auf Alveolarebene auf 1-5 % des angezeigten Wertes ab. Der entscheidende Unterschied zu den übrigen Hochfrequenzbeatmungsmethoden ist eine aktive Expiration, die eine Überdehnung der Lunge (air trapping) verhindert. Die HFOV erlaubt im Gegensatz zur konventionellen Beatmung die getrennte Beeinflussung von Ventilation (via ∆p, Frequenz, T insp ) und Oxygenierung (via MAP, FiO 2 ). Die Lunge wird expandiert und auf diesem Volumen ohne relevante Volumenverschiebungen stabil gehalten.
Dadurch kann auch in einer vorgeschädigten Lunge die Rekrutierung erfolgen, die aufgrund der Zeitabhängigkeit und metabolischen Erfordernisse konventionell nicht leistbar ist. Lungenareale mit experimentell gefundenen inspiratorischen Zeitkonstanten (τ) von bis zu 9 s unterliegen mit der HFOV einem kontinuierlichen Recruitment. Die HFOV verwendet V t , die im Bereich des anatomischen Totraumes liegen, daher müssen den stattfindenden Gasaustausch Mechanismen zusätzlich zum Massenfluss unter konventioneller Beatmung erklären.
Direkte Ventilation tracheanaher Kompartimente durch Massenfluss,
Axial konvektives assymmetrisches Flussprofil mit radialer Diffusion,
Gasaustausch zwischen benachbarten Arealen unterschiedlicher τ,
Simultaner bidirektionaler koaxialer Fluss aufgrund unterschiedlicher Flussprofile während des Atemzyklus,
Herznahe mechanisch bedingte Gasdurchmischung,
Gasaustausch durch ungerichtete thermische Molekül-Oszillation.
Diese Mechanismen interagieren, so dass eine sichere Vorhersage der Auswirkung auf den Gasaustausch nach Änderung der eingestellten Parameter im Einzelfall schwierig sein kann.
Die Lunge wird durch ein initiales Recruitmentmanöver eröffnet (initiale MAP Einstellung 5–10 cm H 2 O über dem letzten Beatmungsmitteldruck) und verbleibt in permanenter „Inspirationsstellung“, da ∆p um den MAP auf Alveolarebene als gering anzusehen ist. Hohe inspiratori- sche Drucke und ein alveolar cycling können dadurch verhindert werden. Durch die Sicherstellung einer Ventilation durch die beschriebenen Gasaustauschvorgänge geht die Umsetzung einer lungenprotektive Strategie nicht zwangsläufig mit einer permissiven Hyperkapnie einher. Die Erfahrungen in der Anwendung beim Erwachsenen sind noch begrenzt, belegen aber den erfolgreichen Einsatz der HFOV als „rescue“ Verfahren. Darüber hinaus ist sie ein sicheres Verfahren, welches frühzeitig im Lungenversagen angewendet werden sollte, wenn Lungenprotektion anderweitig nicht zu gewährleisten ist. Es gibt Hinweise, dass die Beatmungsdauer vor notwendig werdender HFOV mit einer erhöhten Mortalität korreliert. Bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma und Lungenversagen, mit prinzipiell gegenläufigen Therapieansätzen unter konventioneller Beatmung, ermöglicht ihre Anwendung die gleichzeitige Verfolgung von lungen- und cerebroprotektiven Behandlungspfaden.
Die technisch fehlende Möglichkeit zur Spontanatmung ist als relativer Nachteil zu werten, da die notwendige Therapiedauer zur Erholung des Lungengewebes, d.h. bis eine konventionelle Beatmung wieder aufgenommen werden kann, im Regelfall auf wenige Tage begrenzt ist.
Offene Fragen für weitere Untersuchungen sind unter anderem Respiratoreinstellungen, Identifikation von Patienten mit Rekrutierungspotential, Weaningzeitpunkt und hämodynamische Auswirkungen unter prolongiertem Einsatz.
Trotz dieser komplexen und teilweise noch nicht vollständig verstandenen Mechanismen zeigen die Untersuchungen, dass die HFOV ein sicheres und effektives Verfahren zur Oxygenierung und Decarboxylierung darstellt, das nach Beantwortung der offenen Fragen in die Algorithmen der Behandlung des Lungenversagens aufgenommen werden kann.