Medizin & Technik

Etablierte Fortschritte in der Kinderorthopädie

07.10.2013 -

Weiterentwicklungen und Innovationen haben in den letzten Jahren zu maß­geblichen Änderungen in der Diagnostik und Therapie wesentlicher kinderorthopädischer Krankheitsbilder geführt. Beispielhaft seien hier weniger ­invasive ­Verfahren wie die Ponseti-Methode, die subtalare Schrauben-­Arthrorise, die Wachstumslenkung mittels Eightplate oder die MPFL-Plastik genannt, durch die sichtbare Behandlungsfortschritte erzielt wurden.

In welchem Maße durch Innovationen kinderorthopädische Behandlungskonzepte langfristig zum Wohle der jungen Patienten verbessert werden können, wurde durch die vor Jahren voll­zogene flächendeckende Einführung der sonographiegesteuerten ­Frühdiagnostik und -therapie der Hüftdysplasie eindrucksvoll gezeigt.

Klumpfußtherapie nach Ponseti

Die Ponseti-Methode hat die Klumpfußbehandlung in Deutschland in den letzten 10 Jahren geradezu revolutioniert. Große operative Eingriffe mit peritalarem Release mittels Cincinnati-Zugang sind heute Ausnahmefällen wie arthrogrypotischen Klumpfüßen vorbehalten. Bei der von Ignacio Ponseti bereits 1963 publizierten Methode wird in den ersten Tagen nach der Geburt mit einer speziellen Gipsredression begonnen. Zunächst erfolgt die Redression der Kavuskomponente mittels Supination und Anhebung des ersten Metatarsale. Bei den weiteren Gipswechseln wird unter Supination und Gegendruck auf den Taluskopf eine schrittweise Abduktion des Fußes bis auf 70° angestrebt und der subtalare Komplex korrigiert. Eine Dorsalextension sollte während dieser Phase bewusst vermieden werden. Mit zunehmender Abduktion wird die Supination reduziert. Nach Erreichen einer Abduktion von 70° wird die Dorsalextension addressiert, was üblicherweise im Alter von 6 bis 8 Wochen eine Achillessehnentenotomie erforderlich macht. Danach wird für weitere 6 Wochen die Gipstherapie in 70° Abduktion und 20° Dorsalextension des Fußes fortgesetzt. Eine Orthesenversorgung (Denis-Browne-Schiene) erfolgt bis etwa zum 4. Lebensjahr, während der ersten 4 Monate Tag und Nacht, anschließend nur noch nachts. Die Klumpfußorthese muss während des Wachstums wiederholt angepasst werden [3, 5, 10, 13].

Korrektur des flexiblen Knick-­Plattfußes mit subtalarer Schrauben-Arthrorise

Die subtalare Schrauben-Arthrorise stellt eine gute Therapieoption des symptomatischen, flexiblen Knick-Plattfußes dar. Das ideale Alter der Kinder liegt zwischen 8 und 12 Jahren. Bei dem Verfahren wird eine Spongiosaschraube in den lateralen Calcaneus in Höhe des Sinus tarsi eingebracht, wobei der Schraubenkopf zur Blockierung das Rückfußvalgus übersteht. Der Reiz auf die propriozeptiven Strukturen des Fußes führt zur Aufrichtung des Knick-Plattfußes. Nach Abschluss des Wachstums wird die Schraube wieder entfernt. Diese Methode überzeugt aufgrund der minimalen Invasivität, der Einfachheit und der komfortablen Nachbehandlung mit sofortiger Vollbelastung. Die Operation ist reversibel, Gelenkstrukturen werden nicht zerstört. Die Gelenkbeweglichkeit des unteren Sprunggelenkes bleibt erhalten, eine Osteotomie mit nachfolgender langer Entlastung ist nicht notwendig. Kontraindikationen sind der kontrakte Knick-Plattfuß, der Talus verticalis, Coalitiones sowie ein Alter über 14 Jahre [4].

Temporäre Epiphyseodese mit ­Eight-plate zur Achskorrektur

Mit der temporären Epiphyseodese mittels Eight-plate können Achsfehlstellungen im Kindesalter bei noch offenen Wachstumsfugen durch Wachstumslenkung ohne aufwendige Osteotomien korrigiert werden. Die bisher etablierte Epiphyseodese mittels Blount-Klammer wies Komplikationen wie Dislokation, Lockerung der Krampen und Materialbruch auf. Die permanente Epiphyseodese nach Canale mit Zerbohrung der Epiphysenfuge bleibt auf das Ende der Wachstumsphase beschränkt und ist nicht reversibel. Mit der von Peter Stevens entwickelten Eight-plate ist die Möglichkeit der schonenden Wachstumslenkung durch technisch einfache Implantation eines stabilen Implantates mit geringer Komplikationsrate gegeben [1, 12]. Wie bei jeder temporären Epiphyseodese ist auf die Compliance des Patienten bzw. der Eltern zu achten, um bei gerader Beinachse den Zeitpunkt der Metallentfernung nicht zu verpassen. Sonst droht die Überkorrektur mit Ausbildung einer neuen Deformität.

MPFL-Plastik zur Behandlung der ­patellofemoralen Instabilität bei ­offenen Wachstumsfugen

Die patellofemorale Instabilität (PFI) bei Kindern und Jugendlichen stellt - auch aufgrund der noch offenen Wachstumsfugen - eine therapeutische Herausforderung da. Ziel ist die Rezentrierung der Patella, da dies sowohl für die patellofemorale Kinematik als auch für die morphologische Entwicklung des patellofemoralen Gelenkes von entscheidender Bedeutung ist (6). Da die Insertion des medialen patellofemoralen Ligamentes (MPFL) distal der femoralen Wachstumsfuge lokalisiert ist, kann eine MPFL-Plastik, meist unter Verwendung eines freien Grazilissehnentransplantates, etwa ab dem 10., in Ausnahmen auch ab dem 6. Lebensjahr durchgeführt werden [2, 9]. Eine Verletzung der sehr potenten Wachstumszone muss während der Operation zuverlässig vermieden werden. Die Nachbehandlung orientiert sich an dem auch bei Erwachsenen angewendeten Konzept (in der Regel Teilbelastung für 3 Wochen, Orthese für 6 Wochen, Sportkarenz für 3 Monate). Die Ergebnisse der MPFL-Plastik sind vielversprechend, solange die Risikofaktoren einer PFI (Torsions- und Achsfehler, erhöhter TT-TG-Abstand, höhergradige Trochleadysplasie) beachtet und falls erforderlich/möglich zusätzlich adressiert werden (11).
Sonographiegesteuerte Therapie der Hüftreifungsstörung/Hüftdysplasie

Durch die von Reinhard Graf entwickelte Hüftsonographie bei Säuglingen und ihre flächendeckende Anwendung im Rahmen der U3-Untersuchung seit 1996 (bei Risikofaktoren schon bei der U2-Untersuchung) hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten eine Revolution in der Behandlung der Hüftreifungsstörung ergeben. Die frühe sonografiegesteuerte Therapie hat die Zahl der operationsbedürftigen Hüftdysplasien und Hüftluxationen deutlich reduziert [8]. Durch den frühzeitigen Beginn der Therapie ist auch die Therapiedauer zurückgegangen [7]. Aufwendige stationäre Behandlungen mit Overheadextension sind in heutiger Zeit eine Seltenheit. Zur geschlossenen Reposition und Retention des dezentrierten Hüftgelenkes stehen die Pavlik-Bandage und der Fettweis-Gips zur Verfügung. Für die Nachreifung des Hüftgelenkes wird häufig die Tübinger Flexions-Abduktions-Orthese verwendet. Um Hüftkopfnekrosen zu vermeiden, sollte die Orthese mit einer Hüftflexion von über 100° und mäßiger Abduktion unter Beachtung der Risikozone eingestellt werden.

Literatur

  1. Burghardt RD, Herzenberg JE, Standard SC, Paley D (2008) Temporary hemiepiphyseal arrest using a screw and plate device to treat knee and ankle deformities in children: a preliminary report. J Child Orthop 2:187-197
  2. Deie M, Ochi M, Sumen Y, Yasumoto M, Kobayashi K, Kimura H (2003) Reconstruction of the medial patellofemoral ligament for the treatment of habitual or recurrent dislocation of the patella in children. J Bone Joint Surg 85-B:887-890
  3. Dellbrück H, Schaltenbrand M, Schröder S, Rauschmann M, Schwenninger C (2013) Klumpfußbehandlung im Wandel der Zeit. Orthopäde 42:427-433
  4. De Pellegrin M (2007) 15-jährige Erfahrung mit der subtalaren Schrauben-Arthrorise beim kindlichen Plattfuß. FussSprungg 5:12-20
  5. Eberhardt O, Schelling K, Parsch K, Wirth T (2006) Die Behandlung des kongenitalen Klumpfußes mit der Ponseti-Methode. Z Orthop 144:497-501
  6. Escala JS, Mellado JM, Olona M, Gine J, Sauri A, Neyret P (2006) Objective patellar instability: MR-based quantitative assessment of potentially associated anatomical features. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 14:264-272
  7. Graf R (2000) Sonographie der Säuglingshüfte und therapeutische Konsequenzen. 5. überarb. Aufl., Thieme
  8. Ihme N, Altenhofen L, v. Kries R, Niethard FU (2008) Sonografisches Hüftscreening in Deutschland. Orthopäde 37:541-549
  9. Lippacher S, Nelitz M (2012) Femorale Insertion des medialen patellofemoralen Ligaments in Relation zur distalen femoralen Wachstumsfuge. Arthroskopie 25:275-279
  10. Morcuende JA, Weinstein SL, Dietz FR, Ponseti IV (1994) Plaster cast treatment of clubfoot: The Ponseti method of manipulation and casting. J Pediatr Orthop B 3:161-167
  11. Nelitz M, Dreyhaupt J, Reichel H, Woelfle J, Lippacher S (2013) Anatomic reconstruction of the medial patellofemoral ligament in children and adolescents with open growth plates: surgical technique and clinical outcome. Am J Sports Med 41:58-63
  12. Niethard M, Deja M, Rogalski M (2010) Die kniegelenksnahe Achskorrektur im Wachstumsalter durch temporäre Hemiepiphyseodese mit der eight-Plate. Z Orthop Unfall 148:215-221
  13. Radler C, Suda R, Manner HM, Grill F (2006) Frühe Ergebnisse der Ponseti-Methode zur Behandlung des idiopathischen Klumpfußes. Z Orthop 144:80-86

 

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