ESCMID-Leitlinien geben Echinocandinen höchsten Empfehlungsgrad
15.08.2012 -
Pilzinfektionen stellen vor allem für intensivmedizinisch versorgte und abwehrgeschwächte Patienten eine große Gefahr dar und müssen früh und adäquat behandelt werden. Eine neue europäische Leitlinie zu Pilzinfektionen weist der Substanzgruppe der Echinocandine einen hohen Stellenwert zu.
Weltweit ist ein massiver Anstieg der Manifestation von invasiven Pilzinfektionen festzustellen. Gründe dafür sind die steigende Anzahl an Patienten, die auf Intensivstationen betreut werden, die zunehmende Zahl hämato-onkologischer Patienten und immer neue Indikationen für eine Immunsuppression. In jüngeren Studien liegt die erregerbezogene Letalität behandelter invasiver Candidosen zwischen 15 und 50 %. Um diese zu reduzieren, ist neben einer erregerspezifischen Diagnostik eine frühe und adäquate Therapie notwendig. Mit den Echinocandinen steht seit einigen Jahren eine weitere Klasse von Antimykotika zur Prophylaxe und Therapie schwerer Candida-Infektionen zur Verfügung. Diese zeichnet sich nicht nur durch ein breites Wirkspektrum, geringe Toxizität und ein gutes Nebenwirkungsprofil, sondern auch durch ihr geringes Interaktionspotential mit anderen Substanzen aus.
In der aktuellen europäischen Leitlinie der ESCMID (European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases) zur Candida-Behandlung, die in Kürze veröffentlicht wird, rücken die Echinocandine deshalb nun stärker in den Vordergrund. Die Autoren geben dort unter anderem Empfehlungen zum Management invasiver Candidosen bei Erwachsenen, Kindern, HIV-/AIDS-Patienten sowie in der Hämatologie/Onkologie, erläuterte Prof. Dr. Andrew J. Ullmann von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II der Universität Würzburg während einer, von der Astellas Pharma GmbH organisierten Veranstaltung im Rahmen des 18. Kongresses der International Society for Human and Animal Mycology (ISHAM) in Berlin.
Für die Therapie von invasiven Candida-Infektionen bei erwachsenen Intensivpatienten weist die neue Leitlinie den Echinocandinen nun den höchsten Empfehlungsgrad A-I zu. Von konventionellem Amphotericin B werde wegen der erhöhten Toxizitäten hingegen explizit abgeraten, betonte Ullmann. Auch liposomales Amphotericin erhält lediglich eine B-Empfehlung.
Wichtig ist neben der Wahl eines wirksamen und gut verträglichen Antimykotikums allerdings auch eine ausreichend lange Therapie. Die Leitlinie empfiehlt deshalb ab dem Ende der nachgewiesenen Candidämie noch mindestens 14 Tage lang weiter zu behandeln.
Hoher Stellenwert auch in der Prophylaxe
Eine weitere Indikation für eine systemische Antipilztherapie stellt die Prophylaxe einer Candida-Infektion nach allogener Stammzelltransplantation dar. Als einziges Echinocandin habe Micafungin (Mycamine) in der ESCMID-Leitlinie hierfür eine A-I-Empfehlung erhalten, berichtete Ullmann. In einer Dosierung von 50 mg/Tag hat dieses Antimykotikum in einer klinischen Studie bereits eine statistisch signifikante Überlegenheit im Vergleich zu Fluconazol gezeigt. So konnte bei 80 % der Patienten durch eine Prophylaxe mit Micafungin eine Pilzinfektion erfolgreich verhindert werden.
Während in der neutropenischen Phase der allogenen Stammzelltransplantation die Gefahr einer Infektion eher von Candida Spezies ausgehe, komme es nach dem Engraftment, in der Phase der Immunrekonstitution häufiger zu Infektionen mit Schimmelpilzen, schilderte Dr. Heinrich Lellek vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf seine Erfahrungen aus der Praxis. Trotz immenser Fortschritte im Management solcher Pilzinfektionen seien Durchbruchinfektionen weiterhin mit einer hohen Letalität verbunden, so der Experte. Im Hamburger Klinikum haben er und seine Kollegen Micafungin in drei verschiedenen Dosierungen getestet, die sich alle als effektiv erwiesen haben, wobei die 100-mg-Dosierung im Vergleich zur 50- und 150-mg-Dosis einen leichten Vorteil zeigte. Die Umstellung auf eine empirische Therapie erfolgte in der 100-mg-Gruppe bei 14 %, in den anderen beiden Gruppen bei 26 und 20 % der prophylaktisch behandelten Patienten. „Alle drei Dosierungen wurden gut vertragen", unterstrich Lellek.
Besonders gefährdet: Intensivpatienten
Für die Zunahme an Candida-Infektionen, auch bei nicht neutropenischen Patienten, machte Dr. Georg Langebartels von der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie der Universität zu Köln den medizinischen Fortschritt, insbesondere die Zunahme der intensivmedizinischen Komplexbehandlungen verantwortlich. Im Falle einer Pilzinfektion haben diese Patienten, wie der Mediziner verdeutlichte, ein stark erhöhtes Mortalitätsrisiko. Die Gründe dafür sieht der Experte in der Schwierigkeit, eine invasive Pilzinfektion nachzuweisen, in einer nicht adäquaten Therapie, den von Candida häufig auf Fremdmaterialien gebildeten Biofilmen und im schlechten Allgemeinzustand der betroffenen Patienten. „Hinzu kommt das immer älter werdende Patientenklientel. Mittlerweile ist die Hälfte unserer Patienten älter als 70 Jahre", berichtete Langebartels. Schon durch das hohe Alter sei die perioperative Mortalität erhöht. Kämen dann noch Komplikationen oder eine invasive Pilzinfektion hinzu, könne das Risiko auf bis zu 70 bis 80 % ansteigen, im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung zu versterben.
Micafungin lasse sich einfach steuern und sicher dosieren. Interaktionen mit Immunsuppressiva oder anderen in der Intensivmedizin eingesetzten Präparaten seien nicht zu befürchten. Das Antimykotikum beginne rasch zu wirken und verursache keine zusätzlichen Organschädigungen. Deshalb sei es ideal für den Einsatz bei schwer kranken, multimorbiden Patienten.
Bisher konnte Micafungin nur unter der sogenannten Innovationsklausel als Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) abgerechnet werden. Seit Januar 2012 können Kliniken Micafungin über den bundeseinheitlichen Vergütungskatalog als Zusatzentgelt (ZE) zusätzlich zu den Fallpauschalen abrechnen.