Schmerztherapie: Opioid-Therapie durch neue Fixkombination
10.06.2012 -
Schmerztherapie: Opioid-Therapie durch neue Fixkombination. „Umdenken zum Wohle der Patienten“ war das Hauptmotto beim zweiten Deutschen Schmerzgipfel in Köln am 10. Mai 2007. Das Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (G. Müller- Schwefe, M. Überall und T. Nolte) sowie B. Brüggenjürgen vom Institut für Sozialmedizin Berlin, diskutierten mit Ärzten, Vertretern von Selbsthilfegruppen und Fachjournalisten über die Versorgung von Schmerzpatienten. Dabei wurden die besonderen Vorteile des neuen Kombinationspräparates aus Oxycodon und Naloxon (Targin) vorgestellt.
Die medizinische Versorgung der etwa 15 Millionen Patienten mit chronischen Schmerzen leidet in Deutschland besonders auch unter den gesundheitspolitischen Bestrebungen zur weiteren Kostendämpfung. Das Gesetz zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit in der GKV verlangt u.a. die Durchführung von Kosten- Nutzen- Analysen praktisch ohne Berücksichtigung von individuellen Bedürfnissen der Betroffenen. Demgegenüber steht, dass nur ein geringer Teil der Patienten schmerztherapeutisch wirklich ausreichend versorgt wird und moderne Erkenntnisse der Schmerztherapie in der Praxis nur sehr unzureichend berücksichtigt werden. Das WHO-Stufen-Schema stellte 1986 ein erstes Instrumentarium dar, eine gezielte Behandlung chronischer Tumorschmerzen vorzunehmen. Das Stufen-Schema wurde später auf andere chronische Schmerzleiden übertragen. Als problematisch erwies sich bald die stufenweise Anwendung von Schmerzmitteln nach dem Schema:
- Stufe 1: nicht-opioide Analgetika
- Stufe 2: schwache Opioide
- Stufe 3: starke Opioide (BtmVVpflichtig),
da die Wirkung von nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAID) häufig nicht ausreicht und mit einer Anzahl unerwünschter Nebenwirkungen – vor allem im GI-Trakt – verbunden ist.
Paradigmenwechsel beim WHO-Stufenschema
Insofern wurde der oft notwendige Einsatz von starkwirkenden Opio- JJJ iden (Morphin und seine halbsynthetischen Derivate) sehr häufig zu lange hinausgezögert, zumal diese Medikamente mit vielen unberechtigten Vorurteilen behaftet waren und immer noch sind. Inzwischen wird gefordert, dass NSAID bei chronischen Schmerzen nur möglichst kurz und vorrangig beim Auftreten von Entzündungssymptomen eingesetzt werden sollten. Stark wirkende Analgetika vom Opioid-Typ werden heute als Goldstandard in der Therapie chronischer Schmerzleiden angesehen, die entsprechend den individuellen Gegebenheiten auch initial eingesetzt werden sollen. Sie zeichnen sich durch die hohe Wirksamkeit und im Unterschied zu den NSAID durch das Ausbleiben von Organschäden aus.
Allerdings muss mit einer Opioidverursachten Obstipation als permanent bestehende Begleitwirkung in teilweise unerträglicher Ausprägung gerechnet werden, während die meisten der bei Therapiebeginn mit Opioiden häufig auftretenden Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit und Schwindel nach kurzer Zeit zurückgehen. Circa 40 % der Patienten unter Opioiden leiden unter extremer Obstipation – unabhängig von der Darreichungsform des Wirkstoffes – so auch bei transdermaler Applikation. Erklärt werden kann diese Nebenwirkung durch die Bindung der Opioide auch an Rezeptoren im Darm. Wie eine Querschnittsbefragung an 4.613 Patienten gezeigt hat, kommt es unter Opioiden besonders zu inkompletter Darmentleerung (78 %), Schmerzen bei der Defäkation (80 %) und Koliken (31 %).
Die Patienten beklagen darüber hinaus die Beeinträchtigung ihrer sozialen Kontakte und die Einschränkungen der Lebensqualität. Nur ca. 30 % der Patienten erhalten von ihrem behandelnden Arzt eine begleitende/vorbeugende Komedikation mit Laxanzien, die mit beträchtlichen Kosten verbunden sein kann. Es muss auch berücksichtigt werden, dass Laxanzien zu erheblichen Nebenwirkungen wie Blähungen, Völlegefühl, Übelkeit, Diarrhoe führen können, wodurch die Compliance der schmerztherapeutischen Maßnahmen beträchtlich eingeschränkt wird.
Blockade der Opioid- Rezeptoren im Darm
Eine intelligente Lösung dieses Problems stellt das neue Kombinationspräparat (Targin) mit dem halbsynthetischen Opioid Oxycodon und dem Opioid-Rezeptor-Antagonisten Naloxon dar. Wegen seines großen therapeutischen Nutzens des retardierten Präparates hat das BfArM die Zulassung für Targin im Fast- Track-Verfahren erteilt. Nach oraler Einnahme dieses Präparates blockiert das Naloxon die μ- Rezeptoren des Magen-Darm-Traktes und wird danach in der Leber vollständig abgebaut. Damit verhindert Naloxon prähepatisch eine Opioidinduzierte Obstipation und gelangt nicht in das periphere oder zentrale Nervensystem außerhalb des GITraktes.
Es wirkt somit bzgl. der Obstipation präventiv. Bei Umstellung von anderen Opioid-Präparaten können durch Targin auch bestehende Obstipationen beseitigt werden. Das Oxycodon selbst bleibt unter diesen Bedingungen analgetisch voll wirksam. Oxycodon zeichnet sich gegenüber seiner Muttersubstanz Morphin durch einige Vorteile aus: Es wirkt stärker und bildet im Körper keine aktiven Metaboliten, die Blut-Hirnschranke passieren und zu kumulativen Effekten führen können. Die Wirksamkeit von Oxycodon wird nicht durch einen Ceiling-Effekt eingeschränkt und es bewirkt auch keine Immunsuppression, was sich bei teilweise immunsupprimierten Schmerzpatienten als besonders vorteilhaft auswirkt. Targin bietet somit dem Arzt eine sinnvolle Möglichkeit, seine Schmerz- Patienten mechanismenorientiert, wirkungsvoll und sicher zu behandeln, wobei immer mehr akzeptiert werden sollte, dass auch Schmerzen geringerer Intensität chronifizieren können und rechtzeitig angemessen behandelt werden sollten.