Gesundheitspolitik

Ambulantisierung: Bedürfnisse der Patienten nicht vergessen

15.11.2022 - Blinddarm-Operation, Kniespiegelung oder die Operation des Grünen Stars: Nach operativen Eingriffen werden Patienten häufig stationär in Krankenhäuser aufgenommen. Damit haben Ärzte mögliche Komplikationen im Blick und können schnell darauf reagieren.

Hinzu kommen ökonomische Anreize: stationäre Aufenthalte werden höher vergütet als ambulante. Die Behandlung im Krankenhaus kostet die Krankenkassen viel Geld und belastet die dünne Personaldecke von Pflegekräften. Daher plant der Gesetzgeber Änderungen. Was dies für die Patienten und die Versorgungsqualität im Detail bedeutet, erklärt Gesundheitsexperte Prof. Dr. Andreas Beivers von der Hochschule Fresenius in München.

Moderne und schonende OP-Techniken sowie sanfte Narkosemittel ermöglichen heutzutage auch eine ambulante Behandlung nach Eingriffen. Viele Experten sind sich einig: Die Ambulantisierung bietet Vorteile. So können Kosten für die Krankenhausbetten und für das Pflegepersonal eingespart, die Patienten von der Diagnose bis zur Nachbetreuung aus einer Hand begleitet werden und direkt nach der OP zurück in ihr heimisches Umfeld zurückkehren.

„Wenn nun zukünftig mehr Leistungen ambulant erbracht werden sollen, erhält das ambulante Entlassmanagement in den Kliniken zur Sicherung der Rehabilitation sowie der häuslichen Nachsorge eine gänzlich neue Dimension und Bedeutung“, gibt Beivers zu bedenken. Dabei spielen die Lebenswelt und die individuellen Ressourcen der Patienten eine ebenso entscheidende Rolle wie die Einbeziehung des Umfeldes. „Doch wer prüft, ob es das soziale Umfeld von Patienten zulässt, dass sie ambulant behandelt werden können? Wie wird sichergestellt, dass die Patienten – wenn Sie wieder zu Hause sind – kontaktiert werden, um nachzufragen, ob alles in Ordnung ist? An wen können sie sich in der Nacht wenden, wenn sie zu Hause beispielsweise unerwartete Symptome bekommen oder sich unsicher fühlen?“, fragt der Gesundheitsökonom.

Wenn diese Prozesse nicht geklärt seien, laufe man Gefahr, dass Notaufnahmen, Rettungsdienste oder KV-Bereitschaftsdienste unnötig in Anspruch genommen werden und wichtige Informationen im Behandlungsprozess nicht vorliegen. Letztendlich führe dies sogar zu höheren Kosten und gefährde den Genesungsprozess der Patienten. „Daher müssen für eine erfolgreiche Ambulantisierungsstrategie noch einige Hausaufgaben erledigt werden, wie die Bereitstellung von Investitionsmitteln für eine adäquate, ambulante Behandlungsinfrastruktur – sowohl in den Kliniken, im niedergelassenen als auch im digitalen Bereich“, fordert Beivers. Das koste zunächst, führe aber mittel- und langfristig zu den gewünschten Effekten. Ein überstürztes Handeln im Affekt würde hingegen das System nicht nachhaltig verbessern. „Letztendlich dürfen die Patienten nicht vergessen werden“, so Beivers.

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