Datenanalysen in der personalisierten Medizin
10.09.2019 -
Die Schering Stiftung zeichnet Johannes Köster mit dem Friedmund Neumann Preis 2019 aus. Der Bioinformatiker erhält den Preis für seine Beiträge zur Reproduzierbarkeit von Datenanalysen und zur Qualitätssicherung in der biomedizinischen Forschung.
Biomedizinische Datensätze, die beispielsweise aus der Analyse des Erbgutes oder aus bildgebenden Verfahren gewonnen werden, sind umfangreich und komplex. Erst viele einzelne Analyseschritte machen diese experimentell gewonnenen Daten erfassbar und biomedizinische Erkenntnisse möglich. Der Bioinformatiker Dr. Johannes Köster, Arbeitsgruppenleiter im Institut für Humangenetik der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen, entwickelte Softwarelösungen, die den Prozess der Datenanalyse strukturieren und automatisieren und so zu Ergebnissen führen, die nachvollziehbar und wiederholbar sind. Mit „Snakemake“ hat Dr. Köster Biomedizinern eine freie Software an die Hand gegeben, um Datenanalysen formal zu beschreiben und automatisiert auszuführen. Johannes Köster hat darüber hinaus das Projekt „Bioconda“ ins Leben gerufen, das den weltweit führenden Mechanismus für die nachhaltige Verbreitung von bioinformatischer Software bietet.
Seine aktuelle Forschung entwickelt zudem eine vereinheitlichte Theorie zur statistischen Analyse von Mutationen im Genom mit besonderem Fokus auf eine interpretierbare und transparente Bestimmung von Messunsicherheiten. Die Arbeiten von Johannes Köster unterstützen somit die reproduzierbare Datenanalyse und steigern die Qualitätssicherung in der Biomedizin.
Für seine herausragenden Forschungsarbeiten erhält Dr. Johannes Köster den diesjährigen Friedmund Neumann Preis. Die Schering Stiftung vergibt den mit 10.000 € dotierten Preis an Nachwuchswissenschaftler, die herausragende Arbeiten in der humanbiologischen, organisch-chemischen oder humanmedizinischen Grundlagenforschung erbracht und nach der Promotion bereits ein eigenständiges wissenschaftliches Profil entwickelt haben. Der Preis will exzellente wissenschaftliche Leistung sichtbar machen und die wissenschaftliche Etablierung unterstützen.
Johannes Köster wurde für den Friedmund Neumann Preis 2019 von Prof. Dr. Sven Rahmann, Lehrstuhl für Genominformatik am Institut für Humangenetik der Universität Duisburg-Essen, vorgeschlagen. „Die Arbeiten von Johannes Köster sind enorm vielseitig und umfassen sowohl theoretische Modelle als auch ganz praktische Software-Werkzeuge für biomedizinische Datenanalysen. Die Reproduzierbarkeit solcher Analysen ist extrem wichtig für die Glaubwürdigkeit der biomedizinischen Forschung. Hierzu hat Johannes Köster entscheidende Grundlagen gelegt, auf denen nun weltweit zahlreiche Forschende aufbauen.,“ so Rahmann.
Zur Person:
Johannes Köster promovierte 2015 an der TU Dortmund in Informatik und entwickelte hierbei das Datenanalyse-Framework Snakemake, welches seither ein weitverbreiteter Standard zur Sicherstellung der Reproduzierbarkeit von Datenanalysen geworden ist. Anschließend war er Postdoktorand im Department of Biostatistics des Dana-Farber Cancer Institutes und der Harvard University, wo er sich mit neuen statistischen Modellen für Einzelzellanalyse und CRISPR/Cas9 beschäftigte. Zudem gründete er 2015 das Bioconda-Projekt, welches in kurzer Zeit zum meistgenutzten Mechanismus zur nachhaltigen Verfügbarmachung von bioinformatischer Software geworden ist. 2016 wechselte Dr. Köster an das Centrum Wiskunde & Informatica in den Niederlanden und forschte im Bereich der reproduzierbaren Datenanalyse. 2017 wurde er Arbeitsgruppenleiter in der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und am Universitätsklinikum Essen. Sein Forschungsschwerpunkt liegt zurzeit in der Entwicklung von neuartigen Bayesschen Modellen für die Analyse von genomischen Daten sowie in der Fortsetzung und Anwendung seiner erfolgreichen Projekte für reproduzierbare Datenanalyse im Bereich der personalisierten Medizin.
Hintergrund:
Die Reproduzierbarkeit von Datenanalysen ist ein zentrales Thema in der Wissenschaft – insbesondere in Zeiten von immer größer werdenden Datenmengen. Mit Snakemake hat Dr. Johannes Köster ein Werkzeug geschaffen, das es ermöglicht Datenanalysen in leicht zu verstehende Bestandteile zu zerlegen, diese formal zu beschreiben und ohne Modifikation auf beliebigen Berechnungsplattformen (vom PC über Hochleistungsrechner bis hin zur Cloud) automatisiert auszuführen. Snakemake ist heute eines der international führenden Systeme auf diesem Gebiet und wird unter der Leitung von Johannes Köster von einem internationalen Team kontinuierlich weiterentwickelt.
Datenanalysen können jedoch nur reproduzierbar sein, wenn die zugrundeliegenden Software-Bibliotheken leicht auf neue Berechnungsplattformen übertragbar sind. Zu diesem Zweck hat Johannes Köster 2015 das Bioconda-Projekt gegründet, welches sich seither zum Rückgrat der reproduzierbaren Datenanalyse in der Bioinformatik entwickelt hat. Das Projekt wartet und erweitert unter Beteiligung von über 600 internationalen Forscher*innen einen Katalog von mehr als 7.000 Software-Paketen aus dem Bereich der Bioinformatik, die auf einfache und vereinheitlichte Weise automatisiert installiert werden können.
Zusammen bilden Bioconda und Snakemake eine vollständige Lösung für die reproduzierbare Datenanalyse in den Lebenswissenschaften und finden in zahlreichen Forschungsprojekten auf der ganzen Welt Anwendung. Auch Johannes Köster nutzt sie in eigenen Projekten im Bereich der Tumorforschung und personalisierten Medizin.
Hierbei fokussiert er die Mutationsanalyse von genomischen Daten. Diese kann wichtige Hinweise auf die Entstehung und mögliche Behandlungen von Krankheiten wie Krebs oder von erblichen Syndromen geben. Das Forschungsfeld der Mutationsanalyse war bisher zersplittert in diverse Speziallösungen für bestimmte Fragestellungen. Zum Beispiel gibt es Modelle für die Bestimmung von Mutationen, die exklusiv im Tumor vorkommen, aber nicht im gesunden Gewebe desselben Patienten. Es gibt Modelle für die Detektion von großen, strukturellen Veränderungen im Genom und Modelle für den Austausch, die Einfügung oder Löschung von wenigen Nukleotiden (den Bausteinen, aus denen das Genom zusammengesetzt ist). Basierend auf einer Kooperation mit Prof. Dr. Alexander Schönhuth vom CWI Amsterdam setzt ein aktuelles Forschungsprojekt von Johannes Köster an diesen Bruchstellen an, indem es eine vereinheitlichte statistische Theorie der Mutationsanalyse aufstellt. Diese ermöglicht die Betrachtung sämtlicher Arten von Mutationen unter Berücksichtigung von allen bekannten Arten von vorkommenden Messunsicherheiten. Letztendlich wird das Projekt jegliche Art von Mutationsereignis so bestimmbar machen, dass sämtliche auftretende Unsicherheitsfaktoren berücksichtigt und Bewertungen sowie Therapieentscheidungen aufgrund von leicht interpretierbaren und transparenten Wahrscheinlichkeitsmaßen getroffen werden können.