DDG fordert Verbesserungen in der stationären Diabetesversorgung
23.02.2024 - „Der Klinikaufenthalt wird für Diabetespatient*innen zunehmend gefährlich“, so die Bilanz von Expert*innen auf der heutigen Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Berlin.
Betroffene sollten sich daher an DDG-zertifizierte Kliniken wenden, die ein hohes Maß an Diabetes-Expertise und Versorgungssicherheit aufweisen. Um Zertifizierungen zu fördern und Kliniken Anreize zu geben, eine entsprechende Expertise vorzuhalten, muss die Krankenhausreform eine adäquate Finanzierung und Förderung der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Diabetologie ermöglichen. Das sei bislang nicht ausreichend berücksichtigt.
Selbst für erfahrenes diabetologisches Fachpersonal stellt die Behandlung insbesondere von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Typ 1 eine Herausforderung dar. „Ihre ständig schwankende Stoffwechsellage aufgrund ihres Wachstums bedarf einer hochprofessionellen, interdisziplinären Betreuung – das gilt für die ambulante aber auch für die stationäre Versorgung“, erklärt Dr. med. Silvia Müther, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Leiterin des Diabeteszentrums für Kinder und Jugendliche an den DRK Kliniken Berlin Westend auf der Jahrespressekonferenz der DDG in Berlin. Sie verweist dabei auf die aktuell angepasste S3-Leitlinie, die auf internationalem Expertenkonsens beruht.2 Eine weitere Herausforderung stellen die neuen Diabetestechnologien dar, die die Behandlung und Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen zwar deutlich verbessert hätten, jedoch auch immer mehr technische Expertise voraussetzen.
Mit diesen Veränderungen kann das Personal in vielen Krankenhäusern neben dem Alltagsgeschäft kaum Schritt halten. „Klinken in Deutschland sind nicht ausreichend auf diese Situation vorbereitet. Nur etwa jede 6. Klinik weist eine adäquate Diabetesexpertise auf“, kritisiert Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Vorstandsmitglied und Pressesprecher der DDG. „Fehlende Diabeteskompetenz kann zu Behandlungsfehlern und Todesfällen führen“, sind sich Müther und Gallwitz einig. Diabetes-Zertifizierungen wiederum sorgen für mehr Patientensicherheit: „Eine spezialisierte Betreuung trägt nachweislich zu einer Senkung der Krankenhaustage und -wiederaufnahmen, einem niedrigeren HbA1c-Wert bei besserem Krankheitsmanagement und zu weniger Folgekomplikationen bei“, weiß Gallwitz.
Anschauliche Beispiele liefert Norbert Kuster, Vorsitzender des Landesverbands NRW e. V. in der Deutschen Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-M) in einem Einspieler auf der Pressekonferenz: „Wir merken, dass in Kliniken mit Zertifizierung die Versorgung wesentlich besser ist als in Häusern ohne Zertifizierung“. So berichtet er über ein Mitglied der DDH-M, dem bei einer akuten Unterzuckerung in der Klinik Insulin gespritzt werden sollte – eine lebensgefährliche Situation.
Qualität muss transparent sein – und finanziert werden!
Nicht nur Patientinnen und Patienten profitieren von einer hochwertigen Behandlung in professionalisierten Diabeteszentren. Auch für die Mitarbeitenden und die Einrichtung selbst bietet eine Zertifizierung Benefits. „Wenn geregelte Fort- und Weiterbildungen, Hospitationen und regelmäßige Besprechungen feste Bestandteile der Arbeit werden, sind die Mitarbeitenden sicherer in der Behandlung von Menschen mit Diabetes und ihre Zufriedenheit steigt“, sagt Professorin Dr. univ. Julia Szendrödi, Vizepräsidentin der DDG und Ärztliche Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Stoffwechselkrankheiten und Klinische Chemie des Universitätsklinikums Heidelberg. Dies fördere auch den Zusammenhalt des Teams und erhöhe die Arbeitgeber-Attraktivität des jeweiligen Krankenhauses, das zugleich eine bessere Reputation und Außenwirkung erhalte, so die Expertin.
„Im Zuge des Krankenhaustransparenzgesetzes, einer Säule der Krankenhausreform, könnte dies eine entscheidende Komponente der Selbstdarstellung darstellen“, führt die Heidelberger Diabetologin aus. „Zertifizierungen spielen schon jetzt eine entscheidende Rolle für Kliniken, um sich fachlich hervorzuheben und werden voraussichtlich noch entscheidender sein, wenn es nach Inkrafttreten des Transparenzgesetzes darum geht, Patientinnen und Patienten durch eine qualitativ hochwertige Behandlung für sich zu gewinnen und ihr Standing in der Krankenhauslandschaft zu behaupten.“
Doch das müsse auch finanziert und gesundheitspolitisch gefördert werden, so die Expertinnen und Experten auf der Pressekonferenz. „Damit sich die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern die notwendige Expertise aneignen können, müssen ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden“, gibt Gallwitz zu Bedenken. Um also auch im Bereich der Diabetologie eine flächendeckende leitliniengerechte Versorgung gewährleisten zu können, müssten drei wichtige Punkte in die politische Agenda miteinfließen:
3-Punkte-Plan für eine sichere Diabetesversorgung
1. Strukturierte Diabetes-Erkennung und -Versorgung in allen Krankenhäusern!
2. Vulnerable Gruppen schützen! Kinder sowie multimorbide ältere Menschen mit einem Diabetes brauchen besondere Pflege und zeit-intensive ärztliche Betreuung.
3. Versorgungsqualität muss finanziert werden! Krankenhäuser mit Diabetesbehandlungsstrukturen sollten finanzielle Zuschläge erhalten. Einrichtungen ohne diabetologische Expertise finanzielle Abschläge.
Originalpublikation:
1 Hess G, Weber D, Kellerer M, Fritsche A, Kaltheuner M. Erfahrungen von Diabetes Typ 1 Patienten bei stationären Behandlungen - eine Patientenbefragung von winDiab. Diabetologie und Stoffwechsel 2023
2 S3-Leitlinie, Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/057-016, November 2023)