Unternehmen

In der Pandemie wurden die Labore operativ überflutet

18.02.2022 - Was die Laborautomation beitragen kann, um Effektivität und Effizienz in Laboren zu erhöhen, dass umfassende Lösungen nicht den großen Laboren vorbehalten sind, warum aber Laborautomation kein Selbstläufer ist, das erklärt Thomas Braunschweiler, Beckman Coulter Diagnostics, im Gespräch mit Ramona Riesterer.

Thomas Braunschweiler, Beckman Coulter Diagnostics, im Gespräch mit Ramona Riesterer.

M&K: Herr Braunschweiler, wie entwickelt sich der Markt im Bereich der Laborautomatisierungs-Lösungen?

Thomas Braunschweiler: Wir beobachten eine wachsende Nachfrage nach Automation in diagnostischen Laboren. Die Nachfrage stutzt sich einerseits auf den Bedarf, die Anzahl der sich wiederholenden manuellen Schritte bei der Verarbeitung einer Patientenprobe zu minimieren. Zudem wird dieses Wachstum von der klinischen IT angetrieben. Laboratorien erzeugen täglich Hunderttausende von Datenpunkten, die für die Effizienzsteigerung des Arbeitsprozesses unerlässlich sind. Erst wenn wir die klinische IT als zentralen Punkt für den Laborbetrieb betrachten, werden wir neue Wege finden, um Verschwendung zu reduzieren, Arbeitsablaufe zu optimieren und gleichzeitig die Kontrolle über den Prozess zu behalten.

Welche Auswirkung hat die Pandemie?

Braunschweiler: Diagnostische Tests sind bei der weltweiten Bekämpfung von COVID-19 ein wichtiges Werkzeug. Deshalb wurden die Labore operativ überflutet: Im Jahr 2020 nahm die Zahl der klinischen Labortests um 245 % zu – ein Trend, der sich 2021 fortsetzte. Diese stetig steigende Anzahl von Tests stellt Labore vor enorme Herausforderungen. Sie erschweren die Abarbeitung anderer, wichtiger Testparameter, fuhren zu sehr anspruchsvollen Arbeitsumstanden für Labormitarbeiter und erschweren den Laboren generell, die Qualität ihrer Dienstleistung hochzuhalten, ohne die operativen Kosten stark zu erhöhen.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Automation?

Braunschweiler: Sie kann ein wichtiges Werkzeug sein, um die Effizienz und Effektivität von Arbeitsablaufen zu steigern. Automationslosungen nehmen qualifizierten Labortechnikern viele repetitive, manuelle Schritte ab und ermöglichen ihnen, sich anspruchsvolleren, gewinnbringenden Tätigkeiten zu widmen. Das kann sich positiv auf Arbeitsklima und Mitarbeiterbindung auswirken.

Heißt das, dass ein automatisiertes Labor grundsätzlich besser mit hohem Probenaufkommen zurechtkommt?

Braunschweiler: Die Laborautomation alleine reicht nicht aus. Zuvor mussen drei Voraussetzungen geschaffen sein: Arbeitsablaufe sollten standardisiert sein, das Labor sollte umfassend an die klinische IT angebunden und ins LIS integriert sein und nicht zuletzt müssen Management samt Laborteam die Automation mittragen wollen. Wenn ein Labor investiert, gibt es eine Erwartungshaltung, was das bringt, wie sich KPIs entwickeln, beispielsweise die Probendurchlaufzeit zu verkurzen. Wir unterstutzen unsere Kunden partnerschaftlich dabei, die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Ziele dann auch erreicht werden.

Wie hilft die Technik denn konkret, die Durchlaufzeit zu verkürzen?

Braunschweiler: In der Routine-Labordiagnostik geht es hauptsachlich um Logistik. Bis zu 60 % der Zeit nimmt die Präanalytik in Anspruch. Diese vielen manuellen Schritte – Proben-Annahme, -Sortierung, -Identifikation usw. – bergen auch ein gewisses Fehlerpotential. In unserem DxA5000-Familienkonzept decken wir für die Routinediagnostik alles ab: von der Präanalytik, also Probenaufbereitung, -annahme, Qualitätskontrolle und das Einschleusen in die Analytik, wo die Messungen stattfinden, bis hin zur Postanalytik. Dort werden die erzeugten Daten weiterverarbeitet und die Probe für eine mögliche Nacharbeitung mittel- oder langfristig gelagert. Unter anderem haben wir in der Präanalytik eine Einheit zur umfassenden Probencharakterisierung, die innerhalb von drei Sekunden mehrere Punkte zur Identifikation und zum Zustand der Probe abarbeitet – also eine extreme Zeitersparnis ohne jeglichen Qualitätsverlust bringt.

So eine Lösung kommt nur für große Labore infrage, oder?

Braunschweiler: Nein, denn gerade die mittleren Labore ab einem Probenvolumen von 500 pro Tag stehen unter Druck und benotigen eine geeignete Ausstattung. Deshalb haben wir unter dem Namen DxA5000 Fit Workflow Automation System seit Kurzem eine modulare, skalierbare Losung, die sich an deren Bedarf orientiert. Die Einheit für die Probeninspektion sitzt dabei in einem komprimierten Input-Output-Modul, das nur wenig Platz wegnimmt. Die Strasen lassen sich flexibel, auch um Ecken herum fuhren und die gewunschten Routinediagnostik- Analysatoren ganz nach Bedarf anbinden. Damit bringen wir auch in kleinen, verwinkelten Raumen sehr viel unter.

Was lässt sich denn mit einer solchen Lösung noch erreichen, was ohne nicht oder nur schwer möglich ist?

Braunschweiler: Wichtig ist neben der kurzen Probendurchlaufzeit, dass Ergebnisse möglichst immer nach derselben Zeit ausgegeben werden. Für die Arzte und Patienten ist das insbesondere bei dringenden Werten wichtig. Am Beispiel high sensitive Troponin: Dieser Wert ist Teil der Diagnostik bei Verdacht auf Myokardinfarkt. Von der Diagnose hangen nicht nur weitreichende therapeutische Entscheidungen ab, sondern es geht auch um die Gewissheit für die Patienten: Infarkt ja oder nein. Unsere Technologie sorgt Dafür, dass die eingehende Probe immer in derselben Zeit durchlauft – egal, um welche Tageszeit oder wie hoch das Probenaufkommen gerade ist. Denn sie wird im System nirgends hinter weniger dringenden Proben warten mussen. Wir nennen das intelligent routing: Ein Algorithmus berechnet den Weg durch das System, damit die wichtigsten Parameter schnellstmöglich vorliegen.

Wie arbeitet Ihr System, wenn aus einer Probe mehrere Werte ermittelt werden müssen?

Braunschweiler: Immuno- und klinische Chemie können bei uns parallel gemessen werden. Dafür wird ein Teil der Probe entnommen und in die Immuno- Chemie zurückgezogen, während die Hauptprobe sich weiterbewegen und in die nächsten Messungen eingehen kann. Zusätzlich wird Beckman Coulter in 2022 das Aliquoter-Modul für den DxA5000 in den Markt bringen, das zur Aufteilung von Primarproben und zum Sortieren für andere Offline-Analysen mit geringem Volumen eingesetzt werden kann. ■ Zur Person

Zur Person

Thomas Braunschweiler ist der Verkaufsleiter für die Schweiz bei Beckman Coulter Diagnostics und verfügt über mehrjährige Erfahrung in der Life-Science-Branche. Er ist darauf spezialisiert, Diagnostik-Labore zu leistungsstarken Unternehmen zu transformieren. Er hat einen Master- Abschluss (MSc) in Immunologie und einen Executive MBA in strategischem Management

Kontakt

Beckman Coulter GmbH

Europark Fichtenhain B 13
47807 Krefeld
Deutschland

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