Gesundheitspolitik

Deutsche Diabetes Gesellschaft fordert Diabetologie und Endokrinologie an den Universitäten zu stärken

08.10.2021 - Die Universitätsmedizin in Deutschland bildet mit ihrem Aufgabenverbund von Forschung, Lehre und Krankenversorgung die zentrale Schnittstelle zwischen Wissenschafts- und Gesundheitssystem. In seiner jüngsten Empfehlung spricht sich der Wissenschaftsrat dafür aus, diese besonders zu stärken und ihre Basis zu erweitern. Doch laut dem wissenschaftspolitischen Beratungsgremium werden gerade in der Universitätsmedizin Bettenkapazitäten abgebaut und notwendige Forschungsaktivitäten eingestellt, da sie nicht ausreichend finanziert werden.

Dadurch gehen zunehmend Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung verloren - und das besonders in der Endokrinologie und Diabetologie. Angesichts steigender Erkrankungszahlen zeigen sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) über diese Entwicklung besorgt. Sie fordern die politischen Entscheidungsträger dazu auf, insbesondere die Aus- und Weiterbildungskapazitäten auszubauen und damit einem Versorgungsdefizit entgegenzuwirken.

In Deutschland sind derzeit mehr als acht Millionen Menschen an einem Diabetes mellitus erkrankt. Nach Expertenschätzungen wird diese Zahl bis 2040 auf zwölf Millionen Menschen ansteigen. Unter einer Osteoporose leiden mehr als sechs Millionen Menschen und rund ein Viertel weist eine Schilddrüsenerkrankung auf. „Diese Zahlen zeigen: Stoffwechselerkrankungen sind auf dem Vormarsch. Gleichzeitig fallen in den Kliniken genau die Bereiche, die chronisch Kranke versorgen, dem Rotstift zum Opfer“, kritisiert DGE-Präsident Professor Dr. med. Günter K. Stalla. Der Wissenschaftsrat, das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland, teilt diese Beobachtung in seiner jüngsten Empfehlung zur Rolle der Universitätsmedizin. Darin bemängelt das Gremium, dass insbesondere weniger oder nicht interventionelle Fächer zunehmend finanziell benachteiligt werden. „Die sprechende Medizin, die durch eine informierende, aufklärende und patientenzentrierte Versorgung gekennzeichnet ist, wird in der heutigen Hochleistungsmedizin und speziell vom DRG-System zu wenig wertgeschätzt“, bestätigt auch Professor Dr. med. Andreas Neu, Präsident der DDG. So erhalten die Kliniken für diese Leistungen kaum finanzielle Vergütung, so Neu.

Die Folge: Die Fachbereiche Diabetologie und Endokrinologie stehen unter starkem wirtschaftlichem Druck und fallen zunehmend den Sparzwängen in den Kliniken zum Opfer. Aus diesem Grund hat sich die Zahl der Krankenhausbetten mit Schwerpunkt „Endokrinologie und Diabetologie“ im Gegensatz zu fast allen anderen internistischen Schwerpunkten in den letzten zwei Jahrzehnten dramatisch reduziert. Die Diabetologie ist aktuell nur noch an acht von insgesamt 37 staatlichen medizinischen Fakultäten mit bettenführenden Lehrstühlen repräsentiert. Damit können weder in der Aus- noch in der Weiterbildung Wissen und Kompetenzen in Diabetologie und Endokrinologie an ausreichend viele angehende Ärztinnen und Ärzte vermittelt werden. In der Folge droht ein dramatischer Nachwuchsmangel – und das bei einer steigenden Zahl erkrankter Menschen.

Mit dem dramatischen Verlust von Ausbildungsstätten in der Universitätsmedizin gehe außerdem eine fachliche Kompetenz der Lehre verloren, argumentiert Stalla. Er spricht sich dafür aus, die Vernetzung von Forschung, Lehre und Krankenversorgung der Universitätsmedizin zu stärken. „Denn nur hier können Medizinstudierende die Breite des Faches kennenlernen. Sie behandeln direkt die Patienten und lernen aufgrund der fachübergreifenden Zusammenarbeit auch seltene Erkrankungen sowie Krankheitsbilder anderer Fachrichtungen kennen“, so der Experte. „Damit fördern wir die fachliche Kompetenz unserer angehenden Mediziner, denn auch seltene Erkrankungen muss man häufiger gesehen haben, um sie sicher diagnostizieren zu können.“

Genau wie der Wissenschaftsrat sehen DDG und DGE eine klare Verantwortung bei der Politik. „Wir müssen wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen, sonst wird das Fach Endokrinologie/Diabetologie zunehmend aus der Universitätsmedizin verdrängt. Das gefährdet mittelfristig die Versorgung aller Betroffenen!“, warnt Neu. „Deswegen müssen Bund und Länder die Zahl der klinischen Lehrstühle dieser Fächer wieder deutlich ausbauen.“ Das ist die Voraussetzung, damit wieder mehr junge Medizinerinnen und Mediziner in dieser Fachrichtung aus- und weitergebildet werden. Nur so lässt sich mittel- und langfristig eine nachhaltige Versorgung für die wachsende Zahl stoffwechselkranker Patienten sicherstellen.

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