DGU-Präsident: „Wir nehmen die Terrorbedrohung sehr ernst“
Unfallchirurgen positionieren sich für die Vorbereitung zur medizinischen Bewältigung von Terror- oder Amoksituationen in Kliniken
„Wir nehmen die Terrorbedrohung unverändert sehr ernst und arbeiten schon länger daran, dass Mediziner für die Versorgung von Schuss- und Explosionsverletzungen ausgebildet werden. Jetzt fordern wir die flächendeckende Umsetzung unserer Konzepte. Sie sind ein wichtiger Baustein der Daseinsvorsorge“, sagt DGU-Präsident Prof. Dr. Michael J. Raschke. So hat die Fachgesellschaft im neuen erst kürzlich veröffentlichten Weißbuch Schwerverletzenversorgung (3. Auflage) eingeführt, dass sich Kliniken verpflichtend auf die Bewältigung von Terror- oder Amoksituationen vorbereiten müssen.
Das betrifft die derzeit über 700 Traumazentren, die am TraumaNetzwerk DGU teilnehmen. Bisher war die medizinische Vorbereitung zum Management eines Ernstfalles freiwillig. Mit dem Kapitel „Großschadensereignis Massenanfall von Verletzten (MANV) / Massenanfall von Verletzten bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen (TerrorMANV)“ spricht die DGU erstmals verbindliche Empfehlungen zur Bewältigung einer lebensbedrohlichen Einsatzlage aus. „Zur medizinischen Beherrschung eines TerrorMANV stehen Kliniken vor einer bisher unbekannten Herausforderung. Daher sorgen wir dafür, dass ihre Handlungsfähigkeit für diese Fälle erweitert wird“, sagt DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Dietmar Pennig.
Der Leiter der DGU-AG Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chrirurgie (EKTC) Prof. Dr. Axel Franke ergänzt: „Die gestrigen Ereignisse zeigen auf, dass die Daseinsvorsorge nicht nur die Bewältigung von Pandemien, sondern eben auch die permanente Versorgung von Unfällen und Terroranschläge miteinschließen muss. Als Anwälte der Schwerverletzten fühlen wir uns verantwortlich, diese aktuellen Entwicklungen zu antizipieren und an Konzepten zu arbeiten sowie die Weiterbildungsmaßnahmen in diesem Bereich weitestgehend aufrechtzuerhalten.“
Ein TerrorMANV ist eine medizinische und logistische Ausnahmesituation. Unter großem Zeitdruck müssen Rettungskräfte und Klinikpersonal eine hohe Anzahl von lebensgefährlich verletzten Menschen retten und zeitnah versorgen. Dazu kommen eine unübersichtliche Lage, nicht übliche bzw. aus dem Alltag vertraute Verletzungsmuster nach Explosionen oder Schusswaffengebrauch und die Gefahr eines „second hit“ in den Kliniken selbst. Auch die Höhe und die Dynamik des Zustroms der Verletzten in die Klinik sind nicht abschätzbar. Daher hat die DGU in einer Kooperation mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr den Kurs „Terror and Disaster Surgical Care“ entwickelt. Dabei lernen erfahrene Unfallchirurgen und Chirurgen medizinische Herausforderungen in einer Terror- oder Amoklage zu managen. „Mit dieser Schulung ermöglichen wir professionelles Handeln in Ausnahmesituationen. Dabei vermitteln wir hochspezialisiertes Wissen aus der Einsatzchirurgie an zivile Mediziner“, sagt Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert, DGU-Vorstandsmitglied und Mitautor des aktualisierten Weißbuches.
„So besorgniserregend es auch ist: Wir mussten das Weißbuch der Versorgungsrealität anpassen. Ereignisse von Halle aus Oktober 2019 und Waldkraiburg aus Mai 2020, letzte Woche Nizza und gestern Wien zeigen, dass wir auf lebensbedrohliche Einsatzlagen vorbereitet sein müssen“, betont Dr. Gerhard Achatz, stellv. Leiter der DGU-AG Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie.
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