Digital-Experten fordern: „ePA für alle“ jetzt gesetzlich verankern
02.11.2022 - Digitalisierungsexperten fordern die Bundesregierung auf, rasch gesetzlich zu verankern, dass jeder Versicherte automatisch eine ePA erhält – es sei denn, er oder sie widerspricht.
Rechtliche Bedenken gegen ein Gesetz zum „opt-out-Verfahren“ für die ePA greifen aus Sicht des Beirats zu kurz. Indem der Staat die Digitalisierung des Gesundheitswesens beschleunige, erfülle er die grundrechtliche Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit, so der Beirat.
In seinem veröffentlichten Impulspapier „opt-out für die ePA gesetzlich verankern!“ legt der Wissenschaftliche Beirat für digitale Transformation der AOK Nordost dar, warum die Bundesregierung Tempo machen müsse bei der im Koalitionsvertrag versprochenen Umstellung der ePA auf ein Opt-out-Verfahren.
„Deutschland muss sich beeilen, die Opt-out-Lösung umzusetzen, denn die Vorteile überwiegen glasklar. Im Jahr 2022 kann es nicht mehr sein, dass Patient:innen mit Papierstapeln durch die Gegend laufen, doppelt untersucht werden und vielleicht Medikamente erhalten, die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben. All das könnte man mit einer flächendeckend verfügbaren ePA deutlich verbessern“, sagt Inga Bergen. Sie ist Sprecherin des Expertengremiums und hat bereits zwei Unternehmen im Bereich eHealth als CEO aufgebaut.
Auch die medizinische Forschung könne aus Sicht des Beirats durch eine flächendeckend verbreitete ePA vorangebracht werden. Ab 2023 sollen ePA-Nutzer die Möglichkeit bekommen, ihre Daten freiwillig zu spenden. Dies könne helfen, um künftig schneller als bislang wirksame Behandlungen für neuartige Erkrankungen wie etwa Long Covid entwickeln zu können.
Ohne „ePA für alle“ scheint Ziel der Bundesregierung unerreichbar
Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen im Einvernehmen mit Ärzteverbänden, Krankenkassen und weiteren Beteiligten zu beschleunigen, hat das Bundesministerium für Gesundheit im September einen Strategieprozess gestartet. Im Rahmen dieses Prozesses soll auch ein Gesetz für die Opt-out-Regelung der ePA erarbeitet werden. Die Digitalisierungsstrategie soll laut BMG im Frühjahr 2023 vorgestellt werden.
Ziel von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) ist es, dass im Jahr 2025 mindestens 80 Prozent der GKV-Versicherten über eine ePA verfügen. Ohne eine „ePA für alle“ durch die Opt-out-Regelung scheint dieses ambitionierte Ziel laut Beirat unerreichbar zu sein: Rund zwei Jahre nach dem Start der ePA im Januar 2021 haben sich laut TI-Dashboard der gematik erst rund 0,7 Prozent der Versicherten selbst eine ePA ihrer Krankenkasse angelegt – meist in Form einer App, die kostenlos heruntergeladen werden kann.
Zugang zur ePA muss einfach und verständlich sein
Verfassungsrechtliche Bedenken von Datenschützern gegen eine Opt-out-Regelung für die ePA können aus Sicht des Beirats entkräftet werden. Die ePA-Nutzung sei derzeit rein freiwillig und solle es auch bleiben. Dass die Versicherten, die keine ePA wollen, künftig aktiv werden müssen, ändere daran nichts. Dieses System könne nämlich so ausgestaltet werden, dass alle Versicherten eindeutig, unmissverständlich und leicht verständlich auf die Gesetzesänderung und die mit ihr verbundenen Rechtsfolgen hingewiesen würden, so der Beirat.
Der Beirat empfiehlt, im geplanten Gesetz zur Opt-out-Lösung die technisch-organisatorischen Möglichkeiten zur individuellen Nutzung der ePA zu regeln. „Wichtig ist: Es muss einfach sein, es muss verständlich sein, und auch der Zugang muss einfach geregelt sein, damit die Hürde nicht zu groß ist für die Bevölkerung, die ePA zu nutzen. Geklärt werden muss zudem, ob die ePA automatisch mit den Gesundheitsdaten befüllt wird oder ob es dazu noch einer Freigabe im Einzelfall bedarf“, führt Inga Bergen aus. Der Widerspruch gegen die ePA-Nutzung sollte per Post oder per E-Mail, jeweils mit Eingangsbestätigung, ermöglicht werden.
Auseinandersetzung mit der ePA stärkt den Zusammenhalt
Dass die Versicherten sich durch eine Opt-out-Regelung künftig aktiv mit der ePA auseinandersetzen müssen, ist für den Beirat nicht nur zumutbar, sondern diene sogar dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Schließlich sei ein stärker digitalisiertes Gesundheitssystem unverzichtbar für den nachhaltigen Schutz von Leben und Gesundheit.