Dresdner Uniklinikum startet neues Beratungsangebot für Schlaganfallpatienten
29.10.2018 -
Durch ein zusätzliches Beratungsangebot zu sozialrechtlichen und psychosozialen Fragen erweitert das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden sein Versorgungsangebot für Schlaganfallpatienten.
Durch ein zusätzliches Beratungsangebot zu sozialrechtlichen und psychosozialen Fragen erweitert das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden sein Versorgungsangebot für Schlaganfallpatienten: Damit sichern nicht nur drei unter dem Dach des Dresdner Neurovaskulären Centrums (DNVC) verbundene Kliniken des Uniklinikums die Akutversorgung der Patienten ab und kooperieren mit externen Krankenhäusern im Rahmen des neurovaskulären Netzwerks SOS-NET, sondern begleiten mit dem Projekt SOS-Care Schlaganfallpatienten jeweils ein Jahr lang in der Nachsorge. Um mehr Betroffenen und deren Angehörigen auch zu Themen, die nicht unmittelbar medizinischer oder pflegerischer Natur sind, beratend zur Seite zu stehen, hat das DNVC ein weiteres Angebot auf den Weg gebracht.
Ab Dienstag, dem 6. November, wird Colin Geipel im Auftrag des DNVC zweimal die Woche an einem für ihn eingerichteten Schreibtisch sitzen und am Telefon sowie am Computer für Schlaganfallpatienten beziehungsweise deren Angehörige da sein. Es ist ein ganz besonderer Experte der dort Fragen beantwortet: der Dresdner kennt die Folgen eines Schlaganfalls und die vielen sich daraus ergebenen Fragen und Probleme aus eigener Erfahrung: Colin Geipel ist ebenfalls Betroffener, dessen Lebensweg sich vor nunmehr 16 Jahren von einem Tag auf den anderen komplett geändert hat. Doch der heute 48-Jährige hat die Herausforderungen angenommen und bis heute vieles angeschoben, um weiter aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und andere Schlaganfallpatienten zu ermutigen, sich auch selbst zu helfen. „Für die Betroffenen ist es wichtig, nicht im Bett oder dem Sofa zu bleiben und sich bedienen zu lassen“, bringt es Colin Geipel auf den Punkt. Denn sein Leben wieder in die Hand zu nehmen und aktiv zu werden ist nicht nur gut für die Seele, sondern auch für den Körper. Sich regelmäßig zu bewegen, schützt auch Schlaganfallpatienten vor den Zivilisationskrankheiten wie starkes Übergewicht, verkalkte Gefäße oder Herzprobleme. „Ein selbst Betroffener kann Schlaganfallpatienten viel besser motivieren als ein Experte dies auf professioneller Ebene vermag“, sagt Uwe Helbig. Als erster Schlaganfall-Lotse Deutschlands hat er am Dresdner Uniklinikum das Nachsorgeprojekt „SOS-Care – Hilfe nach Schlaganfall“ mit aufgebaut und betreut seit sieben Jahren jeweils für gut ein Jahr Hirninfarkt-Patienten nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen worden sind.
Das Schicksal des Schlaganfallhelfers Colin Geipel, der ab dem 6. November zweimal die Woche ins Klinikum kommt, um Betroffene zu beraten, ist auf vielfache Weise mit der Hochschulmedizin Dresden verknüpft. Bis 2002 hat er im Experimentellen Zentrum der Medizinischen Fakultät der TU Dresden gearbeitet. Dann traf sein Gehirn ein Schlag, der ihn in Lebensgefahr brachte: Eine krankhaft erweiterte Arterie war im Kopf geplatzt. Das dabei austretende Blut erhöhte den Schädelinnendruck und zog so sein Gehirn in Mitleidenschaft. Neurochirurgen des Uniklinikums konnten das dabei entstandene Hämatom entfernen und retteten ihm das Leben ebenso wie die Intensivmediziner, die ihn danach wochenlang versorgen mussten. Was zurückblieb, war eine linksseitige Lähmung des Körpers. Glücklicherweise ist sie nicht komplett, so dass Colin Geipel Potenzial blieb, einen Teil der Beweglichkeit wiederzugewinnen. „Ich wurde im Rollstuhl in die Rehaklinik geschoben und habe sie gehend wieder verlassen“, erzählt er. „Das verdanke ich nicht nur den Ärzten, sondern auch meiner Familie.“
Trotzdem hat der Hirninfarkt beim heute 48-Jährigen seinen Tribut gefordert. Er ist Erwerbsunfähigkeitsrentner und sagt dennoch: „mich hat nie die Lebenslust verlassen.“ Colin Geipel erzählt von den vielen Initiativen die die er gestartet hat, um sich ein Stück des Lebens wieder zu erkämpfen, das er vor dem Hirninfarkt gelebt hatte. Dazu gehört auch das Musizieren. Nach ärztlicher Beratung kam er über den verwundenen Pfad von Schlagzeug und Euphonium schließlich wieder zu dem größten aller Blechblasinstrumente, das er nun im Posaunenchor der Kirchgemeinde Dresden-Bühlau spielt. Diese musikalische Rückeroberung hat in seinem Musiker-Freundeskreis große Bewunderung ausgelöst und gab ihm einmal mehr den Anstoß, sich intensiver in Selbsthilfegruppen zu engagieren. – Weniger, um davon unmittelbar selbst zu profitieren, sondern um andere Betroffene zu motivieren und zu zeigen, dass da noch viel geht. „Meine Familie hat mich ermutigt und unterstützt, dass ich nun auch anderen Betroffenen helfe“, sagt er. Parallel hat der Dresdner auch begonnen, das Projekt SOS-Care zu begleiten. Um als Vorbild, Ratgeber und Motivator zusätzliche Kompetenzen zu erwerben, absolvierte Colin Geipel eine von der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ins Leben gerufene Schulung zum „Schlaganfallhelfer“. Diese Kenntnisse kommen ihm bei seiner beratenden Tätigkeit nun zugute.
Darüber hinaus kann er die vielen eigenen Erfahrungen weitergeben – etwa bei dem Kampf um die Finanzierung seines Therapierades, das sein linksseitiges Handicap ausgleicht. Eigentlich ist es nichts anderes als ein Liegerad, dass zusätzlich über einen Motor verfügt, wie er auch in E-Bikes eingebaut wird. Erst wollte seine Krankenkasse diese Anschaffung überhaupt nicht unterstützen – wohl aber einen Rollstuhl mit Elektromotor. Das Argument, dass ihm das Fahrrad anders als ein Rolli dabei hilft, fit zu bleiben, verfing nicht. Seine Erfahrungen, Anträge zu schreiben und Widersprüche zu formulieren, gibt Colin Geipel nun künftig auch am Telefon des Uniklinikums weiter. Auch den Tipp, in aller Konsequenz auch eine Klage beim Sozialgericht einzureichen – so kam der 48-Jährige über einen Vergleich schließlich doch an Geld für das teure Liegerad.
Für Colin Geipel ist das Fahrrad ein weiteres Stück Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, auf das jeder Behinderte ein Recht hat. Dank des Sozialgesetzbuches IX gibt es finanzielle Unterstützung von Initiativen, die Betroffenen wie dem 48-Jährigen auch die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen. So arbeitet er seit Jahresbeginn bei der Gut Leben gGmbH in Zscheckwitz bei Kreischa. Die Gut Leben bietet Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben speziell für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen an. Das gemeinnützige Unternehmen war sofort damit einverstanden, Colin Geipel für die Beratungstätigkeit am Dresdner Neurovaskulären Centrum zu unterstützen.
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