Bauen, Einrichten & Versorgen

Effizientes Lademanagement für die Mobilität der Zukunft

01.06.2022 - Hohe Öl- und Gaspreise in Kombination mit mobilem Stillstand während der Pandemie und den Anforderungen der Pariser Klimaziele bescheren den Themen Energiegewinnung und -speicherung, Elektrifizierung und Digitalisierung eine völlig neue Aktualität. Architekten und Stadtplaner stehen vor der Herausforderung, Quartiere ökologisch, ökonomisch und sozio-kulturell im Einklang zu planen. Dabei müssen sie die Interessen der Kommunen und Bauherren zusammenbringen.

Das Konzept der „15-Minuten-Stadt“ soll es möglich machen, alle benötigten Einrichtungen wie Einkaufs- und Arbeitsstätten, Verwaltungs-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen mit kurzen Wegen zu bewältigen. Doch auch für weiter entfernte Ziele braucht es Lösungen. Neben dem öffentlichen Nahverkehr sind zukünftig Fahrzeuge mit alternativen Antrieben das Fortbewegungsmittel der Wahl. Die Automobilindustrie bietet bereits eine Vielzahl von Fahrzeugen an, die jedoch eine zuverlässige Ladeinfrastruktur benötigen.

Stefanie Weitz von der Light + Building sprach mit Klaus Jung vom Verband der Elektro und Digitalindustrie, ZVEI e.V., über die Entwicklungen im Bereich Elektromobilität und Lademanagement.

Stefanie Weitz: Wo stehen wir aktuell im Hinblick auf die Energiewende?

Klaus Jung: Die Ampelkoalition hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 rund 15 Millionen vollelektrische PKW auf die Straßen zu bringen. Dafür muss der Ausbau der Ladeinfrastruktur massiv beschleunigt werden. Zentral ist dabei die Nähe zum Wohnort, denn ein Großteil der Ladevorgänge findet zuhause statt. Hier stehen die Fahrzeuge über einen längeren Zeitraum. Der Fokus der Politik liegt bislang hauptsächlich auf dem Ausbau der Ladeinfrastruktur an Eigenheimen und des öffentlichen Netzes. Es ist aber mindestens genauso wichtig, die Lademöglichkeiten an Mehrfamilienhäusern in den Blick zu nehmen. Sie sind ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum Ausbau des Ladenetzes und damit auch im Hinblick auf die Energiewende. Erst, wenn größere Wohneinheiten eingebunden sind, funktioniert die Zukunftsvision vom E-Fahrzeug als Speicher für vor Ort erzeugte regenerative Energie. Wenn E-Fahrzeuge in das Hausnetz eingebunden sind, können sie in Spitzenzeiten von Stromangebot und Stromnachfrage für Ausgleich sorgen.

Stefanie Weitz: Was sind momentan die größten Herausforderungen?

Klaus Jung: Wenn dieses Ziel erreicht werden soll, kommt es jetzt darauf an, das Ladenetz beschleunigt auszubauen und die Anzahl der verfügbaren Ladepunkte kontinuierlich zu erhöhen. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Modernisierung der Elektroinstallationen in Wohneinheiten und Gebäuden. Hier gibt es einen großen Modernisierungsbedarf, denn ein Großteil ist den Anforderungen nicht gewachsen, das heißt, oftmals können Ladesäulen nicht oder nur unter sehr hohem Aufwand integriert werden. Rückgrat der Energiewende ist zudem die Koppelung der Sektoren. Damit sie gelingt, ist es nötig, sowohl Gebäude als auch den Verkehr zu elektrifizieren und zu digitalisieren. Die Technik muss hier auf dem gleichen Stand sein. Gelingt uns dies, können wir im Gebäudesektor gut die Hälfte des Primärenergieverbrauchs einsparen.

Stefanie Weitz: Welche Anforderungen müssen bei der Modernisierung von Gebäuden bedacht werden?

Klaus Jung: Zunächst sollte eine genaue Bedarfsanalyse erfolgen, damit später ein sicherer und zuverlässiger Betrieb mit ausreichend Leistung möglich ist. Dafür ist die Art und Anzahl der Fahrzeuge wichtig, die den Standort zum Laden nutzen werden. Elementar sind auch die Ladeleistung der Fahrzeuge, die erwartete Parkdauer sowie das generelle Ladeverhalten. Zudem kann mit einem Leistungsmanagement der Bedarf an Anschlussleistung reduziert werden. Es bietet sich an, den Ausbau der elektronischen Infrastruktur mit stationären Batteriespeichern zu kombinieren. Dadurch reduzieren sich die Investitionen, Lastspitzen können vermieden werden. Außerdem sollte bereits in die Planung einfließen, wie viele Ladepunkte an einer Ladestation zur Verfügung stehen, und ob diese gleichzeitig mit voller Leistung betrieben werden.

Stefanie Weitz: Welche Effekte hat der Einbau eines Leistungsmanagements?

Klaus Jung: Ein Leistungsmanagementsystem ist wichtig für die Steuerung verschiedener Ladevorgänge. Es kann ergänzend zu einer Verstärkung des Netzanschlusses oder alternativ dazu eingebaut werden. Dadurch kann beispielsweise die Maximalleistung oder die Priorisierung von Ladevorgängen erfolgen. Gerade bei Mietobjekten mit sehr vielen Parteien kann es zur Vermeidung oder Reduzierung von kostenintensiven Ladespitzen beitragen oder einen Netzausbau vermeiden. Gleichzeitig kann ein Leistungsmanagement zur optimalen Nutzung von regenerativen Energien beitragen.  

Stefanie Weitz: Die Themen regenerative Energien, Speicherung von Energie und Elektromobilität laufen zusammen im Thema „Intelligentes Stromnetz – Smart Grids“. Was steckt dahinter und wohin führt uns das zukünftig?

Klaus Jung:
 Dem intelligenten Stromnetz liegt ein Konzept zu Grunde, das die umfassende Vernetzung von Energieerzeugern, Energiespeicherung und -verbrauch vorsieht. Dadurch soll Energie immer dort verfügbar sein, wo sie gerade benötigt wird. Basis ist die flexible und effiziente Nutzung der Energie von allen Bestandteilen des Smart Grids. Fahrzeuge besitzen in diesem Konzept bidirektionale Batterien, die sowohl geladen werden können als auch im Bedarfsfall Energie zur Stromversorgung abgeben können. Dazu muss natürlich das Fahrzeug an das elektrische Netz angeschlossen sein. Dies ist insbesondere im privaten Bereich sinnvoll, da Fahrzeuge hier lange an der Ladestation parken können. Dies kann sich positiv auf die Stromkosten auswirken und das Stromnetz in Engpasssituationen unterstützen. Momentan ist das leider noch Zukunftsmusik, da weder die Elektrofahrzeuge noch die Ladestationen serienmäßig auf eine netzgekoppelte Rückspeisung ausgelegt sind. Außerdem gibt es noch keine gesetzlichen Rahmenbedingungen für flexible Tarife, damit die Bereitstellung von netzdienlichen Speichern der Endkunden denen vergütet werden. Ohne wirtschaftliche Motivation wird bidirektionales Laden nicht marktfähig werden.

Die neuesten Entwicklungen im Bereich von Ladestationen für Elektrofahrzeuge in Kombination mit nachhaltiger Stromversorgung sowie intelligente Lösungen für das vernetzte und automatisierte Gebäude werden auf der Light + Building Autumn Edition im Oktober 2022 erlebbar sein. Auch beim Technologieforum, dass der ZVEI in Zusammenarbeit mit der Messe Frankfurt ausrichtet, wird sich alles um Technologien für die Energiewende drehen.

Die Light + Building Autumn Edition findet vom 2. bis 6. Oktober 2022 auf dem Gelände der Messe Frankfurt statt. Begleitet wird sie durch die Light + Building Digital Extension vom 2. bis 14. Oktober 2022. Das Technologieforum hat seine Heimat in Halle 12.1.

 

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