Aus den Kliniken

Erste erfolgreiche Studie zur Früherkennung von HPV-bedingtem Krebs im Rachenraum

29.09.2022 - Beim seltenen HPV-bedingten Rachenkrebs setzten Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum nun in einer Machbarkeitsstudie auf den kombinierten Nachweis von Antikörpern gegen zwei verschiedene Virusproteine. Damit konnten sie den positiven Vorhersagewert der Testergebnisse deutlich verbessern.

Bösartige Tumoren im Mund-Rachenraum, in der Fachsprache Oropharynxkarzinom, sind selten und werden in Deutschland jedes Jahr nur bei 5 bis 10 von 100.000 Einwohnern diagnostiziert. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. Als Risikofaktoren für diese Krebserkrankung wurden Alkohol- und Tabakkonsum sowie die Infektion mit krebserregenden humanen Papillomviren (HPV) identifiziert. In Deutschland geht etwa die Hälfte aller Oropharynxkarzinome auf das Konto von HPV, in der Hauptsache ist HPV16 beteiligt. Jedoch tritt die Krebsart in der westlichen Welt seit einigen Jahren immer häufiger auf, weil die Rate an HPV-bedingten Tumoren sehr schnell steigt.

Oropahrynxkarzinome bilden keine bekannten Vorläufer-Läsionen und werden daher meist erst spät festgestellt, wenn sie sich schon in benachbarte Lymphknoten ausgebreitet haben. Wissenschaftler suchen daher nach Möglichkeiten, anhand von Biomarkern Hochrisikopatienten zu identifizieren, bei denen eine regelmäßige Früherkennungsuntersuchung durch einen HNO-Arzt zu einer möglichst frühen Entdeckung der gefährlichen Erkrankung beitragen könnte.

„Bei über 90 Prozent aller Patienten mit HPV-bedingten Oropharynxkarzinomen sind Serum-Antikörper gegen das HPV16-Protein E6 nachweisbar“, sagt Tim Waterboer vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Doch der Virologe und Epidemiologe weist auf ein grundsätzliches Problem bei Screening-Untersuchungen auf seltene Erkrankungen hin: „Da HPV-bedingte Oropharynxkarzinome in der breiten Bevölkerung so selten sind, ist die positive Vorhersagekraft eines HPV16 E6-Nachweises vergleichsweise gering. Das heißt, von den Menschen, die Antikörper gegen HPV16 E6 aufweisen, wird die überwiegende Mehrheit nicht an HPV-bedingtem Krebs erkranken.“

Die Wissenschaftler um Waterboer hatten die Beobachtung gemacht, dass Menschen mit HPV-bedingten Oropharynxkarzinomen nicht nur Antikörper gegen HPV16 E6, sondern auch gegen andere HPV16 Proteine ausbilden, die während der Frühphase der Virusinfektion gebildet werden (insb. E1, E2, E7). Bei Personen, die nicht an HPV-bedingten Tumoren erkrankt sind, findet sich die Situation so gut wie nie.

„Unsere Hypothese war, dass ein kombinierter Nachweis von Antikörpern gegen HPV16 E6 und mindestens einem weiteren frühen HPV16-Protein die Vorhersagekraft einer Screening-Untersuchung deutlich verbessern könnte“, so Waterboer.

Diese Annahme konnten Waterboer und Kollegen an Teilnehmern der Hamburg City Health Study nachprüfen, einer der größten deutschen Gesundheitsstudien. Blutproben von 4424 Teilnehmern, die zwischen 2016 und 2017 in die Studie rekrutiert worden sind, wurden auf die Antikörperkombination getestet. Bei 35 Personen (0,8 Prozent) fanden die Forscher Antikörper gegen HPV16 E6. Doch nur elf der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (0,3 Prozent) waren seropositiv für HPV16 E6 plus ein weiteres frühes HPV16-Protein.

Diese elf Hochrisiko-Personen wurden anschließend im sechsmonatigen Abstand zu regelmäßigen Untersuchungen in die Klinik für Hals-, Nasen und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eingeladen. Neun der Teilnehmer nahmen diese Untersuchungen wahr. Dabei wurden in den folgenden 1,3 Jahren bei drei symptomlosen Teilnehmern HPV-bedingte Oropharynxkarzinome diagnostiziert. Die Krebserkrankungen wurden im Stadium 1 entdeckt und konnten erfolgreich behandelt werden.

„Bei diesem Screening geht es um eine Früherkennung, die vor allem die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert. Typische Folgen nach der Behandlung von großen Tumoren sind z.B. Schluck- und Sprachstörungen, die die Lebensqualität der Betroffenen massiv einschränken. In einem frühen Stadium können Oropharynxkarzinome vergleichsweise schonend behandelt werden, so dass die Patienten kaum therapiebedingte Einschränkungen haben“, so Waterboer.

Er betont, dass es sich bei der aktuellen Arbeit um eine Machbarkeitsuntersuchung handelt. „Vielfach bestand die Erwartung, dass ein Screening auf Oropharynxkrebs auf Grund der Seltenheit der Erkrankung unweigerlich zu einer inakzeptabel hohen Rate von falsch positiven Ergebnissen führen würde. Diese Befürchtung konnten wir durch die kombinierte Antikörper-Analyse ausräumen.“

Als nächstes wollen Waterboer und Kollegen weitere Biomarker und klinische Untersuchungen sowie bildgebende Verfahren in die Untersuchung mit aufnehmen, um die optimalen Bedingungen für ein Screening auf HPV-bedingten Oropharynxkrebs zu definieren. Erst dann wird sich abschätzen lassen, ob ein bevölkerungsweiter Einsatz einer solchen Früherkennungsuntersuchung unter medizinischen und auch ökonomischen Aspekten sinnvoll sein könnte.

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