Früherkennung bei Babys
13.07.2023 - Eine Stuhlfarbkarte, die Hinweise auf einen möglichen Gallengangverschluss geben kann, wird fester Bestandteil des Gelben Heftes.
Ein gemeinsames Projekt von MHH und TK Niedersachsen wird bundesweit umgesetzt: Durch mehr Aufmerksamkeit für die gefährliche Gallengangatresie und eine frühe Diagnose soll die Zerstörung der Leber verhindert und eine Transplantation vermieden werden.
Eine Gallengangatresie ist eine seltene Erkrankung, die aber bereits in den ersten Lebenswochen eines Kindes gravierende Folgen haben kann. Bei der Atresie handelt es sich um einen irreversiblen Verschluss der ableitenden Gallenwege, der in wenigen Wochen zu einer Zerstörung der Leber führt. „Die einzige Chance, das zu verhindern, liegt in einer sehr frühen Diagnose“, erklärt Dr. Omid Madadi-Sanjani von der Klinik für Kinderchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Der Oberarzt und sein inzwischen ehemaliger Kollege Prof. Dr. Claus Petersen setzen sich gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse (TK) Niedersachsen bereits seit vielen Jahren dafür ein, die Früherkennung der Gallengangatresie zu stärken. Jetzt können sie sich über einen großen Erfolg freuen: Eine Stuhlfarbkarte, die Hinweise auf einen möglichen Gallengangverschluss geben kann, wird fester Bestandteil des Gelben Heftes – und kann damit bundesweit bei allen Neugeborenen zum Einsatz kommen. Diese Neuerung wurde im Mai dieses Jahres durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) auf den Weg gebracht.
Frühe Operation ist eine Chance für die Leber
Etwa eins von 19.000 Neugeborenen ist von einer Gallengangatresie betroffen. Durch den Verschluss der Gallengänge staut sich die Gallenflüssigkeit. Unbehandelt führt das im zweiten oder dritten Lebensjahr zu einem tödlichen Leberversagen. Zu den typischen Symptomen, die im Krankheitsfall bereits in den ersten Lebenswochen auftreten, gehört neben einer anhaltenden Gelbsucht auch eine blasse Stuhlfarbe. Behandelt werden kann die Erkrankung ausschließlich chirurgisch. Für den Erfolg spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. „Wird das Kind in den ersten zwei Lebensmonaten von einem qualifizierten Team operiert, können etwa 50 Prozent dieser Kinder langfristig mit ihrer eigenen Leber überleben“, erläutert Professor Petersen. Alle anderen erhalten früher oder später eine Lebertransplantation, die zwar das Überleben sichert, aber mit vielen lebenslangen Einschränkungen verbunden ist.
Versorgungslücke wird geschlossen
Gemeinsam mit der TK ist die MHH schon seit 2014 für eine frühe Diagnose der Gallengangatresie aktiv. Seit Ende 2016 werden alle Geburtskliniken in Niedersachsen mit Stuhlkarten zu Früherkennung versorgt, 2021 wurde die Stuhlkarte digitalisiert und steht seitdem auch als App „Lebercheck für Babys“ bundesweit allen Eltern zur Verfügung. Mit der Aufnahme ins Gelbe Heft ist nun ein weiterer großer Schritt gelungen. „Aus unserer Sicht ist es wichtig, auch bei seltenen Krankheiten frühzeitig aufzuklären und zu handeln. Andernfalls besteht das Risiko, dass diese Krankheiten durch das System rutschen. Umso erfreulicher ist es, dass der Einsatz von Stuhlkarten im Gelben Heft von nun an auch bundesweit eine Versorgungslücke schließen kann“, sagt Dirk Engelmann, Leiter der TK-Landesvertretung Niedersachsen.
Das Gelbe Heft erhalten alle Eltern nach der Geburt eines Kindes von der Entbindungsstation oder von der Hebamme. In dem Kinderuntersuchungsheft werden sämtliche Untersuchungsergebnisse von der U1 bis zur U9 festgehalten. Nach Einschätzung des G-BA können die neuen, um die Stuhlfarbkarte erweiterten Gelben Hefte voraussichtlich ab Herbst dieses Jahres ausgegeben werden.
Wichtiges Hilfsmittel für Eltern
Die Stuhlfarbkarte an sich ist keine neue Erfindung. In Taiwan, Japan, Mexiko und der Schweiz ist sie schon länger fester Bestandteil des Kinderuntersuchungshefts. Mit der Integration in das Gelbe Heft haben jetzt auch alle Eltern in Deutschland die Möglichkeit, die Stuhlfarbe ihres Babys kontrollieren zu können. Die Entscheidung, ob ein Befund auffällig ist oder nicht, trifft in jedem Fall ein Arzt oder eine Ärztin. „Die Karte ist für die Eltern aber ein wichtiges Hilfsmittel“, erklärt Dr. Madadi-Sanjani. Er wird den bundesweiten Einsatz der Stuhlfarbkarte wissenschaftlich begleiten und deren Erfolg beobachten – am Ende soll die lebensbedrohliche Erkrankung bei mehr Neugeborenen sehr früh erkannt werden.
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