Hygiene

„Hautrötungen sind nicht normal“

07.06.2022 - Beschäftigte in Pflegeberufen haben aufgrund des hohen Anteils an Feuchtarbeit ein besonderes Risiko, ein berufsbedingtes Handekzem zu entwickeln.

Dem Schicksal muss sich jedoch niemand hingeben, sondern jeder kann seine Haut effektiv schützen, um eine unangenehme Dermatose zu verhindern. Dr. Flora Sonsmann, Diplom-Gesundheitslehrerin am Institut für interdisziplinäre Dermatologische Prävention und Rehabilitation (iDerm) an der Universität Osnabrück zeigt auf, welche Möglichkeiten des Hautschutzes es gibt, und beantwortet Fragen zur richtigen Auswahl und Anwendung von Schutzhandschuhen.

M&K: Was versteht man unter Feuchtarbeit?

Dr. Flora Sonsmann: Feuchtarbeit ist ein Begriff aus dem Arbeitsschutz, der klar definiert ist. Sie besteht dann, wenn regelmäßige Tätigkeiten im feuchten Milieu von mehr als zwei Stunden pro Tag durchgeführt werden, die Hände häufig beziehungsweise intensiv gereinigt oder feuchtigkeitsdichte Schutzhandschuhe getragen werden, die einen Wärmestau an der Haut verursachen.

Was passiert mit der Haut, wenn sie regelmäßig einem feuchten Milieu ausgesetzt ist?

Sonsmann: Beim Tragen von Handschuhen besteht das Problem, das die darunter entstehende Feuchtigkeit nicht entweichen kann und die oberste Hautschicht aufquellen lässt. Auch häufiges Händewaschen hat diesen Effekt, der die Hautbarriere dauerhaft schädigt – insbesondere, wenn Seife oder andere Reinigungsmittel zum Einsatz kommen können zusätzlich Hautfette ausgespült und die Hautzellen geschädigt werden. Wenn die Hautbarriere geschädigt ist, bietet sie keinen ausreichenden Schutz mehr gegenüber Stoffen von außen. Die Haut trocknet aus, kann schuppen, einreißen und sich entzünden. Medizinisch liegt dann ein Ekzem vor.

Durch regelmäßige Feuchtarbeit wird die Haut sehr stark strapaziert. Was können Beschäftigte tun, um Handekzeme zu verhindern?

Sonsmann: Es ist wichtig zu wissen, dass die Hände auch unter Einhaltung der Hygienevorschriften geschützt werden können und sollten – das fängt bereits bei der Reinigung an. Wie bereits mehrere Studien gezeigt haben, belastet die Händedesinfektion die Haut deutlich weniger als das Waschen, da die herausgelösten Lipide auf der Haut verbleiben. Für viele Menschen ist diese Aussage erstaunlich, da Desinfektionsmittel auf vorgeschädigter Haut brennen und dadurch der Eindruck entsteht, dass diese die Haut mehr reizen als das Waschen mit einem Hautreinigungsmittel und Wasser. Die Desinfektion sollte daher stets vorgezogen werden, sofern keine Gründe dagegen sprechen wie z.B. eine Kontamination mit Sporen. Dabei gilt es, unbedingt darauf zu achten, dass das Desinfektionsmittel vollständig verdunstet – es sollte vorher also keinesfalls abgetragen werden, z.B. mit Papierhandtüchern oder am Kittel, da die Hautfette sonst mit entfernt werden. Nur wenn das Mittel vollständig verdunstet ist, bleibt die oberflächliche Fettung der Haut erhalten. Ebenfalls durch Studien belegt werden konnte, dass die Kombination aus Hautschutz und Hautreinigung während der Arbeitszeit und Hautpflege nach der Arbeit den besten Hautschutz bietet. Wenn eine Hautschutzcreme angewendet wird, sollte sie für die beruflichen Expositionen ausgelobt (z.B. unter Schutzhandschuhen, Schutz vor Wasser) und vor der Händedesinfektion oder dem Anlegen von Schutzhandschuhen vollständig eingezogen sein, um mögliche Interaktionen zwischen dem Handschuhmaterial und der Creme zu reduzieren.

Was ist bei der Auswahl von Schutzhandschuhen sonst noch zu beachten?

Sonsmann: Welche Schutzhandschuhe benutzt werden, hängt natürlich davon ab, welchen Einflüssen Beschäftigte ausgesetzt sind und wie lange. Kommen sie mit Chemikalien oder Krankheitserregern in Kontakt und wenn ja, mit welchen? Auch das Schwitzempfinden und mögliche Sensibilisierungen gegenüber Handschuhinhaltsstoffen und/ oder Berufsstoffen spielen bei der Auswahl der Handschuhe ebenso eine wichtige Rolle wie berufsspezifische Vorschriften.

Besonders Sensibilisierungen können zum Problem werden.

Sonsmann: Ja. Besteht der Verdacht, dass jemand auf einen Inhaltsstoff von Schutzhandschuhen oder auf einen Berufsstoff mit einem Kontaktekzem allergisch reagiert – also eine Typ-IV-Sensibilisierung aufweist –, sollte das unbedingt dermatologisch oder arbeitsmedizinisch abgeklärt und das Allergen identifiziert werden, um dieses künftig meiden zu können und die Haut gesund zu erhalten. Während vor einigen Jahren vor allem Latex in Schutzhandschuhen im Gesundheitsdienst allergische Reaktionen vornehmlich vom Sofort-Typ (Typ I) auslöste, ist die Zahl der gemeldeten Fälle aufgrund von Regularien mittlerweile stark zurückgegangen. Inzwischen sind es eher Vulkanisationsbeschleuniger beziehungsweise Akzeleratoren in Schutzhandschuhen aus natürlichem oder synthetischem Kautschuk, die vielen Beschäftigten Probleme bereiten. Dabei handelt es sich um Stoffe, die während der Produktion der Handschuhe eingesetzt werden. Sie lösen sich beim Tragen und können zu Typ IV-Sensibilisierungen führen. Sobald eine Sensibilisierung gegen diese Stoffe oder einem dieser Stoffe bekannt ist, sollten ausschließlich Schutzhandschuhe ohne diesen Inhaltsstoff verwendet werden. Eine Möglichkeit bieten z.B. akzeleratorenfreie Handschuhe, Vinylhandschuhe oder Unterziehhandschuhe aus Polyethylen. Ob ein bestimmter Beschleuniger in einem Handschuh enthalten ist, kann zum Teil der Produktinformation entnommen werden. Im Zweifel sollte der Handschuhhersteller angefragt werden.

Wann sollten Handschuhe gewechselt werden?

Sonsmann: Das hängt wesentlich von den Tätigkeiten, Handschuhen und Expositionen ab und kann pauschal nicht beantwortet werden. Im Umgang mit Chemikalien, z.B. mit Flächendesinfektionsmitteln, sollten dafür zugelassene Chemikalienschutzhandschuhe verwendet werden. Wie lange diese schützen, kann den Permeationszeiten entnommen werden, die bei den Handschuhherstellern erfragt oder eingesehen werden können. Dabei handelt es sich um im Labor ermittelte Durchbruchzeiten, die zeigen, wie lange eine Chemikalie braucht, um das Handschuhmaterial auf molekulare Weise zu durchwandern. Unter arbeitspraktischen Bedingungen kann die Durchbruchszeit allerdings aufgrund von thermischen und mechanischen Einflüssen auf ein Drittel der ausgewiesenen Zeit sinken, so dass die tatsächlich empfohlene Handschuhtragezeit geringer als die Permeationszeit ist. Dies ist ein komplexes Thema, das vor allem bei Personen mit allergischen Kontaktekzemen genau betrachtet werden sollte.

Grundsätzlich gilt: Fühlen sich die Hände feucht an, sollten Handschuhe gewechselt und die Hände getrocknet werden, denn der Wärme- und Flüssigkeitsstau weicht die Haut auf. Dadurch wird sie reizbarer und durchlässiger für Fremdstoffe – ein Zustand, der auch nach dem Tragen der Handschuhe besteht. Die beste Möglichkeit, diesem Okklusionseffekt zu begegnen, ist generell eine kurze Tragedauer. Ist dies nicht möglich und werden Handschuhe längere Zeit ununterbrochen getragen, kann unter die Einmalhandschuhe ein Paar Baumwollhandschuhe gezogen werden. Sie saugen den Schweiß auf, wodurch eine Quellung der Hornschicht verhindert wird. Die Baumwollhandschuhe werden erst bei beginnender Durchfeuchtung, spätestens jedoch beim Wechsel der Überhandschuhe, gewechselt und müssten vor der Wiederverwendung professionell wiederaufbereitet werden. Die KRIKO empfiehlt zudem, Einmalhandschuhe grundsätzlich nach jedem Patientenkontakt, spätestens aber nach 15 Minuten zu wechseln, um das Risiko für Materialschäden an den Fingerspitzen möglichst gering zu halten.

Wann sollten Betroffene auf Hautprobleme reagieren und an wen können sie sich wenden?

Sonsmann: Schon bei der ersten Rötung sollte reagiert und keinesfalls gewartet werden. Denn ist die Haut erstmal geschädigt, dauert es einige Wochen, bis sie abgeheilt ist und sich komplett regeneriert hat. Das ist ein langwieriger Prozess. Beschäftigte sollten wissen, dass Hautrötungen und trockene, schuppende Haut nicht normal sind und behandelt werden müssen. Der erste Weg sollte über den dermatologischen oder betriebsärztlichen Dienst gehen und schließlich sollte bei einem Berufsbezug die zuständige Berufsgenossenschaft informiert und das Hautarztverfahren eingeleitet werden. Im Kontext des Stufenverfahrens Haut werden Betroffene optimal medizinisch versorgt. Bei Bedarf werden z.B. ambulante Hautschutzschulungen und/oder eine stationäre Rehabilitation in berufsdermatologischen Kompetenzzentren angeboten. So werden Betroffene bestmöglich versorgt. Des Weiteren sollten alle Beschäftigten in der Pflege geschult werden, um mögliche Wissenslücken bei Hautschutzmaßnahmen zu schließen und somit der Entstehung von berufsbedingten Hautkrankheiten bestmöglich vorzubeugen.

Zur Person:

Dr. rer. nat. Flora K. Sonsmann arbeitet seit 2007 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Dermatologie, Umweltmedizin und Gesundheitstheorie am Institut für Gesundheitsforschung und Bildung an der Universität Osnabrück. Seit 2012 arbeitet sie zusätzlich als Gesundheitspädagogin am Institut für interdisziplinäre Dermatologische Prävention und Rehabilitation an der Universität Osnabrück (iDerm). Als Gesundheitspädagogin schult Dr. Sonsmann zum Thema Hautschutz und berät zur Auswahl und richtigen Anwendung von Schutzhandschuhen.

Autor: Justine Holzwarth, Köln 

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