Heidelberger Virologe erhält höchste medizinisch-wissenschaftliche Auszeichnung der USA
14.09.2016 -
Der Virologe Professor Dr. Ralf Bartenschlager, seit 2002 Leitender Direktor der Abteilung für Molekulare Virologie am Zentrum für Infektiologie, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg, und seit 2014 Leiter des Forschungsschwerpunkts Infektion, Entzündung und Krebs am Deutschen Krebsforschungszentrum, wird gemeinsam mit seinen Kollegen Professor Charles Rice, Rockefeller University, New York, und Dr. Michael Sofia, Arbutus Biopharma, USA, mit dem Lasker~DeBakey Award für klinisch-medizinische Forschung ausgezeichnet.
Der Lasker-Award, den die New Yorker Lasker-Foundation jährlich in drei Kategorien vergibt, ist die höchste medizinisch-wissenschaftliche Auszeichnung in den USA und gilt auch als inoffizieller „amerikanischer Medizin-Nobelpreis“. Er ist mit 250.000 US-Dollar dotiert. Die feierliche Verleihung des Awards findet am 23. September 2016 in New York statt. 1999 gelang es der Arbeitsgruppe um Ralf Bartenschlager erstmals, das Hepatitis C-Virus im Labor in leicht veränderter Form in Leber-Zellen zu vermehren. Mit diesem Zellkultursystem war die Voraussetzung für die Entwicklung hochwirksamer Medikamente geschaffen. Heute ist bei mehr als 95 Prozent der Patienten mit chronischer Hepatitis C eine Heilung möglich (www.lasker-bartenschlager.de)
“Die chronische Hepatitis C ist heute bei der Mehrzahl der Patienten heilbar. Ohne das von Ralf Bartenschlager und seinem Team entwickelte Vermehrungssystem für dieses Virus, an dem erstmals Wirkstoffe getestet werden konnten, wären wir heute noch lange nicht auf diesem Stand“, unterstreicht Professor Dr. Guido Adler, Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg, die Leistung des bereits mehrfach ausgezeichneten Virologen. Professor Dr. Wolfgang Herzog, Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg, ergänzt: „Es ist eine große Ehre, dass der Lasker-Award für klinisch-medizinische Forschung an einen in Deutschland tätigen Wissenschaftler verliehen wird. Wir gratulieren Herrn Professor Bartenschlager und seinem Team herzlich!“ „Die herausragenden Arbeiten von Ralf Bartenschlager mit seinem Team und diese Auszeichnung dafür stärken den Medizincampus Heidelberg mit seinem Forschungsschwerpunkt Infektionskrankheiten“, sagt Professor Dr. Hans-Georg Kräusslich, Sprecher des Zentrums für Infektiologie und Prodekan für Forschung.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden weltweit etwa 130 Millionen Menschen an einer chronischen Infektion mit Hepatitis C-Viren (HCV). Die Erkrankung zerstört nach und nach die Leber, verursacht Leberzirrhose und -krebs. Die ersten in der Behandlung eingesetzten Medikamente dämmten lediglich die Leberentzündung ein, seit 2014 ist dank gezielt gegen HCV-Proteine wirkender Therapeutika bei mehr als 95 Prozent der Patienten eine Heilung möglich.
Seit 25 Jahren erforscht Bartenschlager das Hepatitis C-Virus
Ralf Bartenschlager startete seine wissenschaftliche Laufbahn kurz nachdem 1989 das Hepatitis C-Virus erstmals genetisch beschrieben wurde. Nach seiner Promotion am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg im Labor von Heinz Schaller wechselte er 1991 in die Pharmabranche und startete mit seiner Forschung zu HCV, die er ab 1994 am Universitätsklinikum Mainz weiterführte. In langjähriger und mühevoller Kleinarbeit entwickelte er gemeinsam mit seinem Kollegen Volker Lohmann die erste Methode zur zuverlässigen Vermehrung von HCV in menschlichen Leberzellkulturen.
„Aus Patienten isolierte HC-Viren vermehren sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht in Zellkulturen, man wusste daher so gut wie nichts über ihre Funktionsweise“, sagt Bartenschlager. „Ein Zellkultursystem ist jedoch unverzichtbar, da Viren als intrazelluläre Parasiten ausschließlich in lebenden Zellen vermehrt und untersucht werden können.“ Die Lösung der Wissenschaftler: Sie erzeugten genetische HCV „Mini-Genome“, sogenannte Replikons. Der Trick war, diese Minigenome mit einem Resistenzgen auszustatten, was es erlaubte, unter Millionen von Zellen diejenigen zu isolieren, in denen sich die Replikons dauerhaft und mit hoher Effizienz vermehren. Auf dieser Basis verbesserte das Team das System in den folgenden Jahren weiter.
Damit war es erstmals möglich, die molekularen Eigenschaften der Viren zu studieren, potentielle Medikamente zu testen und neue Angriffsziele für antivirale Therapien auszuloten. Wie beispielsweise das Virus-Protein NS5A: „Die Funktion von NS5A war lange unbekannt. Es besitzt keine enzymatische Aktivität, daher hatte man es nicht als potentielles Angriffsziel auf dem Schirm“, so der Virologe. „Erst die Replikon-Zellsysteme zeigten, dass es vielfache Funktionen besitzt, also wie ein Schweizer Taschenmesser ist. Wirkstoffe, die NS5A außer Gefecht setzen, sind die potentesten HC-Viren-Blocker überhaupt.“ Einen Wirkmechanismus des Proteins klärte Bartenschlager mit seiner Arbeitsgruppe an der Medizinischen Fakultät und am Universitätsklinikum Heidelberg auf, wo er 2002 die Chica und Heinz Schaller Stiftungsprofessur „Molekulare Virologie“ übernahm. Fast alle heute eingesetzten Therapien der chronischen Hepatitis C basieren auf der Kombination von einem Hemmstoff von NS5A mit einem von zwei weiteren Virostatika.
Vielseitige Forschungsfelder – vielfach ausgezeichnet
„Mit diesem Zellkultursystem wurden alle heute verfügbaren Medikamente entwickelt. Auf Grund der hohen Heilungsrate ist die Medikamentenentwicklung bei HCV im Wesentlichen durch“, erklärt Bartenschlager. In den letzten zehn Jahren beschäftigte er sich daher hauptsächlich damit, den Lebenszyklus von HCV besser auszuleuchten und zu verstehen. „Schließlich gibt es noch keine Impfung gegen Hepatitis C und es ist noch nicht im Detail verstanden, wie die Therapien genau wirken bzw. ob Resistenzen ein klinisches Problem darstellen. Im Moment sieht es aber glücklicherweise nicht danach aus.“ Unverzichtbar für diese Forschung sind weiter verbesserte Replikationssysteme, die Bartenschlager gemeinsam mit seinem japanischen Kollegen Takaji Wakita 2004 entwickelte. Dieser hatte bei einem japanischen Patienten ein höchst ungewöhnliches HC-Virus gefunden, dessen Genom erstmals den gesamten Lebenszyklus der HC-Viren in der Zellkultur durchläuft. Damit lassen sich seitdem auch Aspekte wie die Ausreifung und Freisetzung neuer Viren sowie die frühen Schritte der Infektion, d.h. wie das Virus in die Leberzellen eindringt, wie das HCV mit den infizierten Zellen wechselwirkt, studieren.
In der Zwischenzeit hat sich Ralf Bartenschlager, der in den letzten Jahren u.a. mit dem Lautenschläger-Forschungspreis und dem Robert-Koch-Preis ausgezeichnet wurde und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist, weitere Forschungsfelder erschlossen. Von Beginn an ist er Mitglied im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und dem Heidelberger Exzellenzcluster „CellNetworks“. Seit 2014 leitet er den Forschungsschwerpunkt Infektion, Entzündung und Krebs am Deutschen Krebsforschungszentrum. Zudem ist er Sprecher des 2016 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligten transregionalen Sonderforschungsbereichs 179 „Ursachen der Ausheilung bzw. Chronifizierung von Infektionen mit Hepatitisviren". Darüber hinaus gibt es seit einigen Jahren ein weiteres wissenschaftliches Standbein: Er erforscht u.a. das Dengue-Virus, mit dem sich jährlich weltweit rund 390 Millionen Menschen infizieren und gegen das es bisher noch keine gezielte Therapie gibt.
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