Aus den Kliniken

Internationaler Wissenstransfer im Bogenhausener OP

07.08.2024 - Die München Klinik Bogenhausen führt als eines von weltweit nur einer Handvoll Zentren eine besondere OP-Methode durch, die Menschen, die beispielsweise nach einem Autounfall, anderen Traumata oder einem Bandscheibenvorfall an einer Blasenlähmung leiden, eine neue Blase schenkt und damit ein großes Stück Normalität zurückbringt.

Die komplexe Methode wurde in Bogenhausen und Tübingen entwickelt und ermöglicht es Betroffenen, wieder selbstständig zur Toilette zu gehen. Im Juli wohnte mit Dr. Joan Lipa aus Kanada eine der renommiertesten Chirurginnen in Nordamerika einer solchen Operation in Bogenhausen bei, um die Technik vom OP-Team rund um Prof. Niclas Broer, Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie, zu erlernen.

Ein neuer Lebensabschnitt für die Patient*innen

„Die Patient*innen, die sich dieser Operation unterziehen, haben eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Der Eingriff bedeutet für sie einen großen Schritt hin zu mehr Selbstständigkeit“, ordnet Prof. Broer ein. Nach einem Unfall oder einer schweren Erkrankung sind die Betroffenen nicht mehr in der Lage, ihre Blase willentlich zu entleeren und müssen sich mehrmals täglich selbst einen Katheter legen. Dies stellt eine enorme Beeinträchtigung der Lebensqualität dar. Der rekonstruktive Eingriff macht die gelähmte Blase durch eine Muskelverpflanzung vom Rücken wieder voll funktionsfähig.

Der Rücken wird zur Blase: So funktioniert die Technik

Bei dem Eingriff wird ein großer Rückenmuskel des Patienten oder der Patientin entnommen und um die Blase gewickelt. „Wir bauen aus dem Muskel eine neue, funktionstüchtige Blase – das erspart Patient*innen lebenslange Beeinträchtigungen“, so der Chefarzt Prof. Niclas Broer. Unter dem Mikroskop werden die Blutgefäße des Muskels wieder angeschlossen und der Nerv des Rückenmuskels mit einem Nerv am Bauchmuskel verbunden. Dies ermöglicht es den Patient*innen, durch Anspannen der Bauchmuskeln die Blase selbstgesteuert zu entleeren. Die Operation dauert zwischen 6 und 8 Stunden und erfordert ein hochspezialisiertes Team aus plastischen Chirurg*innen, Urolog*innen, Anästhesiolog*innen sowie operationstechnischen Assistent*innen. Die Regenerationsphase für die Patient*innen nach diesem komplexen Eingriff beträgt neun Monate bis zu einem Jahr.

Pionierarbeit in Bogenhausen und Tübingen

Der ehemalige Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie in Bogenhausen, Prof. Milomir Ninkovic, hat die komplexe Methode gemeinsam mit seinem Tübinger Kollegen Prof. Arnulf Stenzl im Jahr 1998 entwickelt. Seitdem wurden rund 30 dieser Eingriffe in Bogenhausen erfolgreich durchgeführt. Weltweit wurden bislang über 100 Patient*innen auf diese Weise erfolgreich operiert. Die Chirurg*innen in Tübingen und Bogenhausen verbindet seither eine enge Kooperation – die Kolleg*innen sind bei Operationen an beiden Standorten regelhaft gegenseitig mit vor Ort. So erlernte auch Prof. Niclas Broer, seit Januar Chefarzt der plastischen Chirurgie in Bogenhausen und zuvor langjähriger Oberarzt im Haus, von seinem Vorgänger Prof. Ninkovic die Methode. “Diese Kontinuität im Operationssaal ist ein wichtiger Faktor unseres Erfolgs und unserer hohen Qualität”, sagt Prof. Broer.

Wissenstransfer über den großen Teich

Neben Prof. Stenzl aus Tübingen, einem der „Väter“ der Methode, war auch eine der renommiertesten Chirurginnen Nordamerikas während der Blasenrekonstruktion im Bogenhausener OP-Saal zu Gast. Dr. Joan Lipa schaute dem Team um Prof. Broer während der Operation über die Schulter. Als Visiting Professor hielt Dr. Lipa vor Ort im Rahmen des beidseitigen Wissensaustauschs ebenfalls mehrere Vorträge zum Thema Brustrekonstruktion. In dem Bereich gilt sie weltweit als eine der führenden Expertinnen. „Wir haben uns sehr über den hohen Besuch und den erfolgreichen internationalen Wissenstransfer gefreut. Das zeigt, dass Bogenhausen in der rekonstruktiven Chirurgie weltweit einen Namen hat“, freut sich Chefarzt Prof. Niclas Broer.

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