KH-Haftpflichtversicherung: Claims-made als Ausweg aus dem Schweinezyklus?
01.12.2023 - 2012 war für die deutschen Krankenhäuser ein markantes Jahr. Die Zürich zog sich aus der KH-Haftpflichtversicherung zurück und viele Häuser mussten neuen Schutz in einem engen Markt finden.
Die Not war groß und der Ruf nach politischen Lösungen laut. Sei es die Reduzierung oder Abschaffung der Versicherungssteuer für dieses Segment oder die Beschränkung der Sozialversicherungsträger zum Regress, um die Versicherungsprämien zu entlasten. Von Seiten eines Versicherungsmaklers wurde sogar über die Gründung eines „alternativen Selbsthilfemodells für die Gesundheitswirtschaft“ nachgedacht [1]. Also das Prinzip eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Tatsächlich hat sich die Aufregung relativ schnell gelegt. [2]
Und auch der Ausstieg einiger weiterer Versicherer wie Basler, Amlin, CNA Hardy oder Ethias, die aufgrund von Exklusivitätszusagen ohnehin nur für einen Teil der Krankenhäuser zur Verfügung standen, hat die Situation vorerst nicht weiter dramatisiert und es hat sich eine neue Wohlfühloase ausgebildet. Die Krankenhäuser haben einen Teil der Risiken durch die Wahl von hohen Selbstbeteiligungen oder SIR-Modellen selbst übernommen, in die Zukunft verlagert und so erst einmal Liquidität gewonnen und Versicherungssteuer eingespart. Aber ziehen am Horizont schon wieder dunkle Wolken auf, nach einer Phase der Krise und der anschließenden Entspannung?
Was ist der Schweinezyklus?
Der Schweinezyklus beschreibt eine periodische Schwankung von Angebotsmenge und Marktpreis. Dieses Phänomen tritt auf Märkten auf, bei denen die Angebotsmenge nicht kurzfristig der aktuellen Nachfrage angepasst werden kann.
Nach wie vor ist das Angebot an Krankenhaus-Haftpflichtversicherern begrenzt und die Angebote der Versicherer teilweise limitiert in Hinblick auf Fachrichtungen und Selbstbehalts-, SIR oder Volldeckungsmodelle. Es steht also nicht für jede Kundengruppe der gesamte Anbietermarkt zur Verfügung. Dies kann sich bei veränderten Rahmenbedingungen schnell zum Boomerang entwickeln. Spezialisten in diesem Geschäft gibt es mit der europäischen Gruppe Relyens im Grunde nur einen.
Eine Ursache dieses begrenzten Angebotes ist, dass in Deutschland als einem der letzten Länder der OECD, neben Österreich, noch ca. 80 bis 85% der Krankenhäuser auf Basis von Occurrence Modellen versichert sind und damit der Markt (noch) nicht attraktiv genug für zusätzliche internationale Versicherer ist, die allesamt Angebote ausschließlich auf Claims-made vorsehen. Eine Ausnahme ist die Gruppe Relyens als europäischer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und Spezialist für die Gesundheitswirtschaft, die seit 2017 ebenfalls in Deutschland aktiv ist und kombinierte Lösungen aus Risikomanagement und Versicherung auf Basis von Claims-made anbietet.
Ein anderer Grund ist, dass sich auch die Vermittler in dieser Komfortzone eingerichtet und den Aufwand einer Bedarfsermittlung und umfassenden Aufklärung der Kundschaft vielfach nicht erbracht haben.
Die Vorteile von Claims-made
Dabei ist schon seit mindestens 2010 nachgewiesen, dass Claims-made Modelle nicht nur ihre juristische Daseinsberechtigung und Tragfähigkeit haben, sondern auch weitere Vorteile gegenüber dem Occurrence Modell [3] bieten, wie z.B. die bessere Anpassungsmöglichkeit an aktuelle Entwicklungen, die engere Verzahnung mit Risikomanagementkonzepten und die höhere Preissensitivität bei Risikomanagementmaßnahmen. First Mover, unter ihnen mehrere der größten deutschen privaten Krankenhausgruppen, haben dies zu ihrem Vorteil zu nutzen gewusst.
Foto: Relyens
Darüber hinaus sind die Angebote mittlerweile so adaptiv, dass sie im Baukastenprinzip praktisch für jeden Kundenbedarf individuell zusammengesetzt werden können. Zudem geht mit der Wahl eines Claims-made Konzeptes keinesfalls einher, dass man automatisch Versicherungslücken akzeptieren muss.
Anpassung der Nachfrage
Da das Angebot an Krankenhaus-Haftpflichtversicherern kurzfristig nicht angepasst werden kann, stellt sich die Frage, ob die sich am Horizont abzeichnenden Veränderungen der Krankenhauslandschaft (Reduzierung der Anzahl Krankenhäuser, Trend zur technologischen Unterstützung der Behandlungsprozesse, Spezialisierung der Krankenhäuser und damit einhergehend Bündelung von gefahrtragenden Prozeduren, immer größere Geburtsabteilungen mit damit einhergehendem Großschadenpotential) nicht Signal sein sollten, die Marktfunktionalität auf Anbieterseite durch eine Anpassung der Nachfrage zu erhöhen. Eine weitere Marktdurchdringung von Claims-made Modellen, kann dann die erforderliche Sogwirkung für zusätzliche Anbieter entfachen und die Krankenhäuser profitieren von einer vielfältigeren Auswahl und einem größeren Angebotsspektrum, was wiederum bei sich verändernden Rahmenbedingungen „Druck aus dem Kessel nimmt“ und Optionen schafft.
Für die Kundschaft Krankenhaus kann dies attraktiv sein, da ein breites Angebotsspektrum neben dem Liquiditätsgewinn beim Umstieg von Occurrence auf Claims-made auch langfristig für stabile Prämien sorgt. Und auch, wenn derzeit wenig Handlungsdruck vorzuliegen scheint, es braucht wenig Fantasie, sich vorzustellen, dass die Zeit kommt, in der die Selbstbehalts- und SIR-Modelle an ihre Grenzen kommen und die Versicherungswirtschaft (wieder) in die Bresche springen muss. Daher erscheint es klug, sich vorzubereiten. Gute Wintersportler werden eben im Sommer gemacht. Rein versicherungstechnisch betrachtet ist Claims-made auf jeden Fall ein adäquates Lösungsmodell [4], was helfen kann, die heutigen und noch kommenden Herausforderungen zu bewältigen.
Quellen:
[1] Vgl. Gröger, Anne-Christin (2013). Ecclesia will Haftpflicht-Dilemma der Kliniken lösen. ÄrzteZeitung https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Ecclesia-will-Haftpflicht-Dilemma-der-Kliniken-loesen-269222.html
[2] Vgl. Tauber, Jonas, (2017). Ecclesia: Markt für Klinikhaftpflicht funktioniert. Versicherungsmonitor https://versicherungsmonitor.de/2017/04/11/ecclesia-markt-fuer-klinikhaftpflicht-funktioniert/
[3] Vgl. Schimikowski, Peter Prof. Dr. (2010). Claims made – ein geeignetes Prinzip für Haftpflichtversicherungen im Heilwesenbereich? in VersR 61. Jahrgang (Heft 34) S. 1533 ff.
[4] Vgl. Appelbaum, Sebastian. (2021). Claims made – eine Lösung zur Versicherbarkeit von Krankenhausrisiken in der Haftpflichtversicherung? in Zeitschrift für Versicherungswesen 23/2021. S.756 ff.
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