KoPra 2024: „Patient Journey“ im virtuellen Krankenhaus
29.02.2024 - Digitale Patientenpfade vereinfachen das „Onboarding“ und verbessern die Behandlung.
Virtuelle Krankenhäuser sind die medizinische Realität von morgen. Mit virtuellen Patientenpfaden können bereits vor dem Erstkontakt beim „Onboarding“ via Chatbot, Sensorik und Bildanalyse eine Klassifikation der Erkrankung und eine Priorisierung erfolgen. Gebraucht werden dafür eine digitale Plattform und eine Nutzer-App.
Welche Vorteile die Verknüpfung analoger Patientenkontakte mit einem kontinuierlichen virtuellen Pfad hat, wie sich die so gebündelten Daten für die Versorgungsforschung nutzen lassen und weshalb vor allem die Dermatologie vom virtuellen Krankenhaus profitiert, sind Themen auf der gemeinsamen Pressekonferenz der Deutschen Dermatologische Gesellschaft (DDG) und des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen (BVDD) am 1. März 2024 auf der DERMATOLOGIE kompakt & praxisnah (1. bis 3. März 2024) in Wiesbaden.
In Deutschland wird der Begriff virtuelles Krankenhaus vor allem für innovative Lösungen im Klinikbereich verwendet, bei denen mithilfe zentraler Internetplattformen die telemedizinischen Versorgungsstrukturen gestärkt werden. „Den Informationsaustausch innerhalb der Ärzteschaft, zwischen Kliniken und auch sektorenübergreifend, mithilfe einer Plattform zu verbessern, um Bilder und Laborwerte zu übermitteln oder Fallkonferenzen im Live-Format durchzuführen, ist ein kluger und richtiger Ansatz“, sagt Prof. Dr. med. Julia Welzel, Präsidentin der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Ein virtuelles Krankenhaus kann aber noch viel mehr sein.
Die Patientenpfade sind momentan überwiegend analog. Telemedizinische Angebote, die vor allem seit der Corona-Pandemie einen starken Entwicklungsschub erhalten haben, lassen die einzelnen Patientenkontakte virtuell stattfinden. Ein großer Vorteil, wenn die räumliche Distanz groß oder ärztlicher Rat sehr kurzfristig nötig ist. Für das Gros der Patientinnen und Patienten gilt, dass sie sich physisch zwischen den Sektoren des Gesundheitswesens und Gesundheitsdienstleistern bewegen, die jeweils voneinander getrennte Inseln oder Blasen darstellen. „Ein virtuelles Krankenhaus ergänzt analoge Patientenkontakte durch einen kontinuierlichen virtuellen Pfad“, erläutert Welzel.
Die digitale „Patient Journey“ beginnt bereits beim Erstkontakt mit dem Krankenhaus, dem sogenannte Onboarding. Im Vorfeld des ersten Besuchs können mittels Chatbot (das ist ein KI-gestütztes, dialogisches Computerprogramm), Sensorik und Bildanalyse eine Klassifikation der Erkrankung und eine Priorisierung in Notfälle, dringliche und elektive Fälle erfolgen. Auch eine Allokation, also eine Zuordnung zu Abteilungen oder Sprechstunden, ist so im Vorhinein möglich. „Alle Informationen werden in einem automatisierten Report zusammengefasst, so dass beim physischen Kontakt in der Klinik der weitere diagnostische und therapeutische Pfad bereits gebahnt ist“, erklärt Welzel, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Augsburg, Medizincampus Süd.
Bei den Patientinnen und Patienten, die bereits in stationärer oder ambulanter Behandlung sind, wird der weitere Verlauf virtuell begleitet und überwacht, beispielsweise postoperativ oder bei chronischen Erkrankungen. „Das bringt viele Vorteile. Bei einer Verschlechterung können wir rasch reagieren. Im umgekehrten Fall eines unauffälligen Verlaufs können Kontrollbesuche eingespart werden“, betont Welzel.
Auf einen weiteren ökonomischen Aspekt verweist Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal. „Ein analoges System birgt immer die Gefahr, dass Daten unvollständig oder aufgrund fehlender Interoperabilität nicht einbezogen werden. Es kommt dann mitunter zu Doppeluntersuchungen, Fehlallokationen und falschen Priorisierungen.“ Für die Wuppertaler Dermatologin, die auch Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der DDG ist, sind die sehr häufigen Hauterkrankungen besonders für virtuelle Patientenpfade geeignet. Dermatologische Diagnosen werden vor allem aufgrund der optischen Erscheinungsbilder gestellt und könnten sehr gut mittels Chatbot und Bildanalyse klassifiziert und priorisiert werden.
Für die Versorgungsforschung sind diese neuen Behandlungswege ebenfalls von großem Interesse, denn so können Hauterkrankungen kontinuierlich beobachtet werden. Dadurch lassen sich neue Erkenntnisse zu Verlauf, Therapieansprechen, Auslösefaktoren und sogar zur Prävention ableiten. Auch die medizinische Ausbildung kann profitieren. „In der Lehre können dann ‚virtuelle Patientinnen und Patienten‘ insbesondere bei seltenen oder exemplarischen dermatologischen Erkrankungen beliebig skalierbar eingesetzt werden“, ergänzt DDG-Präsidentin Welzel.
Die Nutzung von Apps im Alltag ist heutzutage sehr vielen Menschen vertraut. Daher sind die technischen Voraussetzungen aus Sicht der beiden Dermatologinnen als sehr niedrigschwellig einzustufen. Das virtuelle Krankenhaus ist eine rund um die Uhr erreichbare Plattform, zu der alle Beteiligten örtlich und zeitlich ungebunden Zugriff haben. Man muss also nicht mittels VR-Brille in das „Metaversum“ einsteigen und sich dort wie in einem Computerspiel bewegen, sondern kann die Arztkontakte bequem von zu Hause aus erledigen.
Nicht alle Patientinnen und Patienten werden diese Form der medizinischen Betreuung nutzen können oder wollen. Daher wird es langfristig bei einer hybriden Versorgung bleiben, die analoge und digitale Kontakte miteinander verknüpft und keinesfalls die zwischenmenschliche Arzt-Patienten-Beziehung ersetzt, sondern ergänzt. Wie bei allen Digitalisierungsprozessen sind die Themen Privatsphäre und Datenschutz von großer Wichtigkeit.
„Das virtuelle Krankenhaus ist keine Zukunftsvision, sondern wird bald schon unseren Versorgungsalltag prägen“, sagt Welzel. Ängste sind aus Sicht der DDG-Präsidentin unbegründet. Ein Teil der Diagnostik und das Monitoring werden auf den virtuellen Pfad verlagert, klinische und apparative Diagnostik sowie therapeutische Verfahren wie Operationen, Infusionen und Wundbehandlungen bleiben analog.
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