Robert-Koch-Preis 2021
28.10.2021 - Der Robert-Koch-Preis 2021 geht mit 120.000 Euro an Prof. Dr. Yasmine Belkaid und Prof. Dr. Andreas Bäumler. Kyriacos Costa Nicolaou wird mit Robert‐Koch‐Medaille in Gold ausgezeichnet.
Prof. Dr. Yasmine Belkaid und Prof. Dr. Andreas Bäumler werden am 19. November 2021 in Berlin für ihre bahnbrechende Forschungsarbeiten zur Bedeutung der Mikroflora für das menschliche Immunsystem sowie die Rolle des Darmepithel für die Zusammensetzung der Mikroflora und damit zusammenhängende Auswirkungen bei Infektions- und Entzündungskrankheiten mit dem Robert-Koch-Preis ausgezeichnet.
Bei dem mit 120.000 Euro dotierten Preis handelt es sich um einen der angesehensten wissenschaftlichen Auszeichnungen Deutschlands.
Ferner wird Prof. Dr. Kyriacos Costa Nicolaou mit der Robert-Koch-Medaille in Gold ausgezeichnet. Jeweils einen mit 5.000 Euro dotierten Preis erhalten drei Nachwuchswissenschaftler Dr. Megan Stanifer, Dr. Kilian Schober und Dr. Katharina Anna Christina Schaufler.
„In Zeiten, in denen Wissenschaft und Forschung immer wieder ins Zentrum des öffentlichen Interesses rücken und oft ungefiltert in sozialen Netzwerken thematisiert werden, ist es wichtiger denn je, die harte Arbeit, den ungebrochenen Fleiß und den Wissensdrang aller Frauen und Männer zu würdigen, die ihr Leben der Medizin und der Biologie verschrieben haben“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Plischke, Vorsitzender der Robert-Koch-Stiftung. „Auch in diesem Jahr wollen wir mit den Preisträger in der Bevölkerung und in der Politik gleichermaßen darauf aufmerksam machen, wie wichtig die Arbeit hinter den Kulissen des Gesundheitswesens und des medizinischen Fortschritts ist, und wie sehr sie Einfluss auf die gesamte Gesellschaft hat.“
Robert-Koch-Preis
Der Robert-Koch Preis wird in diesem Jahr geteilt, um bahnbrechende Forschungsarbeiten zu würdigen, die zeigen wie einerseits unsere Mikroflora unser Immunsystem trainiert, andererseits unser Darmepithel die Zusammensetzung unserer Mikroflora bestimmt, und welche Rolle Störungen dieses Dialogs zwischen Mikroflora und uns bei Infektions- und Entzündungskrankheiten spielen.
Die algerisch-französische Immunologin Yasmine Belkaid promovierte 1996 am Institut Pasteur in Frankreich über angeborene Reaktionen auf Leishmanien-Infektionen. Sie arbeitete dann am National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) der USA über die Regulation der Immunantwort gegen Leishmanien. Nach einem dreijährigen Forschungsaufenthalt in Cincinnati wechselte sie 2005 als wissenschaftliche Mitarbeiterin wieder an das NIAID, wo sie heute das Mikrobiomprogramm leitet. Sie ist außerdem Professorin an der Universität von Pennsylvania.
Die Forschungsarbeiten von Yasmine Belkaid haben in maßgebender Weise gezeigt, wie die Bakterien, die unseren Darm und die Haut besiedeln, unsere Mikroflora, unser Immunsystem trainieren und uns so helfen, Infektionserreger abzuwehren, andererseits aber Nahrungsmittel als ungefährlich zu akzeptieren. Bei chronischen Entzündungen von Darm oder Haut ist dieser Dialog zwischen der Mikroflora und dem Immunsystem gestört, es kommt zu einer Störung des Immungleichgewichts, die entscheidend zu Krankheiten wie Morbus Crohn (chronische Darmentzündung) und Psoriasis (Schuppenflechte) beiträgt. Aber auch Nährstoffmangel kann den Dialog zwischen Mikroflora und Immunsystem stören, das Immunsystem braucht Energie in Form von Kohlenhydraten und Fett, aber auch Stoffwechselprodukte der Mikroflora, um gut gegen Krankheitserreger und Impfstoffe reagieren zu können, und die Immunität über Jahre aufrecht zu erhalten.
Gemeinsam mit Yasmine Belkaid wird Andreas Bäumler mit dem Robert-Koch-Preis ausgezeichnet. Andreas Bäumler studierte Biowissenschaften in Tübingen und promovierte über die Eisenaufnahme und eisenregulierte Gene in den Bakterien Escherichia coli und Yersinia enterocolitica. Anschließend forschte er an der Oregon Health Sciences University in den USA, und ab 1996 an der Texas A&M University. Seit 2005 ist er Professor an der University of California in Davis.
Andreas Bäumler wird ausgezeichnet für seine richtungsweisenden Arbeiten zum Verständnis der Regulation der Zusammensetzung und Funktion unserer Mikroflora durch die Zellen des Darmepithels. Er konnte zeigen, dass dabei die Zellatmung der Darmzellen und ihr Energiestoffwechsel eine wesentliche Rolle spielen. Wenn die Darmzellen zum Beispiel bei einer Entzündung den Stoffwechsel umstellen, ändert sich die Zusammensetzung der Mikroflora, es kommt zu einer sogenannten Dysbiose, die z.B. bei Darmentzündungen, aber auch bei Rheuma oder Nervenentzündungen den Krankheitsverlauf entscheidend beeinflussen kann. Die Forschung von Andreas Bäumler liefert ganz neue und originelle Ansatzpunkte, um das Gleichgewicht zwischen Mikroflora und Mensch bei diesen Krankheiten wiederherzustellen.
Robert-Koch-Medaille in Gold
Kyriacos Costa Nicolaou erhält die Robert-Koch-Medaille in Gold für sein Lebenswerk. Er wurde 1946 in Zypern geboren, siedelte 1964 nach Großbritannien über. Er studierte Chemie an der University of London und schloss seinen Bachelor 1969 am Bedford College ab. 1972 promovierte er und ging dann an die Columbia University, wo er sich intensiv mit chemischen Verfahren zur Synthese von Naturstoffen beschäftigte. 1976 wurde Kyriacos Costa Nicolaou auf eine Professur an der University of Pennsylvania berufen. Dort entwickelte er Verfahren zur Synthese von Prostaglandinen und Makroliden. Besonders beeindruckend die Herstellung der Endiansäure B, basierend auf Pericyclischen Kaskaden-Reaktionen. 1989 wechselte Kyriacos Costa Nicolaou auf eine Professur an der Universität von Kalifornien in San Diego, und etablierte eine Forschungsgruppe am Scripps Research Institut in San Diego.
Ihm ist es zu verdanken, dass das Scripps Research Institute zu einem der bedeutendsten Zentren für Synthetische Chemie und Chemische Biologie weltweit wurde. Zwischen 2005 und 2011 leitete er außerdem ein Labor für chemische Synthese von Naturstoffen in Singapur an dem ICES-A*STAR Institut. 2013 wechselte er an die Rice University in Houston, Texas, wo er bis heute forscht. Kyriacos Costa Nicolaou hat chemische Synthesewege für hunderte von Naturstoffen entwickelt, und sie so für den breiten Einsatz vor allem in der Medizin verfügbar gemacht, wobei ihm oftmals der erste synthetische Zugang zu der Zielverbindung gelang, beispielhaft das Krebsmedikament Paclitaxel und das Antibiotikum Vancomycin.
Post-Doktoranden-Preise
Megan L. Stanifer, Heidelberg, erhält den Postdoktoranden-Preis für Virologie 2021 in Anerkennung ihrer Arbeiten zur Regulierung von Immunhomöostase an mukosalen Oberflächen. Sie arbeitet im Labor von Dr. Steeve Boulant am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Ausgezeichnet wird sie für Untersuchungen zur Interaktion von Darmepithelzellen mit Bakterien der Mikroflora, aber auch Bakterien und Viren, die Krankheitserreger sind. Sie konnte zeigen, wie Darmzellen gezielt nur Viren und Bakterien erkennen, die die Schleimhaut überwunden haben und ins Körperinnere vorgedrungen sind, wie die Darmzellen so harmlose Mikroflora von Krankheitserregern unterscheiden können. Die Mutter zweier Kinder ist ein gutes Vorbild dafür, dass es möglich ist, eine erfolgreiche akademische Karriere mit einem Familienleben zu verbinden.
Kilian Schober, Erlangen, erhält den Postdoktoranden-Preis für Immunologie 2021 in Anerkennung seiner Arbeiten auf dem Gebiet der translationalen T-Zell-Forschung. Er hat in Würzburg Medizin studiert und über die Rolle der Autophagie in der Pathogenese des Diabetes mellitus promoviert. Von 2014 bis 2021 war er am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Technischen Universität München tätig. Ausgezeichnet wird er für seine Arbeit über die Entwicklung der T Lymphozyten bei einer Immunreaktion gegen Cytomegaloviren, und die Etablierung einer Methode, um besonders wirksame Antigenrezeptoren auf andere T Lymphozyten zu übertragen. So könnten Zellen für eine Immuntherapie hergestellt werden. Seit 2021 leitet Kilian Schober eine Arbeitsgruppe am Institut für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der FAU Erlangen-Nürnberg.
Katharina Anna Christina Schaufler, Greifswald, erhält den Postdoktoranden-Preis für Hygiene und Mikrobiologie 2021. Katharina Schaufler hat 2016 an der Freien Universität Berlin promoviert, dann bis 2018 an der Harvard Medical School gearbeitet. Seit 2019 ist sie am Institut für Pharmazie der Universität Greifswald tätig, seit 2020 als Leiterin einer selbständigen Nachwuchsgruppe. Katharina Schaufler wird ausgezeichnet für ihre Arbeiten zur Aufklärung der Mechanismen und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen, insbesondere multiresistente (MDR) gramnegative und -positive Bakterien aus den Familien der Enterobacteriaceae und Enterococcaceae. Ihre Arbeiten bilden die Grundlage für die Erkennung besonders gefährlicher Entwicklungen, eröffnen aber auch neue therapeutische Möglichkeiten durch Adressierung der Resistenzmechanismen. Katharina Anna Christina Schaufler beeindruckt über die wissenschaftliche Arbeit hinaus durch ihren Einsatz, ihre Neugier und ihre Kreativität, mit der sie Innovationen aufgreift.