Krankenhausversorgung: Pneumologen und Thoraxchirurgen präsentieren eigene Konzeptvorschläge
16.02.2023 - Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an Krankheiten der Lunge und der Atmungsorgane.
Deshalb haben die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) sowie die Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) jetzt eine gemeinsame Stellungnahme samt eigener Konzeptvorschläge zur zukünftigen Krankenhausversorgung vorgelegt. „Wenn die Regierungskommission und mit ihr die Bundesregierung aktuell über ein neues Konzept für die Krankenhausversorgung berät, müssen die Belange großer Patientengruppen wie der von Lungenerkrankten besser miteinbezogen werden – und zwar klinikübergreifend“, sagt DGP-Präsident Professor Torsten Bauer.
Rund 16 Millionen Betroffene mit Lungenerkrankungen wurden zuletzt erfasst, die Corona-Zahlen noch nicht mit einbezogen. Aktuelle Erhebungen weisen bei vielen Diagnosen zudem eine erhöhte Sterblichkeit der Patientinnen und Patienten aus – bei Lungenkrebs ist diese um das Neunfache erhöht, bei einer Lungenentzündung um das Fünffache. Vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft erwarten Experten, dass sich die Situation weiter verschärft. „Im Sinne der zu behandelnden Menschen brauchen wir noch mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Klinik-Leveln und Leistungsgruppen, auch einzelne Kriterien zur Klinikfinanzierung sollten weiter präzisiert werden“, schlägt DGT-Präsidentin Dr. Katrin Welcker vor.
„Wir unterstützen die Arbeit der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung und empfinden viele Vorschläge als richtig. Es ist gut, dass die großen Probleme des Krankenhauswesens endlich angepackt werden. Bei der weiteren spezifischen Ausgestaltung bieten wir gerne unsere Hilfe an und wollen mit den Vertretern der Regierungskommission ins Gespräch kommen“, erklärt Professor Winfried Randerath (Foto rechts), DGP-Generalsekretär sowie Sprecher der gemeinsamen Task Force Qualität und Wirtschaftlichkeit, in der Pneumologen sowie Thoraxchirurgen zusammenarbeiten. Die 27-köpfige Fachgruppe hat sich die dritte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission – mit Schwerpunkt auf die grundlegende Reform der Krankenhausvergütung – genauer angeschaut. Schwachstellen haben die Experten vor allem identifiziert bei: der zukünftigen Organisation von leistungsfähigen pneumologischen Fachkliniken, der Beschreibung neuer Leistungsgruppen für komplexe Erkrankungen und der Einführung von Vorhaltepauschalten zum Sicherstellen der Krankenhausleistungen. Darüber hinaus machen die beiden Fachgesellschaften Ergänzungsvorschläge zur Einführung neuer Krankenhaus-Level, zum DRG-System und der Ambulantisierung, zum Personalmangel und zu einer möglichen Anpassung des Medizinischen Dienstes, der als medizinischer und pflegefachlicher Begutachtungs- und Beratungsdienst nach DGP-Meinung noch unabhängiger sein sollte als bisher.
Gefordert: Mitsprache für die Länder, Systematik bei Leistungsgruppen
Die DGP und DGT begrüßen die gesonderte Berücksichtigung der somatischen Fachkliniken in den Empfehlungen der Regierungskommission ausdrücklich. „In den vergangenen Jahrzehnten hat sich für die Versorgung der Patienten mit Lungenerkrankungen ein Netz qualitativ hochentwickelter, leistungsfähiger, kosteneffizienter und wissenschaftlich aktiver Fachkliniken herausgebildet“, sagt Randerath. Das gelte auch für andere medizinische Fachgebiete, in denen Fachkliniken eine besondere Rolle spielen. Daher lehnt die beiden Fachgesellschaften die generelle Empfehlung ab, nach der die Fachkliniken zukünftig baulich und inhaltlich in andere Kliniken der neu zu schaffenden Levels II und III – also regionale oder überregionale Krankenhäuser – zu integrieren sind. Stattdessen sollten die Bundesländer individuell festlegen, ob eine Integration im Einzelfall sinnvoll oder aber nachteilig ist. Die DGP und DGT stellen klar: Große Lungenfachkliniken betreuen Patientinnen und Patienten des gesamten Spektrums von Infektiologie, Onkologie, Erkrankungen des Lungengewebes, Atemwegen und Atmungsregulation bis hin zur Intensivmedizin des Fachgebietes einschließlich der Notfallversorgung. „Dieses breite Spektrum hat die Leistungsfähigkeit und den wesentlichen Beitrag der pneumologischen Fachkliniken zum Gesundheitswesen gerade in der Pandemie sehr deutlich gezeigt“, sagt Randerath. „Mit ihrer besonderen Expertise tragen Lungenfachkliniken und Fachabteilungen zur telemedizinischen Versorgung und Kommunikation mit Kliniken aller Levels bei.“
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie beschreiben zudem, welche Voraussetzungen die einzelnen Leistungsgruppen für komplexere Erkrankungen auf der Ebene der Länder erfüllen sollten. „Die von der Regierungskommission vorgeschlagenen Leistungsgruppen lassen bisher keine hinreichende Systematik erkennen. Für manche Fachbereiche wird eine sehr kleinteilige Differenzierung vorgeschlagen, die in anderen Fachgebieten wie der Pneumologie völlig fehlt“, sagt Randerath. Zu den Vorhaltepauschalen sagt er: „Bei den Landesbehörden für Gesundheit muss auch in Zukunft die volle Führungskompetenz bleiben, um eigenständig über Versorgungsstrukturen und damit über die Zuweisung der Vorhaltepauschalen entscheiden zu können. Mehr noch: Auch hinsichtlich der neuen Leistungsgruppen-Gestaltung und der regionalen Krankenhausplanung muss die Hoheit bei den Ländern liegen.“
Neue Krankenhaus-Level: Wettbewerb um Leistungsgruppen – Standortzusammenlegungen müssen ausreichend finanziert werden
Kritik üben die Experten der DGP und DGT auch an der Ausgestaltung des vorgeschlagenen Modells der drei Krankenhaus-Level, das zwischen Krankenhäusern der lokalen Grundversorgung, regionalen Krankenhäusern der Regel- und Schwerpunktversorgung sowie überregionalen Krankenhäusern der Maximalversorgung unterscheidet. Im vorgeschlagenen Modell komme es zu einem Wettbewerb der Kliniken um Levels und Leistungsgruppen. „Gerade an das Level II der regionalen Versorger werden sehr hohe Bedingungen gestellt, die keine Flexibilität bei der individuellen Ausgestaltung erkennen lassen. Warum soll jedes dieser Häuser die gleichen Leistungsgruppen und Abteilungen vorhalten? Mehrere Krankenhäuser an einem Standort zusammenzuführen, kann sich positiv auf die Qualität und die Personal- und Technikproblem auswirken, erfordert aber Investitionen in Millionenhöhe. Mittelfristig muss die gewünschte Reduktion der Krankenhausstandorte somit ausreichend finanziell durch den Strukturfonds abgesichert sein“, bekräftigt DGP-Präsident Torsten Bauer.
Zukunft: Mehr Studienplätze, Programme für Zuwanderer, Leihunternehmertum entgegenwirken
Auch zum Aspekt des Personalmangels in den Kliniken äußert sich die Fachgesellschaft: „Anders als die Regierungskommission, erkennen wir einen absoluten Mangel, der nur zum kleineren Teil auf eine zu hohe Zahl von Krankenhäusern zurückzuführen ist“, sagt DGP-Präsident Bauer. „Deshalb müssen wir deutschlandweit mehr Studien- und Ausbildungsplätze anbieten – womit auch eine Aufstockung des Lehrpersonals einhergehen muss. Zudem brauchen wir professionelle Anwerbe- und Qualifizierungsprogramme für Zuwanderer aus Gesundheitsberufen oder solche, die sich darin ausbilden lassen wollen“, so der Mediziner. „Politik, Berufsverbände, Kostenträger und Krankenhäuser müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass der Arbeitsplatz Krankenhaus für Ärztinnen und Ärzte wieder attraktiv gestaltet wird.“ Die DGP stellt klar: Dem System der Leihunternehmen ist durch gesetzliche Maßnahmen – zum Beispiel die Begrenzung der Vergütung oder die Pflicht zu Nacht-, Wochenend-, Feiertagsdiensten – entgegenzutreten, die die Benachteiligung des festangestellten Personals aufheben. „Wenn die einberufene Regierungskommission ihre Empfehlungen um die relevanten Punkte der pneumologischen Fachkliniken ergänzt, wird nicht nur die bedarfsgerechte Krankenhausversorgung gestärkt – in erster Linie wird den vielen Patientinnen und Patienten mit akuten Lungenproblemen geholfen“, sagt DGP-Präsident Torsten Bauer.