Medizin & Technik

Lange Wartezeiten auf OPs: Kinderorthopädie stärken

20.07.2022 - Die Kinder- und Jugendorthopädie muss gestärkt werden. Sie wird an deutschen Universitätskliniken nicht ausreichend angeboten, da die finanziellen Mittel für die Behandlung der Kinder zu gering angesetzt sind.

„Kinder mit komplizierten Erkrankungen müssen im Extremfall mehr als ein Jahr auf einen OP-Termin warten, das ist inakzeptabel. Wir brauchen ein Finanzierungsmodell, das die Bedürfnisse von Kindern berücksichtigt, aber auch kostendeckend ist“, sagt Prof. Dr. Andreas Halder, stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). Das Problem ist bundesweit flächendeckend vorhanden, so eine Umfrage zur Kinder- und Jugendorthopädie an deutschen Universitätskliniken.

Umfrage unter Universitätskliniken

Sichtbar wird die Herausforderung für die Kliniken zum Beispiel bei schweren Wirbelsäulenverkrümmungen oder Knochentumoren: „Gerade bei Kindern müssen Schäden am Bewegungsapparat frühzeitig behandelt werden, damit sie im Erwachsenenalter nicht gehandicapt sind“, sagt Prof. Dr. Thomas Wirth, Mitautor der Umfrage in der Kommission Kinderorthopädische Versorgung der DGOOC. Die Umfrage ergab, dass die Kapazitäten für orthopädische Behandlungen von Kindern und Jugendlichen an Universitätskliniken sehr unterschiedlich, insgesamt aber zu niedrig sind. Das betrifft auch kinderorthopädische Spezialsprechstunden, die an den Universitätskliniken stark variieren. Aktuell werden die Abteilungen eher heruntergefahren und reduziert als ausgebaut.

Dadurch ist die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen orthopädischen Versorgung von kranken Kindern und Jugendlichen gefährdet. Die Situation ist besonders kritisch bei Kindern mit komplizierten Erkrankungen, die eine hochqualifizierte orthopädische Behandlung erfordern. Das betrifft beispielsweise jugendliches Rheuma oder seltene Skeletterkrankungen. „Wird aus den oben genannten Gründen der ideale Zeitpunkt für eine Korrektur oder einen operativen Eingriff verpasst, kann dies gravierende Folgen im späteren Leben mit nicht optimalen Ergebnissen, bleibenden Einschränkungen und Behinderungen sowie höheren Folgekosten haben. Dies kann und darf den Betroffenen nicht zugemutet werden“, sagt Prof. Dr. Dietmar Pennig, stellvertretender Generalsekretär der DGOU.

Kinderorthopädie wirtschaftlich unter extremem Druck

Grundsätzlich stehen die Abteilungen der Kinder- oder auch Tumororthopädie wirtschaftlich unter extremem Druck. Denn so bitter es klingt: Die Behandlung von Kindern verursacht meist Verluste. Gegenwärtig spiegelt in der Kinderorthopädie die Abrechnung nach Fallpauschalen im DRG-System (Diagnosis Related Groups) nicht die tatsächlichen Kosten wider. So erhält eine Klinik für die Behandlung eines Kindes meist genau so viel Geld wie für einen erwachsenen Menschen, obwohl sie aufwändiger und damit teurer ist. Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen erfordert mehr Personal und Zeit für Zuwendung und Gespräche, auch mit den Eltern. Zudem ist das OP-Material wie Platten, Schrauben, Nägel und andere Implantate für Kinder wesentlich teurer, da es nur in kleiner Stückzahl benötigt wird. „Unser ökonomisch dominiertes Gesundheitswesen belastet die Kinderorthopädie besonders stark. Das DRG-System muss so angepasst werden, dass die umfassende und spezialisierte Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit kinderorthopädischen Problemen kostendeckend möglich ist“, sagt Prof. Dr. Anna K. Hell, Präsidentin der Vereinigung für Kinderorthopädie (VKO).

Der Kostendruck führt auch dazu, dass die Behandlung von Kindern und Jugendlichen nicht im Sinne einer Spezialisierung gebündelt wird, sondern von vielen Häusern – weil unvermeidbar – miterledigt wird. Das hat auch Auswirkungen auf Ausbildung, Forschung und Wissenschaft. Da das Lehrangebot begrenzt ist, mangelt es an fachlichem Nachwuchs. Dies führt dazu, dass es für die Kliniken schwer ist, qualifiziertes Personal und gut ausgebildete Nachwuchskräfte für die kinderorthopädischen Abteilungen zu finden. Auch zeigt die Umfrage, dass weniger als 20 % der Universitätskliniken über die nötige Anzahl an Operationen verfügt, um eine umfassende chirurgische Ausbildung für dieses Teilfach sicherzustellen. Hier wäre eine Stärkung sinnvoll und notwendig.

Hintergrund Umfrage zur aktuellen Situation der Kinder- und Jugendorthopädie

Die Kommission Kinderorthopädische Versorgung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) hat im Herbst 2021 in Abstimmung mit der Vereinigung für Kinderorthopädie (VKO), einer Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und dem Konvent der Universitätsprofessoren für Orthopädie und Unfallchirurgie (KUOU) eine Umfrage zur aktuellen Situation der Kinder- und Jugendorthopädie an deutschen Kliniken durchgeführt. An der Umfrage beteiligten sich 25 von 39 Universitätskliniken.

Kinder- und Jugendorthopädie wird in den meisten deutschen orthopädischen Universitätskliniken nur partiell und/oder durch kleine Einheiten angeboten. Nur wenige Uni-Kliniken weichen davon ab und haben ein Komplettangebot mit großem Volumen. Man muss davon ausgehen, dass in etwa 30 % der deutschen Universitätskliniken kein kinder- und jugendorthopädisches Angebot vorgehalten wird.
 

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