Aus den Kliniken

Lernen mit Virtual Reality im Medizinstudium

28.09.2023 - In einem Lehrprojekt an der Medizinischen Fakultät der Uni Kiel können Medizinstudierende mittels VR-Brille das Anlegen einer Bauchfelldialyse erlernen.

Virtual-Reality-Brillen, kurz VR-Brillen, ermöglichen es, in virtuelle Welten einzutauchen und Computerspiele oder Kinofilme realistischer zu erleben. Aber auch für Simulationen und Trainings in der Medizin ist die Virtuelle Realität im Kommen. Und sie hält allmählich auch Einzug in die medizinische Lehre. Innerhalb eines innovativen Lehrprojekts an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) kommt im Fach Nephrologie jetzt erstmals eine VR-Anwendung zum Einsatz. „Medizinstudierende können mittels Virtual Reality die Bauchfelldialyse erleben“, berichtet Dr. Hauke Wülfrath von der Klinik für Innere Medizin IV mit den Schwerpunkten Nieren- und Hochdruckkrankheiten am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, der das Projekt konzipiert hat. Gefördert wird es von der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie und von der Firma Fresenius medical care. Es ist nicht das erste Mal, dass im Fach Nephrologie neue digitale Technik in einem Lehrprojekt zum Einsatz kommt. „Wir haben in der Vergangenheit jedes Jahr ein innovatives Projekt gestartet, damit die Lehre interessant ist und die Inhalte hängen bleiben“, erklärt PD Dr. Kevin Schulte, der kommissarische Klinikleiter.

Aufmerksamkeit für die Bauchfelldialyse

In dem Projekt geht es aber nicht nur darum, den Unterricht ansprechend und zeitgemäß zu gestalten. Ziel ist auch, die Bauchfelldialyse (Peritonealdialyse) als sicheres und effektives Therapieverfahren für Menschen mit Nierenversagen bekannter zu machen. „Die Peritonealdialyse wird aus unserer Sicht in Deutschland viel zu wenig verschrieben. Dafür gibt es eigentlich keinen guten Grund. Sie benötigt weniger Personal, weniger Material und erspart den Betroffenen die regelmäßigen Fahrten in ein Dialysezentrum“, betont Wülfrath, der am UKSH die Weiterbildung zum Facharzt für Nephrologie absolviert.

In der Lehreinheit zum Thema Nierenersatztherapie werden beide Verfahren, die Hämodialyse und die Bauchfelldialyse beim Unterricht am Krankenbett erläutert. Aus hygienischen Gründen kann die Bauchfelldialyse aber anders als die Hämodialyse nicht direkt beim Patienten vorgeführt werden. Stattdessen ermöglicht die VR-Brille den Studierenden das Verfahren bei sich selbst anzuwenden. Wülfrath: „Die Idee mit der virtuellen Realität ist, dass es hängenbleibt. Wir wollen natürlich die Inhalte der Lehre greifbarer machen. Mir ist es aber auch wichtig, dass Studierende sich daran erinnern, dass es dieses Verfahren gibt. Und ich denke, das erreichen wir mit der VR-Brille.“ Für Patientinnen und Patienten sind bereits erste VR-Projekte an manchen Klinikstandorten etabliert, um den häuslichen Umgang mit der Bauchfelldialyse leichter zu erlernen. Mit ihrem Projekt beziehen die Initiatoren nun erstmals Studierende ein.

„Virtuelle Realität ist in der medizinischen Lehre auf dem Vormarsch“, betont Professor Ingolf Cascorbi, Studiendekan für Humanmedizin. „Die Medizinische Fakultät der Universität Kiel hat VR im Rahmen des Digitalisierungsprogramms berücksichtigt und plant diese im Rahmen innovativer Lehrprojekte in 2024 auszubauen.“

Über die Bauchfelldialyse

Eine Dialysebehandlung kommt zum Einsatz, wenn die Nieren nicht mehr funktionieren. Die Dialyse befreit das Blut von Abfallprodukten des Stoffwechsels und überschüssigem Wasser. Neben der „klassischen“ Form – der Hämodialyse in spezialisierten Einrichtungen – ist die Bauchfell- oder Peritonealdialyse ein gleichwertiges Verfahren der Nierenersatztherapie. Bei einer Peritonealdialyse erfolgt die Blutreinigung nicht außerhalb, sondern innerhalb des Körpers über das Bauchfell (Peritoneum). Diese gut durchblutete Haut kleidet die Bauchhöhle aus und eignet sich als Filtermembran.

Dialysepflichtige Nierenkranke können die Bauchfelldialyse selbständig zu Hause durchführen. Dazu füllen sie in regelmäßigen Zeitabständen eine spezielle Spüllösung (Dialysat) über einen fest in die Bauchwand eingenähten Katheter in die Bauchhöhle ein. Die Flüssigkeit umspült das Bauchfell. Aus den Blutgefäßen, die das Bauchfell durchziehen, diffundieren Schadstoffe in das Dialysat. Weil es Zucker oder zuckerähnliche Stoffe enthält, wird dem Blut per Osmose zusätzlich auch überschüssiges Wasser entzogen. Die mit diesen Stoffen angereicherte Flüssigkeit wird nach einigen Stunden über den Katheter abgelassen und durch ein neues steriles Dialysat ersetzt. Dieser Zyklus wiederholt sich mehrfach am Tag.

Neue Koordinierungsstelle am UKSH

Auf Initiative von Privatdozent Dr. med. Kevin Schulte wird an der Klinik für Innere Medizin IV des UKSH, Campus Kiel, eine sektorübergreifende Koordinierungsstelle Peritonealdialyse eingerichtet. Das Gesundheitsministerium des Landes Schleswig-Holstein fördert dieses Projekt mit 500.000 Euro. „Ziel dieses Vorhabens ist es, strukturelle Hürden abzubauen und den Zugang zur Bauchfelldialyse zu erleichtern“, erklärt Schulte. Geplant ist unter anderem eine Beratungs- und Fortbildungsstruktur zum Thema Bauchfelldialyse aufzubauen und die Beratung von Patientinnen und Patienten sowie einer Terminkoordination zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen zu verbessern.

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