IT & Kommunikation

Marktverzerrung und mangelnde Interoperabilität

28.03.2025 - Nach IS-H-Aus: DSAG kritisiert KIS -Hersteller für eingeschränkte Wahlfreiheit bei Krankenhaus-IT.

Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) kritisiert die aktuelle Entwicklung im Krankenhaus-IT-Markt: Durch die von SAP im Jahr 2022 veröffentliche Abkündigung der Branchenlösung SAP Patientenmanagement (IS-H) für die Patientenverwaltung und -abrechnung sind Krankenhäuser und Kliniken auf Krankenhausinformationssysteme (KIS) anderer Software-Hersteller angewiesen. Jedoch planen zentrale Anbieter wie CGM, Dedalus und DTHS, die Anbindung von Abrechnungslösungen anderer Hersteller nicht zu unterstützen. Die DSAG sieht hierin eine erhebliche Bedrohung für die Interoperabilität, Marktvielfalt und die wirtschaftliche Tragfähigkeit der IT-Strategien von Krankenhäusern.

Nach der Ankündigung von SAP im Jahr 2022, die Branchenlösung SAP Patientenmanagement (IS-H) nicht in die S/4HANA-Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Welt zu überführen, stehen Krankenhäuser und Kliniken vor der Herausforderung, ihre IT-Strategien grundlegend zu überarbeiten. „SAP hat vor drei Jahren klar kommuniziert, dass die bisherigen Funktionalitäten in IS-H für die Patientenverwaltung und -abrechnung künftig über die Krankenhausinformationssysteme (KIS) anderer Software-Hersteller abgebildet werden müssen. Dass jetzt große Anbieter entschieden haben, die Anbindung anderer Partnerlösungen für die Abrechnung und Administration an ihre KIS nicht zu ermöglichen, ist für die Healthcare-Branche ein herber Schlag“, so Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector.

Erhebliche Risiken für Krankenhäuser

Durch die fehlende Anbindungsmöglichkeit alternativer Abrechnungssysteme verlieren Krankenhäuser die Flexibilität bei der Gestaltung ihrer IT-Landschaft. Einrichtungen müssen somit komplette KIS neu einführen oder die Lösungen für Patientenabrechnung und -administration der bestehenden KIS-Hersteller integrieren. „Die KIS-Hersteller nehmen die Bedarfe der Branche nicht ernst und treiben sie in teure und langfristig riskante Abhängigkeiten", warnt Michael Pfeil, DSAG-Arbeitskreissprecher Healthcare.

Wettbewerbsverzerrung durch proprietäre Systeme

Die geplante Strategie der KIS-Anbieter führt zu einer Marktverzerrung und einem drastischen Rückgang an Wettbewerb und weiterhin verzögerter Innovation, da derzeit nur wenige Anbieter Lösungen haben, die ganzheitlich die Abrechnung sicherstellen und die KIS-Hersteller Partnerlösungen dafür ausschließen. Für die Häuser sind somit aus DSAG-Sicht zum einen lange und schwierige Projekte zu erwarten. Denn: In einer Vielzahl der Konstellationen muss nicht nur die Lösung für die Abrechnung getauscht werden. Zum anderen warten voraussichtlich enorme Lizenz- und Projektkosten. Die konkreten Lizenzkosten sind derzeit noch unklar.

Weitere Konsequenzen sind, dass sich die Häuser fragen müssen, wie die SAP-S/4HANA-Einführung mit einem KIS, dass mit einem eigenen „ERP“-System kommt, abbildbar ist. „Außerdem werden die Standard-Schnittstellen wie FHIR, die gesetzlich gefordert sind für Abrechnungslösungen, von den Herstellern ignoriert. Sie schließen wissentlich die Interoperabilität zu Abrechnungslösungen aus. Das erschwert es Krankenhäusern, auf wirtschaftlich sinnvolle Alternativen zu setzen“, ordnet Pfeil ein. Unklar sei zudem, welcher Hersteller Projekte in der anstehenden Vielzahl überhaupt umsetzen kann – und, welche Systeme wirklich alles abbilden können.

Maximale Einschränkung der Entscheidungsfreiheit

Krankenhäuser werden durch die proprietären Systeme der KIS-Anbieter in eine wirtschaftlich kritische Abhängigkeit gezwungen: Produktentscheidungen können nicht mehr nach dem fortschrittlichsten Produkt getroffen werden, sondern werden reduziert auf die reine Abbildung des Pflichtprozesses. „Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten kann dies für manche Einrichtungen das Ende bedeuten", warnt Pfeil. Die fehlende Interoperabilität erschwert Effizienzsteigerungen und Synergien erheblich, was sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausprozesse auswirkt.

Aussagen wie die von Herstellern, dass ein holistischer Ansatz mit vollständiger Integration des klinischen Kontexts in die KIS Vorteile bietet, sieht die DSAG eher kritisch. „Aus Anwendersicht kann ich hier keine Vorteile erkennen. Im Gegenteil: Eher maximale Abhängigkeit, zähe Umsetzungen, langsame Entwicklungen und in der Folge sind Erlösverluste zu erwarten“, sagt Pfeil. Zwar seien homogene Landschaften ein Vorteil, doch sei zum jetzigen Zeitpunkt noch fraglich, ob die Systeme in der Lage sind, die benötigten Funktionen für die Abrechnung auch tatsächlich zu bieten.

Forderung nach einer offenen IT-Strategie

Die DSAG fordert eine sofortige Strategieänderung seitens der KIS-Anbieter: Offene Systeme mit standardisierten Schnittstellen müssen zur Selbstverständlichkeit werden. „Die Anbindung von Subsystemen – insbesondere von Abrechnungslösungen – müssen obligatorisch sein und maximal unterstützt werden. Als DSAG fordern wir hier den vorgeschriebenen FHIR-Adapter“, so Haag. Wichtig ist daher eine maximale Unterstützung alternativer Abrechnungslösungen für S/4HANA, und dass das IS-H-Coding weiterhin verfügbar bleibt, um Blaupausen für eine reibungslose Transformation entwickeln zu können.

Politik muss handeln

Die Handlungsoptionen, die Kliniken und Krankenhäuser jetzt haben, sind überschaubar. Die DSAG sieht auch die politischen und regulatorischen Entscheidungsträger in der Pflicht: Es braucht endlich gesetzliche Rahmenbedingungen, um Interoperabilität zu gewährleisten, Marktverzerrungen zu verhindern und Fördergelder gezielt einzusetzen. Krankenhäuser müssen alternative IT-Lösungen in Betracht ziehen können, Klinikverbünde bilden und politischen Druck aufbauen, um eine nachhaltige und betreibbare IT-Landschaft im Gesundheitswesen sicherzustellen.

DSAG-Infotage Healthcare 2025

Die DSAG wird sich auch bei diesem Thema im Sinne Ihrer Mitglieder engagieren. So wird es neben laufenden Online-Veranstaltungen zu den Themen KIS und Patientenabrechnung auch eine weitere Auflage der DSAG-Infotage Healthcare geben. Diese sollen am 04. und 05. November 2025 in St. Leon-Rot stattfinden.

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