Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz KI und Teleradiologie ausbauen
29.03.2021 - Nachdem in Deutschland jahrelang der Eindruck herrschte, als trete die Digitalisierung im Gesundheitssektor auf der Stelle, überstürzen sich jetzt förmlich die Ereignisse.
Dr. Torsten Möller, Deutsche Gesellschaft für Teleradiologie, Dillingen
Einmal mehr gehört die Teleradiologie zu den wichtigsten Handlungsfeldern auf dem Weg zur nächsten Stufe der Hochleistungsmedizin. Ärzte-Verbände bremsen nicht mehr, Datenschützer halten die Füße still, Politiker schaffen die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Wissenschaftler, etablierte Unternehmen und Start-ups beschreiben, was mit Robotik, Big Data und künstlicher Intelligenz (KI) alles möglich ist. Das lässt für die Digitalisierung hoffen. Selbst der lange beschworene Einstieg in eine patientenorientierte ambulant-stationäre Vernetzung rückt in erreichbare Nähe und vielleicht sichern wir am Ende dank Corona sogar die flächendeckende Gesundheitsversorgung ländlicher Gebiete.
Das klingt in Deutschland noch ein bisschen nach Utopia. Aber wenn sich mehr als 90 % der Bürger für digitale Gesundheitsversorgung aussprechen, dann sollten auch skeptische Fachleute nicht länger zögern zu handeln. Die Voraussetzungen sind günstig. Vorigen Herbst trat nach einigen anderen Reformgesetzen das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft. Darüber gibt es 4,3 Mrd. Euro für die digitale Aufrüstung der Krankenhäuser in Deutschland. Gefördert werden unter anderem „telemedizinische Netzwerkstrukturen“. Das ist die seit Langem größte Chance für den dringend notwendigen Ausbau teleradiologischer Netze. Teleradiologienetze bestehen zwischen Krankenhäusern und verbinden Facharztpraxen mit Kliniken. Der Austausch radiologischer Bilder dient der fachlichen Zusammenarbeit, der Beschaffung von Zweitmeinungen, ist wichtig in der Notfallmedizin, aber auch ganz praktisch zur Absicherung diagnostischer Angebote in Randzeiten, wie Nacht, Wochenende, oder krankheitsbedingten Ausfallzeiten.
Erhaltung flächendeckender Versorgungsstrukturen
Den Nutzen dieser Vernetzung spüren alle. Dies gilt nicht zuletzt für kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum, die sich darüber hochwertige diagnostische Expertise ins Haus holen. Das verbessert ihre Qualität und hilft dabei, diagnostische Fehler zu vermeiden. Damit kann die Teleradiologie einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung flächendeckender stationärer Versorgungsstrukturen leisten. In Phasen besonders großer Belastung, wie der gegenwärtigen Corona-Pandemie, spielen teleradiologische Netzwerke ihre ganze Stärke aus: Sie sichern die Diagnostik und entlasten das Krankenhauspersonal bei gleichzeitigem Schutz der Diagnostiker vor Infektionen, weil die ja zu Hause arbeiten. Und jetzt kommt die künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. KI fußt auf großen Datensätzen, die mithilfe von Algorithmen Besonderheiten oder Abweichungen in radiologischen Bildern, aber auch Gewebe- oder Blutproben erkennt. Je besser diese Datensätze miteinander verknüpft werden, desto besser kann man den Algorithmus trainieren und desto präziser funktioniert KI.
Kompetenz einer neuen Stufe der Hochleistungsmedizin
Mithilfe einer durch KI, Deep Learning (selbstlernende Systeme) und Radiomics (autonome Computeranalyse von Randerscheinungen in radiologischen Bildern) erweiterten Bildanalyse kann die Radiologie sehr viel mehr leisten. Sie kann unter anderem einen Beitrag zur Identifizierung von Entzündungsherden, zur Markierung von Bandscheibenschäden oder zur Früherkennung von Krebs leisten. Mittelfristig wollen Experten auch Prognosen für den Krankheitsverlauf genauer und zuverlässiger vorhersagen. Hier verbinden sich Big Data, individualisierte Medizin und diagnostische Kompetenz auf einer neuen Stufe der Hochleistungsmedizin.
Der Ausbau teleradiologischer Netze ist dafür eine entscheidende Voraussetzung und sollte mit KI verbunden werden. Dies ermöglicht schnellere und bessere Diagnosen, die über leistungsfähige Datennetze weltweit ausgetauscht werden können, verändert aber auch die Rolle des Teleradiologen. Als Befunder kann er sich auf schwierige Diagnosen konzentrieren, denn KI nimmt ihm die Routineaufgaben ab. Natürlich hat er das letzte Wort. Darüber hinaus ergeben sich für Radiologen weitere spannende Aufgaben in der Wissenschaft und dem Medizinmanagement.
Doch bevor Digitalisierung und künstliche Intelligenz die Qualität der Befundung weiter verbessern, Teleradiologen von Routinearbeiten entlasten und genauere Prognosen für Krankheitsverläufe liefern, gilt es noch einige Herausforderungen zu meistern. Dazu zählen etwa die Verfeinerung der Algorithmen für die Krankheitsbilder, die Optimierung der Datenleitungen, die Bereitschaft und Möglichkeit der Einbindung von KI-Software in die digitale Architektur der Krankenhäuser und die möglichst schnelle Überführung zahlreicher experimenteller Anwendungen in die therapeutische Praxis. Noch bewegen wir uns mit KI in den meisten Anwendungsgebieten im Bereich der Wissenschaft oder erster klinischer Versuche, aber die Türe ist schon mehr als einen Spalt weit offen. Wir müssen deshalb die Finanzierung, die Qualität, die Zertifizierungsmöglichkeiten und vieles andere klären. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir die Chance nutzen, mit den verfügbaren Fördermitteln teleradiologische Netze und künstliche Intelligenz zusammenzuführen und auszubauen. Auch hier kann die Teleradiologie ebenso eine Vorreiterrolle übernehmen wie schon vor vielen Jahren zu Beginn der Digitalisierung unseres Gesundheitswesens.
Die Deutsche Gesellschaft für Teleradiologie hat deshalb mit fachlich qualifizierten Partnern, dem Reif & Möller Netzwerk für Teleradiologie und der NEXUS/Chili GmbH, die Onlineplattform www.zukunft-teleradiologie.de geschaffen. Sie dient als Veranstaltungsplattform und Anlaufstelle für alle, die Teleradiologie und künstliche Intelligenz gemeinsam voranbringen und sich über teleradiologische Netze informieren wollen. Der Stand der Digitalisierung der Krankenhäuser wird zum 30. Juni 2021 und 30. Juni 2023 evaluiert. Dann wird sich auch zeigen, wie viele Krankenhäuser einen Teil der Milliarden des Krankenhauszukunftsgesetzes dazu genutzt haben, sich radiologisch noch stärker zu vernetzen, um damit ihre Diagnostik weiter zu verbessen.
Profitieren Sie vom Expertenwissen rund um das KHZG! Melden Sie sich jetzt zur online Panel Discussion an: "Krankenhauszukunftsgesetz - die Förderung optimal nutzen" am 21. April, 10-11:45 Uhr. Sie ist organisiert vom Wiley Verlag und kostenfrei.
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