IT & Kommunikation

Mit Telemedizin die Versorgung verbessern? Dann aber richtig!

31.01.2023 - Einflussfaktoren und Erwartungen für erfolgreiche Telekonsile im Klinikalltag – Erfahrungen aus dem Virtuellen Krankenhaus NRW.

Mit der teleintensivmedizinischen Beratung in Fällen von schwer an Covid-19 Erkrankten hat das Virtuelle Krankenhaus in einer Vorstufe sein Nutzenpotenzial für den einrichtungsübergreifenden kollegialen Austausch bereits deutlich gemacht. Experten der Universitätskliniken Aachen und Münster haben dort seit Ende März 2020 in mehr als 3.900 Telekonsilen NRW-weit intensivmedizinische Kollegen in Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung beraten.

 

 

Konsile einer neuen Dimension

Das Ganze mit weiteren Indikationen in die Fläche bringen? Gar nicht so einfach. Dennoch: Mittlerweile steht neben der Covid-19 Beratung auch das Telekonsilangebot für die Therapierefraktäre Herzinsuffizienz, für Seltene Erkrankungen und für die Frage nach der Resektabilität von Lebertumoren zur Verfügung. Für jede der Indikationen ist mindestens eines der auf Basis der Zentrums-Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom Land Nordrhein-Westfalen ausgewiesenen Expertenzentren als Konsilgeber angeschlossen. Weitere kommen hinzu. Auf Nutzerseite konnten Verträge mit mehr als 100 Krankenhausträgern geschlossen werden.

Hochspezialisierte fachmedizinische Expertise flächendeckend und niederschwellig über Sektorengrenzen hinweg verfügbar machen. Mit diesem Anspruch hat das NRW-Gesundheitsministerium das Virtuelle Krankenhaus ins Leben gerufen. Eine integrierte, digitale Plattform übernimmt die zentrale Vermittlung von Telekonsilen, flankiert von weiteren Services der gemeinnützigen Trägergesellschaft. Ziel ist eine Art Rundum-sorglos-Paket sowohl für Anbieter wie auch Nutzer des Konsilangebots.

Die Koalitionsvereinbarung der NRW-Landesregierung sieht vor, das Angebot des Virtuellen Krankenhauses als Bestandteil der Regelversorgung weiter auszubauen. Das Virtuelle Krankenhaus ist außerdem Teil der Digitalstrategie des Landes und wird im Krankenhausplan als „von zentraler Bedeutung für die digitale Weiterentwicklung der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen“ beschrieben.

Anstelle zeitlich oder regional begrenzter Einzelprojekte oder Kooperationen soll mit dem Virtuellen Krankenhaus eine flächendeckende, strukturierte telemedizinische Versorgungslandschaft als integrierter Bestandteil der Regelversorgung etabliert werden. Das Vorhaben geht mit diesem Anspruch weit über bisherige Modellprojekte hinaus. Als neutraler und herstellerunabhängiger Partner bietet das Virtuelle Krankenhaus eine strukturierte und datenschutzkonforme Plattform mit einer standardbasierten elektronischen Fallakte für die gemeinsame Sicht auf relevante Patientendaten und einen strukturierten Konsilbericht. Flankierend können videogestützte Telekonsile zum persönlichen Austausch vereinbart werden.

So geht Konsil heute! Oder doch (noch) nicht?

Die grundlegenden Rahmenbedingungen, um Telekonsile flächendeckend in der Regelversorgung zu verankern, sind mittlerweile gegeben: Die Telekonsilien-Vereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband, Kassen(zahn)ärztlicher Bundesvereinigung und Deutscher Krankenhausgesellschaft definiert die Anforderungen an die technischen Verfahren. Ausgewiesene Zentren können Zuschläge für interdisziplinäre telemedizinische Fallkonferenzen sowie zentrumsspezifische telemedizinische Leistungen erhalten. Der EBM sieht eigene Ziffern sowohl für das Einholen wie auch das Erbringen telekonsiliarischer Beratungen vor und das sogar sektorenübergreifend. Und mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz wurden jüngst auch Vergütungsinstrumente für Telekonsile innerhalb des stationären Bereichs auf den Weg gebracht.

Was also braucht es noch, damit Ärzte in besonders komplexen Behandlungssituationen, zu spezialfachärztlichen Fragestellung oder in seltenen Fällen in den konsiliarischen Austausch mit Kollegen gehen und dazu die Möglichkeiten der Digitalisierung mit all ihren Vorteilen für sich und ihre Patienten nutzen?

Zunächst einmal: Digitalisierung muss gemanagt werden. Sie darf nicht „nebenbei“ von der IT-Abteilung oder der Ärzteschaft mitgemacht werden. Digitalisierung mit all ihren Facetten muss von der Krankenhausleitung getragen und als Teil der Arbeitskultur im Unternehmen verankert werden. Digitalisierung geht weit über die Technik hinaus. Sie spiegelt sich in sozialen und ethischen Aspekten ebenso wie in Prozess- und Finanzfragen. Sie beeinflusst die Kommunikation, das Wissens- und das Informationsmanagement innerhalb des Krankenhauses aber auch im Zusammenwirken mit externen Partnern.

Der notwendige Kulturwandel zu einer durchgängig digital geprägten Arbeitswelt ist noch nicht vollzogen. Die Erfahrung zeigt, dass Digitalisierung im Gesundheitswesen noch immer eher als Herausforderung denn als Chance wahrgenommen wird. Dennoch ist sie eine Tatsache, die alle unsere Lebensbereiche prägt, unabhängig vom persönlichen Wollen oder Nichtwollen. Es gilt also die Devise: Mitgestalten und Mitbestimmen oder Ablehnen und Abwarten und die Dinge dann so hinnehmen wie sie sich manifestiert haben.

Damit digitale Maßnahmen, wie Telekonsile, ihr volles Potenzial entfalten können, braucht es die strukturelle Verankerung in der Regelversorgung und ein flächendeckendes Angebot. Das wiederum lässt sich nur auf Basis einer integrierten Digitalstrategie umsetzen, die von einem konsequenten Veränderungsmanagement begleitet wird – innerhalb der Krankenhäuser und im Gesundheitssystem als solchem. Es ist ein Umdenken erforderlich. Auf allen Ebenen. Jetzt!
Auf die offensichtlichen Vorteile der Digitalisierung, wie die Beschleunigung und räumliche Entkoppelung von Kommunikations-, Informations- und Datenübermittlungsprozessen, neue Kooperationsmöglichkeiten, Fehlerreduktion, Zuverlässigkeit, Revisionssicherheit, Transparenz, Anwenderfreundlichkeit etc. wird meist immer noch zugunsten eingefahrener analoger Verfahren verzichtet. Oder fast noch schlimmer: zugunsten improvisierter und punktuell eingesetzter digitaler „Krücken“, die weder dem Datenschutz noch den Dokumentationsanforderungen genügen. Das darf von den Verantwortlichen einfach nicht länger toleriert werden!

Virtuelle Konsile, echte Mehrwerte

Im Virtuellen Krankenhaus arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern an praxisorientierten Lösungen, um die Ärzten in ihrem Versorgungsalltag zu unterstützen und den Patienten die bestmögliche Versorgung zukommen zu lassen. Eine gute Versorgung darf nicht von den an persönlichen Kontakten der behandelnden Ärzte oder der „richtigen“ Auswahl des Krankenhauses abhängen. Wo die Hürden in der operativen Umsetzung liegen, erleben wir in der Pilotphase also gerade hautnah, haben mit unserem Beirat, der politischen Unterstützung und den kompetenten Umsetzungspartnern aber die besten Voraussetzungen unserem Ziel Schritt für Schritt näher zu kommen.

Projekte und unsere Erfahrungen mit der Vorstufe zeigen: Telekonsile bringen Entscheidungssicherheit für die Behandelnden und steigern das Vertrauen der Patienten, die bestmögliche Versorgung zu bekommen. Telekonsile sparen Zeit, Wege und Wartezeiten. Der kollegiale Austausch erhöht das Wissensniveau auf beiden Seiten und stärkt kooperative Versorgungsstrukturen. Es geht nicht um „digitale Medizin“, vielmehr unterstützt die Technik Menschen, für Menschen da zu sein.

Diese Art der (Zusammen-)Arbeit ermöglicht neue, attraktive Arbeitsformen. Wohnortunabhängige Beschäftigung, flexible Arbeitszeitmodelle, einrichtungsübergreifende Kooperation. Effektive und effiziente Kooperation kann nur gemeinsam gelingen. Mit sicheren und zeitgemäßen digitalen Lösungen die Basis zu schaffen, ist eine lohnende Aufgabe für das Krankenhausmanagement.

Autoren: Nadja Pecquet und Beate Noeke, Hagen

Kontakt

Virtuelles Krankenhaus NRW gGmbH

Haus Harkorten 8
58135 Hagen
Deutschland

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