Mobile Stroke Unit führt zu weniger Behinderungen nach Schlaganfall
03.03.2021 - Schlaganfälle sind eine der häufigsten Ursachen für bleibende Behinderungen bei Erwachsenen. Ursache für ein schlechtes Outcome ist, dass oft zu viel Zeit zwischen dem Einsetzen der Symptome und der Einleitung der Notfalltherapie verstreicht.
Eine aktuelle Studie zeigte nun, dass es durch den Einsatz sogenannter mobiler Stroke Units (STroke Einsatz-MObile = STEMO) Zeit gespart wird und es dadurch seltener zu schweren Behinderungen und Todesfällen kommt. „Es ist ein wichtiges Ziel der Neurologie, dass möglichst viele Patienten einen Schlaganfall unbeschadet überstehen.“
Wie bei kaum einer anderen Krankheit ist beim Schlaganfall der Faktor Zeit wesentlich für das Therapieergebnis. Es gilt das Diktum „Time is Brain“. Je früher der Betroffene einer Behandlung zugeführt werden kann, desto höher sind seine Chancen auf eine weitgehende oder vollständige Genesung. „Durch die Etablierung von Stroke-Units, durch die Verbesserung der Therapie, aber auch durch Bekanntmachung der Botschaft, Schlaganfallsymptome nicht zu ignorieren, sondern stattdessen schnell zu handeln, konnte in den vergangenen 15 Jahren bereits eine deutliche Reduzierung der Sterblichkeitsrate von Schlaganfällen sowie der Rate an Patienten mit schweren Behinderungen als Langzeitschäden erreicht werden.
„Doch auf diesen Erfolgen möchten wir uns nicht ausruhen, es gibt pro Jahr noch immer viel zu viele Schlaganfallopfer. Die Krankheit trifft pro Jahr etwa 270.000 Menschen in Deutschland, von denen jeder Fünfte nicht überlebt“, erklärt Prof. Dr. Matthias Endres, von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Wir müssen also noch besser werden! Die Strukturen innerhalb der Krankenhäuser wurden bereits so optimiert, dass die Zeitdauer zwischen Einlieferung und Therapieeinleitung kaum noch weiter verkürzt werden kann, schließlich muss eine sorgfältige Diagnostik erfolgen. Doch wo die Betroffenen noch immer wertvolle Zeit verlieren, ist vor Klinikankunft.“
Wie der Experte ausführt, kann es gerade in Ballungsgebieten, wo sich der Verkehr staut, aber auch in ländlichen Regionen, wo der Weg in die nächste Stroke Unit weit ist, zu Verzögerungen kommen, bis der Rettungswagen mit dem Patienten die Klinik erreicht. Genau hier setzt ein Berliner Projekt an: Derzeit sind in der Hauptstadt STroke Einsatz-MObile (STEMO) im Einsatz, speziell konzipierte Rettungswagen, die mit einem Computertomographen und einem Minilabor ausgerüstet sind. Vorteil: Die therapierelevante Untersuchung des Patienten mit Bildgebung und Notfalllabor erfolgt im STEMO bereits vor dem Transport in die Klinik. Der Patient kommt mit abgeschlossener Diagnostik in das Krankenhaus. Es kann sogar die Thrombolyse, eine medikamentöse Therapie zur Auflösung des ursächlichen Blutgerinnsels, bereits im Wagen begonnen werden. „Wir sehen, dass dadurch mehr Patienten die Thrombolyse im empfohlenen Zeitraum von bis zu 4,5 Stunden nach Einsetzen der ersten Symptome erhalten. Und viele Patienten erreichen sogar die ‚goldene Stunde‘, d.h. sie erhalten innerhalb einer Stunde nach dem Einsetzen der Symptome die Therapie und haben dadurch eine besonders günstige Prognose“, berichtet der Experte.
Eine aktuelle Studie zeigte nun, dass es sich hierbei nicht um einen subjektiven Eindruck handelt. In einer prospektiven kontrollierten Interventionsstudie wurde der Erfolg des STEMO-Einsatzes an über 1.500 Betroffenen in Berlin überprüft. Kriterium war der Behinderungsgrad der Patienten gemäß der modifizierten Rankin-Skala (mRS) nach drei Monaten.
Geringerer medianer Behinderungsgrad
Von 1.543 Betroffenen, die zwischen dem 1. Februar 2017 und dem 8. Mai 2019 in die Studie eingeschlossen wurden, waren 749 mit einem STEMO und 794 im konventionellen Rettungsdienst versorgt worden. Das mediane Alter der Betroffenen betrug 74 Jahre, fast die Hälfte (47%) waren Frauen. Von 87% der Studienteilnehmer lagen die mRS-Scores nach drei Monaten vor. Diejenigen, die in einem STEMO zur Klinik gebracht worden waren, hatten einen geringeren medianen Behinderungsgrad nach modifizierten Rankin-Skala als die Patienten in der Vergleichsgruppe (1 vs. 2, die Odds Ratio für ein schlechteres Outcome betrug 0,71, p < 0,001). Auch waren in der STEMO-Gruppe weniger Betroffene, die eine schwere Behinderung davongetragen hatten (11,6% vs. 13,8%), sowie weniger Todesfälle (7,1% vs. 8,8%). „Wir konnten in der STEMO-Gruppe die rettende Thrombolysetherapie häufiger und im Durchschnitt 20 Minuten früher einleiten als in der Vergleichsgruppe, was letztlich zu den besseren Therapieergebnissen geführt hat“, erklärt Projektleiter Prof. Heinrich Audebert, Charité – Universitätsmedizin Berlin.
„Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hofft, dass Schlaganfallmobile nach diesen ermutigenden Daten auch anderenorts zum Einsatz kommen. In Regionen, in denen die Versorgungsstruktur nicht so hoch ist wie in Berlin, könnten die innovativen Mobile womöglich noch mehr Menschenleben retten. Es ist ein wichtiges Ziel der Neurologie, dass möglichst viele Patienten einen Schlaganfall unbeschadet überstehen und die STEMOS können dafür einen wertvollen Beitrag leisten“, so das Fazit des DGN-Generalsekretärs Prof. Dr. Peter Berlit.