Nachhaltige Wege einer Weiterverwendung
01.12.2022 - Gebrauchte Medizintechnikgeräte verschrotten, verschenken oder verkaufen? In Deutschland fallen jedes Jahr eine Vielzahl an gebrauchten Medizintechnikgeräten an, die in Krankenhäusern ausgetauscht werden.
Im Gespräch mit Claus Eismann, dem Leiter des Einkaufs am Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) in Bielefeld wird anhand der Zusammenarbeit mit der Firma Hilditch Deutschland beispielhaft dargestellt, welche Möglichkeiten Krankenhäuser haben, um gebrauchte Geräte einer sinnvollen Verwendung zuzuführen.
M&K: Wie stellt sich die Situation mit gebrauchter Medizintechnik im EvKB dar?
Claus Eismann: Im EvKB werden jährlich ca. 50 bis 80 gebrauchte Medizintechnikgeräte vom Ultraschallgerät über Beatmungsgeräte bis zur Röntgenanlage erneuert. Gründe dafür sind überschrittener Lebenszyklus, technischer Fortschritt oder strategische Entscheidungen. Dabei machen wir uns im EvKB Gedanken, was wir mit diesen Geräten noch sinnvoll machen können. Wir versuchen, eine Weiterverwendung für unsere gebrauchte Medizintechnik zu finden, denn fast alles ist besser, als funktionsfähige Geräte zu verschrotten. Mit dem Verkauf von gebrauchter Medizintechnik können wir vielleicht einen kleinen Beitrag leisten, dass Menschen in anderen Ländern geholfen wird. Denn Medizintechnik ist einfach teuer und es kann sie sich nicht jedes Land leisten.
Haben Sie ein Beispiel für unsere Leser?
Eismann: Vor dem diakonischen Hintergrund der Bethel Kliniken hatte ich 2015 selbst ein Spendenprojekt in Tansania angestoßen. Ich war zweimal mit einer Bethel-Kollegin, die in Tansania gelebt hat, vor Ort in Tansania und habe geschaut, wie unsere gebrauchte Medizintechnik dort eingesetzt werden kann. Wir konnten beispielsweise ein komplettes Patientenmonitorsystem zur Überwachung der Patientenvitaldaten an ein Krankenhaus liefern, das von einer Schweizer Firma vor Ort montiert und erfolgreich in Betrieb genommen wurde. Doch die Abwicklung des Projekts hat für mich persönlich sehr viel Arbeit und hohe Kosten in der Abwicklung bedeutet. Wir mussten einen See-Container kaufen, nach Tansania schicken, die Zollpapiere besorgen und die Finanzierung sicherstellen. Dafür habe ich damals Spenden gesammelt. Am Ende war es ein sehr schönes Projekt für Frauen und Kinder, aber für mich kein dauerhaft leistbares Unterfangen.
Welchen anderen Weg haben Sie dann beschritten?
Eismann: Auf dem Beschaffungskongress der Krankenhäuser 2016 in Berlin bin ich auf die Firma Hilditch Deutschland aufmerksam geworden. Ich habe mich über das Unternehmen informiert, gesehen, dass es 30 Jahre Erfahrung auf dem Markt hat und nach ISO zertifiziert ist. So habe ich mich entschieden, einen Versuch zu starten, über Hilditch als Dienstleister für den Verkauf von gebrauchter Medizintechnik drei bis vier gebrauchte Geräte zu verkaufen. Das ist sehr gut gelaufen, wir waren mit Verkauf und Abwicklung sehr zufrieden und es hat sich eine gute, vertrauensvolle Geschäftsbeziehung entwickelt.
Wo liegt der Vorteil für Ihr Krankenhaus?
Eismann: Wir müssen uns um nichts kümmern, nicht um Verträge, nicht um die Abwicklung, nicht um die Logistik. Eigentlich eine Win-Win-Situation für alle Seiten: Die Geräte können in anderen Ländern noch sinnvoll genutzt werden. Wir haben einen Erlös für die gebrauchten Geräte und sparen ansonsten anfallende Entsorgungskosten. Das Einzige, was wir tun müssen ist, das gebrauchte Gerät
Hilditch anzubieten.
Welche gebrauchten Geräte haben Sie seither über Hilditch verkauft?
Eismann: Wir haben z. B. Narkosegeräte, Ultraschallgeräte, EKG-und EEG-Geräte, Patientenmonitoringgeräte und HF-Geräte verkauft. Es gibt Geräte, die wirklich gesucht sind und für die eine sehr große Nachfrage besteht, z. B. Mikroskope oder gut erhaltene Ultraschallgeräte und jegliche Röntgengeräte. Aber es gibt auch Geräte, die sich eher schlecht verkaufen lassen, z. B. wenn Zubehör fehlt oder keine Verbrauchsmaterialien mehr am Markt erhältlich sind. Hildtich hat einen Käuferstamm von 17.000 Kunden, somit werden die Geräte zu 95% verkauft. Nicht verkaufte Artikel werden nochmals angeboten oder der Entsorgung zugeführt.
Wie genau ist der Prozessablauf?
Eismann: Wir schicken Fotos und Gerätebeschreibung an unseren Ansprechpartner bei Hilditch. Für alle Geräte, die wir verkaufen möchten, können wir dem Käufer alle notwendigen Papiere zur Verfügung stellen, sämtliche STK-Prüfungen (sicherheitstechnische Überprüfung, die jährlich an einem Medizintechnischen Gerät durchgeführt werden muss), also sozusagen den Lebenslauf des Gerätes. Sollte ein zu verkaufendes Gerät einen Defekt haben, wird das auch so angegeben. Hilditch holt das Gerät bei uns ab und macht eine technische Überprüfung durch seine hauseigenen Medizintechniker. Dann wird das Gerät auf der Online-Plattform von Hilditch katalogisiert und gelistet. Die machen daraus eine Art „Ebay-Auktion“. Die Kunden von Hilditch sind weltweit, in Europa, USA, Asien und in den Magreb-Staaten, weniger in den ärmeren Ländern Afrikas, dort ist das Geld für solche Geräte oftmals nicht da. Die Käufer sind größtenteils Händler. Wir übernehmen keinerlei Haftung und Hilditch auch nicht. Der Händler kauft wie gesehen. Das ist auch entsprechend in den AGBs von Hilditch hinterlegt. Der Händler muss jeweils die einschlägigen Gesetze wie Einfuhrbedingungen, Regelungen über den Einsatz von gebrauchten Medizintechnikgeräten im jeweiligen Land etc. einhalten. Für uns ist der Gefahrenübergang bereits mit der Abholung des Gerätes, auch wenn es noch nicht verkauft und bezahlt ist.
In der Auktion ist ein Mindestpreis festgelegt. Das Gerät wird nur verkauft, wenn dieser Mindestpreis erreicht oder überschritten wird. Hilditch liefert nur gegen Vorkasse aus. Sobald das Gerät bezahlt ist, verschickt Hilditch es auf Kosten des Käufers weltweit. Am Ende behält Hilditch eine Provision ein und überweist uns die Differenz. Das Ganze läuft über einen digitalen Prozess, bei dem ich fortlaufend über den Status informiert werde.
Gibt es auch besondere Fälle?
Eismann: Wir hatten z. B. ein hochwertiges Zeiss Mikroskop, das wir im Rahmen einer Strategieentscheidung in unserer Neurochirurgie ausgetauscht und über Hilditch an ein Krankenhaus nach Polen verkauft haben. Dieses Mikroskop wurde vom Käufer direkt bei uns abgeholt, da der Transport eines High-End-Mikroskops sehr diffizil ist.
Wir hatten auch einmal den Fall, dass wir Hilditch ein spezielles Chirurgiegerät, ein Force Triad Gerät, das man bei Gefäßoperationen und zur Gefäßversiegelung braucht, zum Verkauf angeboten haben. Hilditch hatte bereits einen Käufer dafür und wir haben das Gerät letztlich ohne Auktion verkauft. Da es sich um ein Gerät gehandelt hat, das in der Ukraine dringend gebraucht wurde und das Krankenhaus auch einen Arzt hat, der mit dem Gerät umgehen kann, haben wir einem niedrigen Angebotspreis zugestimmt und nicht auf einen höheren Erlös durch eine Auktion gehofft. Das war dann ein weiterer Beitrag von Hilfe an die Ukraine durch das EvKB und die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.
Zur Person:
Claus Eismann (60) ist seit 1994 als Abteilungsleiter des Dienstleistungszentrums (DLZ) Einkauf + Logistik im Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) tätig. Der Diplom-Betriebswirt wurde zusätzlich im August 2017 in die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft „EvKB Wirtschaftsdienste GmbH“ berufen. Eismann ist schwerpunktmäßig für den Einkauf der gesamten Medizintechnik im EvKB zuständig. Das Evangelische Klinikum Bethel ist ein Tochterunternehmen der „von Bodelschwinghschen Stiftungen“, der größten Diakonischen Einrichtung in Europa. Mit zwei anderen Krankenhäusern bildet das EvKB seit 2020 das Universitätsklinikum Ostwestfalen-Lippe (OWL) der Universität Bielefeld.
Interview: Ulrike Tietze, Berlin