Neufassung der TRBA 250
04.05.2012 -
Neufassung der TRBA 250. Durch Beschluss des Ausschusses für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) vom 17. Mai 2006 wurde der Abschnitt 4.2.4 der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ neu gefasst und hat seit der Veröffentlichung im Bundesarbeitsblatt (BArbBl 7-2006, S. 193) in der deutschen Krankenhauslandschaft für sehr viel Unruhe gesorgt. Um Beschäftigte besser vor Infektionsgefahren bei Tätigkeiten mit spitzen oder scharfen medizinischen Instrumenten zu schützen, fordert der neu gefasste Abschnitt die Einführung stichsicherer Instrumente wesentlich deutlicher als die als „Soll-Vorschrift“ formulierte Vorgängerfassung. Diese Instrumente für perkutane Eingriffe bedienen sich unterschiedlichster Mechanismen – von einfachen klappbaren Schilden (Abb. 1) über aufwändige Retraktionssysteme, bei denen benutzte Kanülen durch Federkraft in Gehäuse gezogen werden, bis zu Entschärfungsmechanismen, die das benutzte Instrument direkt nach Gebrauch unschädlich machen.
Für die Krankenhausbetreiber ist es nun wichtig, die folgenden Fragen zu klären:
- Welche Schutzmaßnahmen sind auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung zu treffen?
- Welche Produkte können/müssen überhaupt ersetzt werden?
- Wann sind Produkte überhaupt Sicherheitsprodukte?
- Wo muss unverzüglich auf stichsichere Instrumente umgestellt werden?
- Welche Rolle spielt der Betriebsarzt?
- Sind bei der Einführung Unterweisungen notwendig?
- Wie kann das Haftungsrisiko gegenüber dem Unfallversicherungsträger minimiert werden?
- Existieren Übergangsvorschriften, und – falls ja – was muss ich während dieser Fristen beachten?
- Wer trägt die Kosten für die Einführung der im Vergleich zu Standardprodukten teureren Sicherheitsprodukte?
Dieser Artikel soll helfen, die wichtigsten Antworten zu liefern um die Vorgaben der TRBA 250 rechtssicher zu erfüllen. Welche Schutzmaßnahmen ergeben sich aus der Gefährdungsbeurteilung? Grundvoraussetzung für alle (!) Maßnahmen des Arbeitsschutzes ist die Gefährdungsbeurteilung. Diese sollte von der verantwortlichen Person unter fachkundiger Beteiligung des Betriebsarztes und der Fachkraft für Arbeitssicherheit erstellt werden. Seit Verabschiedung der Biostoffverordnung im Jahre 1999 ist die Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Infektionsgefahr für alle Institutionen im Gesundheitswesen zwingend vorgeschrieben. Sie ist auf Verlangen den Kontrollbehörden in regelmäßig aktualisierter Fassung vorzulegen. Eine Gefährdungsbeurteilung umfasst die zwei zentralen Teile – die Gefährdungsermittlung und die daraus abgeleitete Festlegung der geeigneten Schutzmaßnahmen. Aus der Gefährdungsbeurteilung ergeben sich somit auch die geeigneten Maßnahmen, um beispielsweise das Risiko von Infektionen durch Nadelstichverletzungen zu minimieren. Diese Schutzmaßnahmen können technischer Art sein (z.B. Sicherheitsinstrumente), organisatorischer Art (z.B. das Vorhalten geeigneter Abwurfbehälter) oder auch personenbezogen wirksam sein (z.B. Schutzimpfungen oder das Tragen von Schutzhandschuhen). Prinzipiell sind nach den Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes technischen Maßnahmen vorrangig, wobei in der Regel flankierende organisatorische Maßnahmen und Maßnahmen der Individualprophylaxe unverzichtbar sind. Mit geeigneten Mitteln muss dann auch die Nachhaltigkeit der getroffenen Maßnahmen nachgewiesen werden. Dazu empfiehlt es sich, die gemeldeten Nadelstichverletzungen in der Institution zentral zu erfassen und auszuwerten. Die Ergebnisse einer solchen Erhebung zeigen dann, ob die getroffenen Maßnahmen wirksam sind oder nicht.
Welche Produkte müssen ersetzt werden?
Die Dringlichkeit einer Schutzmaßnahme ergibt sich ebenfalls aus der Gefährdungsbeurteilung und Vorgaben der TRBA 250. Beispielsweise reicht es bei weitem nicht aus, lediglich alle Venenverweilkanülen auf Sicherheitsprodukte umzustellen, um sich dann zurückzulehnen und abzuwarten. Nach einschlägigen Studien, wie z.B. der EPINet Studie der Universität Wuppertal, geschehen bis zu zwei Drittel aller Nadelstichverletzungen an normalen Injektionskanülen sowie an blutgefüllten Blutentnahmenadeln. Diese Gefahrenschwerpunkte müssten folglich bei einer Umstellung vorrangig beseitigt werden. Ausdrücklich ist der Einsatz von Sicherheitsprodukten immer dann vorgeschrieben, wenn mit der Übertragung „infektionsrelevanter“ Blutmengen zu rechnen ist. In diesem Zusammenhang erwähnt die TRBA 250 Blutentnahmen und andere Punktionen zur Entnahme von Körperflüssigkeiten. Ausnahmen von der Verwendungspflicht für Sicherheitsprodukte sind hier nur möglich, wenn durch organisatorische Maßnahmen ein besonders niedriges Unfallrisiko sichergestellt werden kann oder wenn der zu behandelnde Patient erwiesenermaßen nicht infektiös ist. Dieses muss im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung unter Beteiligung eines Betriebsarztes festgestellt und gesondert dokumentiert werden. Wann sind Produkte überhaupt Sicherheitsprodukte? Die Ziffer 7 des Abschnittes 4.2.4 enthält die Anforderungen an Sicherheitsprodukte. Im Einzelnen sind dies die folgenden Punkte:
- Der Sicherheitsmechanismus ist Bestandteil des Systems und kompatibel mit anderem Zubehör.
- Seine Aktivierung muss mit einer Hand erfolgen können.
- Seine Aktivierung muss sofort nach Gebrauch möglich sein.
- Der Sicherheitsmechanismus schließt einen erneuten Gebrauch aus.
- Das Sicherheitsprodukt erfordert keine Änderung der Anwendungstechnik.
- Der Sicherheitsmechanismus muss durch ein deutliches Signal (fühlbar oder hörbar) gekennzeichnet sein.
Es empfiehlt sich, vom Lieferanten der Medizinprodukte die Konformität seiner Produkte mit diesen Forderungen erklären zu lassen.
Wo ist eine sofortige Umstellung notwendig?
In vielen Bereichen mit erhöhter Infektionsgefahr oder erhöhter Unfallgefahr ist die Verwendung dieser Produkte schon jetzt zwingend vorgeschrieben. Hierzu gehören unfallträchtige Bereiche wie Notfallaufnahmen und der Rettungsdienst bzw. die Behandlung fremdgefährdender Patienten und besonders infektionsgefährdete Bereiche wie Gefängniskrankenhäuser und die Versorgung bekannt infektiöser Patienten. Dementsprechend müssen in den genannten Bereichen ausschließlich Sicherheitsprodukte für alle Anwendungsbereiche mit erhöhter Infektionsgefahr (Punktionen, Blutentnahmen, Verweilkatheter und Injektionen) zur Anwendung kommen.
Welche Rolle spielt der Betriebsarzt?
Ein eventueller Verzicht auf den Einsatz sicherer Instrumente in Teilbereichen des Gesundheitsdienstes ist in der Gefahrdungsbeurteilung nachvollziehbar zu begründen und gesondert zu dokumentieren. Die Gefährdungsbeurteilung muss hier unter Beteiligung eines Arbeitsmediziners durchgeführt werden. Der Betriebsarzt ist bei Anwendung seiner Fachkunde nicht an Weisungen des Unternehmers (der unter Umständen in erster Linie aus Kostengründen die Beschaffung „Sicherer Instrumente“ vermeiden möchte) gebunden. Der Verzicht auf Sichere Instrumente ist beispielsweise dann begründbar, wenn der Nachweis erfolgt ist, dass der Patient nicht mit HBV, HCV oder HIV infiziert ist und damit ein geringes Infektionsrisiko festgestellt wird. Das Verletzungsrisiko kann auch durch geeignete organisatorische Maßnahmen minimiert werden. Dies ist dann der Fall, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: Erstens müssen Arbeitsabläufe so festgelegt werden, dass sie auch in Notfallsituationen nicht umgangen werden können, zweitens müssen Schulungen und jährliche Unterweisung der Beschäftigen erfolgen und drittens muss ein erprobtes Entsorgungssystem für verwendete Instrumente existieren. Die Beurteilung wird nach unserer Auffassung in der Mehrheit der Fälle zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Verwendung der Sicherheitsprodukte obligatorisch ist. Hauptgrund hierfür dürfte sein, dass nahezu alle Arbeitsabläufe in Notfallsituationen umgangen werden können.
Sind Unterweisungen notwendig?
Für besonders gefährliche Tätigkeiten – der Umgang mit spitzen und scharfen Medizinprodukten gehört hier eindeutig hinzu – ist der Unternehmer verpflichtet, arbeitsplatzspezifische Betriebsanweisungen zu erstellen und seine Beschäftigten regelmäßig (i.d.R. einmal im Jahr) zu schulen und zu unterweisen. Die Unterweisungen sollten im Regelfall anhand der Betriebsanweisungen erfolgen. Werden nun auf Grund der neuen Rechtslage Sicherheitsprodukte eingeführt, sind nach Maßgabe der Technischen Regel die Beschäftigten bei der Auswahl geeigneter Produkte möglichst zu beteiligen; außerdem müssen diese vor der Einführung der Sicheren Instrumente im richtigen Umgang geschult und unterwiesen werden. Diese Schulungen werden teilweise auch von den Herstellern der Sicherheitsinstrumente angeboten, die die Einführung ihrer Produkte mit eigenen Schulungsmaßnahmen flankieren.
Haftungsrisiko
Technische Regeln wie die TRBA 250 geben den „Stand der Technik“ wieder, der nach den Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes und der Biostoffverordnung einzuhalten ist. Sie erfüllen die Vermutungswirkung, d.h. der Verantwortliche kann von einer rechtssicheren Erfüllung der Biostoffverordnung ausgehen, wenn er die Anforderungen der TRBA 250 einhält. Es ist nur dann zulässig, von den Vorgaben einer technischen Regel abzuweichen, wenn das gleiche Schutzziel mit anderen Mitteln erreicht wird. Dies ist im Einzelfall auf Verlangen der zuständigen Behörde nachzuweisen. Eine Nichtbeachtung dieser Vorschriften kann daher im Schadensfall rechtliche Konsequenzen haben. Möglich sind beispielsweise Regressforderungen der Unfallversicherungsträger an den Arbeitgeber. Für den Fall, dass es durch Kanülenstichverletzungen zu Forderungen an den Unfallversicherungsträger kommt, wird dieser zwar auf Grund seiner Rolle als Pflichtversicherer für die Schäden aufkommen, allerdings in Zukunft genau prüfen, ob der Unternehmer die Stichverletzung nicht durch Außerachtlassung geltender Vorschriften mit verschuldet hat. Dem Unternehmer obliegt dann der Nachweis, dass er nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt hat. Zudem ist die Nichtdurchführung der Gefährdungsbeurteilung eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld geahndet wird.
Übergangsvorschriften
Den Arbeitsschutzbehörden wurde vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe mitgeteilt, dass für Gesundheitseinrichtungen die Möglichkeit bestehen soll, vorhandene Altprodukte bis zum 31.7.2007 aufzubrauchen; dies gilt allerdings nicht für Behandlung und Versorgung von Patienten, die nachgewiesenermaßen mit Erregern der Risikogruppe 3 oder höher infiziert sind. Die Neubeschaffung Sicherer Instrumente hat sofort zu erfolgen.
Kosten der Umstellung
Die Mehrkosten der Sicherheitsprodukte wurden in einer Studie der Universität Wuppertal ausgehend von der Bezugssituation eines Krankenhauses der maximalen Versorgungsstufe mit 1.000 Betten durch eine Befragung von 10 Herstellern bestimmt. Im Jahr 2003 hätte die Umstellung auf Sicherheitsprodukte für das 1.000-Betten-Krankenhaus der Maximalversorgung noch rund 156.000 € gekostet, im Jahr 2006 lagen die Mehrkosten immer noch bei 116.000 €, also bei 116 € pro Krankenhausbett. Dies entspricht einem Rückgang der Kosten von rund 25 %. Die Mehrkosten für die flächendeckende Einführung Sicherer Instrumente in der Bundesrepublik Deutschland liegen demnach bei derzeit 530.000 Krankenhausbetten voraussichtlich bei 61 Mio. €.