Niemand kann auf Dauer improvisieren
Frau Eberhardt, ZVSHK und GSW haben gerade eine Studie vorgestellt, deren Mitautorin Sie sind. Die Studie befasst sich mit pflegegerechten Bädern – und zwar geht es Ihnen um ambulante Pflege in privaten Haushalten. Wie dringlich sehen Sie die Situation?
Birgid Eberhardt: Bedingt durch die Alterung der Gesellschaft wächst die Anzahl derjenigen, die eine barrierefreie Wohnung für sich selber benötigen. Gleichzeitig benötigt diese Altersgruppe auch bei ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln eine Badsituation, die sie bei Besuchen nutzen kann.
Die gleiche Personengruppe möchte in dem Fall, in dem eine Unterstützung bei der kleinen oder großen Körperpflege notwendig wird, auch gerne in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Konkret bedeutet dies dann, dass häufig zunächst sorgende und pflegende Angehörige, später ambulante Pflegekräfte zusammen mit den pflegebedürftigen Personen im Bad agieren. Und hierfür sind die Bäder heute nicht ausgelegt. Und bei Umbauten wird diesem Umstand nicht Rechnung getragen. Ein Umdenken ist daher sehr dringlich.
Pflege zu Hause, auch mit Unterstützung, hat im Vergleich zur den stationären Möglichkeiten seine Grenzen – wir würden Sie diese definieren?
Birgid Eberhardt: Wir haben in unseren Workshops die ambulanten Pflegekräfte gefragt, wo sie die Grenzen für die Pflege zuhause sehen. Ihre Antworten waren, geschmückt mit vielen konkreten Beispielen, eindeutig: Jede Pflegeassistenz im Bad benötigt Platz für mindestens zwei Personen (Klient und Pflegekraft). Ist dies nicht gegeben, ist eine Pflegeassistenz im Bad von vorneherein ausgeschlossen. Die Pflege außerhalb des Bades wird als keine dauerhafte Alternative angesehen. Die Zugangstür im Bad darf nicht zu eng sein und die Türschwelle bzw. -stufe nicht zu hoch. Unterstützung im Bad beginnt mit einer Person, die eine andere unterhakt – und diese benötigen bereits mehr Platz als jede andere Gehhilfe. Nutzt die pflegebedürftige Person einen Rollator oder Rollstuhl, muss dieser sowohl ins Bad geschoben werden als auch rangiert werden können. Kann die Badewanne nicht mehr genutzt werden, muss die Dusche für Klienten am Rollator oder im Duschstuhl zugänglich sein. Der Platz neben dem Waschbecken muss ausreichend sein, um die pflegebedürftige Person beim Zähneputzen, Haare waschen etc. zu unterstützen. Werden Hilfsmittel benötigt (z.B. Toilettenerhöhung, Badewannenlifter, Haltegriffe), müssen diese verfügbar sein. Weder sorgende und pflegende Angehörige noch Pflegekräfte können auf Dauer und ohne Gefahr, sich auch selber zu schädigen, improvisieren!
Was könnten Betreiber stationärer Pflegeeinrichtungen aus Ihren Erkenntnissen Ihrer Einschätzung nach lernen?
Birgid Eberhardt: Das private Bad stellt eine besondere Herausforderung dar, da es sowohl den Pflegebedürftigen und Pflegekräften dienen muss, gleichzeitig aber auch von Familienangehörigen oder Gästen gerne genutzt werden soll. Das private Bad kann daher nicht einem typischen Pflegebad in einer stationären Einrichtung gleichen. Und hier könnten Betreiber stationärer Einrichtungen aktiv werden. Pflegebäder, die ich kenne, funktionieren – aber alle anderen Aufgaben (Wohlfühlen, Entspannen, …) erfüllen sie nur im Ausnahmefall. Daher wäre es toll, gemeinsam mit der Industrie daran zu arbeiten, auch für stationären Einrichtungen schöne Bäder zu entwickeln, die gleichzeitig die Selbständigkeit der Bewohner und Bewohnerinnen unterstützen (Dusch-WC, ggfs. mit Lifter etc.).
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