Aus den Kliniken

Schonende Robotertechnik in der Thoraxchirurgie

08.03.2023 - Am Universitätsklinikum Ulm wurden die ersten roboter-assistierten Operationen an der Lunge mit dem „daVinci” durchgeführt.

Chirurgische Eingriffe mit dem daVinci-Operationssystem sind längst keine Seltenheit mehr und gehören auch am Universitätsklinikum Ulm (UKU) zur Routine. Bislang wurde der OP-Roboter primär in der Urologie und der Viszeralchirurgie verwendet. Nun kommt das hochentwickelte System auch in der Thoraxchirurgie zum Einsatz. Unter der Leitung von Prof. Dr. Bernd Mühling wurden in der Sektion für Thorax- und Gefäßchirurgie bereits die ersten daVinci-Operationen an der Lunge durchgeführt.

Minimalinvasiv, also mit kleinstmöglicher Einschnittstelle, präzise und hocheffizient: Aufgrund dieser Eigenschaften ist der daVinci, ein Operationssystem der roboter-assistierten Chirurgie, bereits seit einigen Jahren am UKU ein zuverlässiger Begleiter im OP. Das System besteht aus einer Chirurgen-Konsole, einem Rechnerturm und einem Patientenwagen – dem Herzstück des daVinci. An der Konsole sitzt der Operateur und sieht die Instrumente sowie das Operationsfeld dank hochmoderner Kamera- und Lichttechnik dreidimensional und zehnfach vergrößert vor sich auf einem Bildschirm. Mit viel Fingerspitzengefühl werden die kleinen Hebel und Schalter der Konsole vom Operateur bedient. In Echtzeit werden diese Befehle an den Roboter weitergeleitet, der die Bewegungen und Griffe mit den vier Armen samt Operationsinstrumente am Patienten bzw. an der Patientin ausführt und dabei jedes noch so kleine Zittern ausgleicht. Die Hauptverantwortung und Steuerung der Operation liegt somit nach wie vor bei den Chirurgen – der daVinci ist vielmehr als ihr verlängerter Arm zu sehen.

Bis vor Kurzem diente der daVinci vor allem den Chirurgen der Urologie und Viszeralchirurgie als Unterstützung und kam unter anderem bei Prostatektomien, also der chirurgischen Entfernung der Prostata infolge eines Prostatakrebs, sowie der Ösophaguschirurgie, der Beseitigung bösartiger Zellwucherungen im Bereich der Speiseröhre, zum Einsatz.

„Das Besondere am daVinci-System ist die gute Visualisierung über die Kamera, die flexiblen Freiheitsgrade und das geringe Zugangstrauma durch die beweglichen Instrumente. Diese erlauben es, auch in anatomisch schwer zugänglichen Bereichen zu arbeiten”, erklärt Prof. Dr. Bernd Mühling, Leiter der Sektion für Thorax- und Gefäßchirurgie. Seit Herbst 2022 kommt das hochentwickelte System zur computergestützten Operation am UKU vermehrt auch in der Thoraxchirurgie zum Einsatz. Hier assistiert der daVinci mitunter bei der Behandlung von Pneumothoraxen, womit die krankhafte Luftansammlung im Brustkorb zwischen dem inneren und äußeren Lungenfell gemeint ist. Gründe für den verzögerten Einsatz des Roboters im Bereich der Thoraxchirurgie gibt es einige, wie Prof. Mühling verdeutlicht: „Der Hauptgrund ist zum einen die Logistik, das heißt die Verfügbarkeit des Systems, die mit den anderen Disziplinen abgestimmt werden muss. Zum anderen gibt es eine gewisse Lernkurve beim Einsatz des OP-Roboters, die vorab zu bewältigen ist. Gerade Lungenresektionen zählen aufgrund der Technik und der möglichen Komplikationsrate zu den anspruchsvollsten Eingriffen in der Chirurgie – man kann sich praktisch keinen Fehler erlauben. Aus diesen Gründen war die Hemmschwelle, den daVinci im Thorax einzusetzen, sicherlich höher.“

Das Operieren mit dem daVinci-System erfordert eine umfassende Ausbildung in Form von theoretischen und praktischen Trainings, die zum Teil im Selbststudium, zum Teil über die Herstellerfirma organisiert werden. Außerdem sind Hospitationen und sogenannte Proctorings – Operationen unter Supervision eines erfahrenen daVinci-Operateurs – erforderlich, bevor die ersten Eingriffe selbst durchgeführt werden können. Die umfangreiche Ausbildung lohnt sich jedoch in vielerlei Hinsicht. „Der Mehrwert durch eine Operation mit dem daVinci besteht in der geringeren Belastung der Patientinnen und Patienten durch kleinere Schnitte sowie in der exzellenten Übersicht des OP-Feldes für die Chirurginnen und Chirurgen”, sagt Prof. Dr. Mühling. Darüber hinaus verkürzt sich auch die Dauer der Operation, was dazu führt, dass Patienten nicht mehr so lange in Narkose versetzt werden müssen und die Wunden dank des minimalinvasiven Eingriffs schneller heilen. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass sich der Klinikaufenthalt insgesamt verringert.

Das roboter-assistierte Operieren bietet also viele Chancen und steckt sozusagen noch in den Kinderschuhen. Eines ist jedoch jetzt schon absehbar: Die Chirurgie wird in Zukunft immer technischer und der technologische Fortschritt dringt auch in die Operationssäle vor. „Die Tendenz ist sicherlich, den Roboter noch mehr und regelhaft in allen Bereichen einzusetzen. Weitere zukünftige Einsatzmöglichkeiten bestehen theoretisch darin, dass ein erfahrener daVinci-Operateur über große Entfernungen Eingriffe durchführt und so nicht zwingend im Operationssaal anwesend sein muss. Vor dem Hintergrund des Nachwuchsmangels in der Chirurgie und des Mangels an erfahrenen Operateuren könnte dies eine Einsatzmöglichkeit sein, die sich zwangsläufig ergibt“, vermutet Prof. Dr. Mühling.

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