Slow Living - Nachhaltige Innenarchitektur im Gesundheitswesen
28.04.2021 - Nachhaltige Innenarchitektur hat viele inspirierende Facetten.
Idealerweise wird sie deswegen nicht separat als Silowissen betrachtet, sondern als Normalität in zeitgemäße Entwürfe integriert. Ambitioniert nachhaltige Gebäude werden weltweit gebaut, zuweilen ausgezeichnet und aufwendig, mit entsprechenden Kosten verbunden, sogar zertifiziert. Egal wie, gemeinsam mit Architektur und Städtebau verwandelt sich auch die Innenarchitektur zum umweltgerechten und grünen Lebensraum, den wir uns heute für die Zukunft wünschen. Ein Beitrag von Sylvia Leydecker.
Traditionelle Architektur aus lokal in der Natur vorgefundenen Materialien – von Holz über Pflanzenfasern, Blättern, Gräsern hin zu Stein und Erde – sind originäre Paradebeispiele nachhaltiger, perfekt in den natürlichen Kreislauf integrierter Architektur. Davon haben sich die meisten Kulturen im Lauf der Zeit entfernt, sodass wir nun wieder im Sinne von Cradle-to-cradle, diesmal mit Hilfe des technischen Fortschritts, umweltgerechte Raumlösungen im Sinne einer Circular Economy brauchen, die der Umwelt guttun, statt sie zu zerstören.
Zu diesem Zweck werden Produkte mit Siegeln versehen. Angefangen beim Blauen Engel als vertrautem Umweltzeichen, werden Produktionsprozesse vom Material über die Herstellung, Verpackung, Transport und Entsorgung insgesamt betrachtet, wie z. B. beim EPD-Label. Lokale Produktion und Verkürzung der Transportwege, energieeffiziente Herstellung und der Gewässerschutz, können dabei Kriterien sein.
Kritische Fragen stellen sich aber auch, wenn z. B. hinsichtlich FSC-zertifizierter Hölzer aus sogenanntem nachhaltigem Anbau zuvor für deren Anbau Regenwald abgeholzt wurde – oder bzgl. des Textils, wenn ungeachtet aller sozialen Verantwortung unter menschenverachtenden Umständen in Billigwebereien gefertigt wurde.
Den Überblick zu behalten ist schwierig, denn vielfältige Faktoren spielen eine Rolle, die es erforderlich machen, sorgfältig über die Wahl von Bodenbelägen, Wandoberflächen, Licht, Farbe und Textilien nachzudenken, insbesondere wenn es um die wahren Kosten geht. Letzten Endes spielt auch hier, genau wie bisher, das Marketing eine große Rolle, weil es um das Vertrauen hinsichtlich Marken und Produkten geht, und darum, lukratives Greenwashing von echter Umweltgerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu unterscheiden.
Zirkuläre Kreisläufe
Die Industrie arbeitet an Lösungen, Planern die passenden Produkte zu liefern. Zunehmend wird vom Bodenbelag bis hin zum Stuhl aus recycelten Materialien produziert, um den Verbrauch von natürlichen Ressourcen und Rohmaterialien zu reduzieren. Darum muss es sich nicht unbedingt um Downcycling und minderwertige Qualität handeln, denn von Upcycling spricht man, wenn aus alten PET-Flaschen hochwertige Böden gewebt werden, gerne inklusive klimaneutraler Kataloge. Der Manufakturgedanke erlebt eine Renaissance, sei es bester Qualität, manchmal um die Ecke oder in exotischen Gefilden, wo z. B. Körbe en masse für den Organic Lifestyle geflochten werden.
Biokunststoffe verringern als Compositmaterial den Ressourcenverbrauch von Erdöl, was durchaus positiv ist, bei Massenprodukten. Was aber wichtig ist: biobasiert, auf Basis tierischer oder pflanzlicher Ressourcen, sind sie nicht unbedingt biologisch abbaubar, wogegen biologisch abbaubare Biokunststoffe nicht unbedingt aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Außerdem stellen Biokunststoffe wegen ihrer Bilanz laut Umweltbundesamt keine Verbesserung zum fossilbasierten Kunststoff, dar. Er ist daher leider kaum nachhaltig, darf aber genau deswegen hier nicht fehlen, denn die Erwartungshaltung wäre sonst vermutlich eine andere.
Unabhängig vom Einsatz neuer Produkte, lohnen sich Reparatur und Second Hand, was nachhaltige Nutzung nach dem „Kaskadenprinzip“ (wiedernutzen, reparieren, entsorgen) bedeutet. Das betrifft berühmte Designklassiker aus zweiter Hand genauso wie Noname-Vintagestücke, die damit der Konsum- und Wegwerfmentalität trotzen. Beides findet sich zuhauf in den Haushalten von Senioren und kann entweder zur biografischen Therapie und Ausstattung von Altenheimen sinnvoll und kostengünstig verwendet oder anderweitig genutzt werden. Retro kann dabei, um kein Museum entstehen zu lassen, mit zeitgenössischen Komponenten in neuen Kontext gesetzt werden, Patina ist dabei durchaus erwünscht und Flexibilität in der Mehrfachnutzung State of the Art.
Der Einsatz natürlicher und unbehandelter Materialien wie echtes Holz, Naturfasern, Naturstein, Papier oder Baumwolle, Leinen und Wolle, Leder, werden für ein gesundes Raumklima und Rücksicht auf die Umwelt, geschätzt. Leider stehen dem zuweilen je nach Nutzung, unverzichtbare Funktionen gegenüber, die z. B. Hygiene und Reinigungsfähigkeit oder Brandschutz betreffen. Lebensnotwendige und gesundheitliche Sicherheit muss daher an dieser Stelle Priorität haben, solange es keine anderen adäquaten Lösungen gibt, deren Nutzen das Risiko übersteigt.
Pflegeheime profitieren davon, dass die Raumluftqualität, zunehmend in den Fokus rückt. Der Verzicht auf bedenkliche Inhaltsstoffe und stattdessen niedrigen VOCs (volatylic organic compounds/flüchtige organische Verbindungen), sorgt dennoch für eine grüne, die Umwelt schonende Lösung mit schadstofffreier Innenraumluft. Toxische Stoffe, die aus Materialien wie Farben, Klebern, Textilien etc. diffundieren, gehören langsam der Vergangenheit an und frische Luft in Verbindung mit natürlichem Tageslicht der Zukunft.
Licht
Die gekonnte Kombination von Tageslicht und künstlicher Beleuchtung ist essentiell für das Wohlfühlen alter Menschen, denn es steuert den Biorhythmus, sorgt für Atmosphäre und die wichtige Sturzprophylaxe. Energieeffiziente Beleuchtung verschwendet keine Energie und mindert außerdem die Stromkosten. Neue Technologien wie thermochromes Glas, kann Verschattungen und Jalousien am Fenster elegant ersetzen oder circadianes Kunstlicht den Tagesverlauf abbilden und damit den Tag-Nachtrhythmus der Senioren unterstützen.
Funktionalisierte Oberflächen wie photokatalytische, also (fast) selbstreinigende Gläser erhöhen die Reinigungsintervalle, reduzieren nebenbei den Verbrauch von Reinigungsmitteln genauso wie Easy-to-clean-Beschichtungen auf Sanitärobjekten, wogegen antibakterielle Beschichtung z. B. auf Tischplatten, Griffen oder Lichtschaltern die Hygiene nachhaltig unterstützen kann. Integrierte Latentwärmespeicher im Putz, reduzieren den Energieeinsatz für Wärme und Kühlung. Das waren einige Beispiele, die im Einzelnen wichtig sein können aber nicht müssen, denn um nachhaltig zu planen, braucht es einen Anfang und eine Zukunftsperspektive.
Weniger, aber besser
Es ist immer wieder aufs Neue wichtig, ein ganzheitliches Bewusstsein für die verschiedenen Faktoren und der gesellschaftlichen Verantwortung die damit einhergeht, zu entwickeln. Längst keine neue Idee, wurde sie bereits vor einem halben Jahrhundert von Designern wie Vance Packard eingefordert. Die Motivation, unsere gefährdete Umwelt zu retten, kann daher in der Innenarchitektur mit ihren vielen Facetten und Möglichkeiten nur bedeuten, Inspiration im Sinne der Nachhaltigkeit umweltgerecht weiterzuentwickeln.
Slow Living ist für die meisten Senioren gelebte Normalität, die sinnliche Erfahrung mit echten und authentischen Materialien und der Verbrauch lokaler Produkte trotz Wirtschaftswunder, zumindest Teil der gelebten Biografie. Daran anzuknüpfen, scheint einfach nur natürlich, daher gilt es heute eine neue Balance zu finden.
Weniger aber bessere, sorgfältig kuratierte Produkte und die flexible Umnutzung von Gebäuden, sind die bessere Wahl. Verminderter Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoß, gesteigerte Ressourceneffizienz, Reduktion von Abfall, Energieeffizienz statt Verschwendung und soziale Verantwortung sind Aspekte, die untrennbar mit der Innenarchitektur verwoben sein müssen.
Barrierefreiheit im Sinne ohne fremde Hilfe auffindbarer und nutzbarer Räume, schafft zudem Nachhaltigkeit in der Nutzung von Immobilien, durch den Erhalt der Selbständigkeit von Senioren und ein menschliches Miteinander. Die vielfältigen Faktoren gehen dann nicht nur mit Flexibilität und einer gesunden Raumatmosphäre, sondern durch technologischen Fortschritt auch mit einem gewissen Level an Komfort einher – bis hin zu AAL-Systemen (Ambient Assisted Living), angewandter KI (Künstlicher Intelligenz) und Robotik. Die Maximierung der ästhetischen Raumqualität ist dabei Bestandteil der Funktion, ohne den es auch in Zukunft nicht erreichbar ist, dass wir uns in Innenräumen wohlfühlen.
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