Stereotaxie-Systeme aus dem 3D-Drucker
11.06.2021 - Ein Forschungsteam vom Fraunhofer IPA zusammen mit der inomed Medizintechnik GmbH einen Weg gefunden, Stereotaxie-Systeme mittels 3D-Druck aus Kunststoffen herzustellen – kostengünstig und mit neuen Designmöglichkeiten.
Stereotaxie-Systeme sind spezielle Vorrichtungen, die bei neurochirurgischen operativen Eingriffen zum Einsatz kommen. Bislang sind sie aufwendig in der Herstellung und aufgrund klassischer Fertigungsmethoden geometrisch limitiert.
Wer an Parkinson leidet und einen Hirnschrittmacher eingesetzt oder wer bei Verdacht auf einen Hirntumor eine Gewebeprobe entnommen bekommt, bei dem kommt im Operationssaal ein sogenanntes Stereotaxie-System zum Einsatz. Das ist eine Vorrichtung, in die Neurochirurgen den Kopf ihres Patienten einspannen. Es dient als Referenzsystem, mit dessen Hilfe Ärzte ihre Instrumente punktgenau an der Stelle ansetzen können, wo sie ihren minimalinvasiven Eingriff vornehmen müssen.
Maßgenauigkeit ist daher die wichtigste Anforderung, die ein Stereotaxie-System erfüllen muss. Da Stereotaxie-Systeme als wiederverwendbare Medizinprodukte aufbereitet werden, müssen sie nach dem Eingriff gereinigt, desinfiziert und sterilisiert werden. Dabei sind sie hohen Drücken und Temperaturen sowie erhöhten pH-Werten ausgesetzt, die sie unbeschadet überstehen müssen. Die aktuellen Stereotaxie-Systeme enthalten in der Regel Elemente aus Titan, Aluminium und Edelstahl. Diese Metalle haben aber einen großen Nachteil: Sie stören bei der Bildgebung. Bei der Computertomographie verursachen metallische Werkstoffe im Bild Artefakte durch Absorption der Röntgenstrahlung oder Streustrahlungen. Es entstehen Blendenflecke im Bild.
Drei additive Fertigungsverfahren im Test
Die Einzelteile der Stereotaxie-Systeme werden bisher mit spanenden Verfahren hergestellt, was teuer ist und viel Zeit kostet. Da die Systeme keine Einmalprodukte sind, sondern mehr als 100 Operationen überstehen müssen, werden Stereotaxie-Systeme in Kleinserien gefertigt. Das treibt die Herstellungskosten zusätzlich in die Höhe. Ein Forschungsteam vom Zentrum für additive Produktion am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA hat deshalb zusammen mit der inomed Medizintechnik GmbH nach Wegen gesucht, wie sich qualitativ hochwertige Stereotaxie-Systeme aus Kunststoff kostengünstig mittels 3D-Druck herstellen lassen.
Drei mögliche additive Fertigungsverfahren haben sich Karin Chen und Patrick Springer vom Fraunhofer IPA sowie Lea Braun, Thilo Krüger und Oliver Weihberger von inomed Medizintechnik dabei genauer angeschaut: die Stereolithographie (SLA), das Selektive Lasersintern (SLS) und das Fused Layer Modelling (FLM). Mit allen drei Verfahren haben die Projektpartner testweise einzelne Komponenten eines Stereotaxie-Systems hergestellt. Anschließend haben sie überprüft, inwiefern die Testdrucke den Anforderungen im OP-Saal gerecht werden.
Durchgesetzt hat sich dabei das FLM-Verfahren. Für den Einsatz in dieser Anwendung eignen sich besonders sogenannte Polyetherketone oder Polyetherimide. „Diese Kunststoffe stören die Bildgebung überhaupt nicht“, sagt Chen vom Zentrum für additive Produktion. „Bei Tests war der Kunststoff als transparente hellgraue Fläche zu sehen und ließ sich mühelos von dem Knochen unterscheiden, den wir mit Röntgenstrahlung durchleuchtet haben.“
Produktdesign und 3D-Druckverfahren werden nun weiterentwickelt
Der erste Schritt hin zu hochwertigen und dennoch kostengünstigen Stereotaxie-Systemen aus dem 3D-Drucker ist also getan. Doch bis zur Serienproduktion ist es noch ein weiter Weg. In den kommenden zwei Jahren wird das Forschungsteam vom Zentrum für additive Produktion am Fraunhofer IPA zusammen mit inomed Medizintechnik die entsprechende Fertigungstechnik entwickeln. Parallel dazu wird das Produktdesign der Stereotaxie-Systeme so weiterentwickelt, dass sie sich additiv produzieren lassen und dabei genauso präzise und robust sind wie ihre Vorgänger aus Metall. Es entsteht also eine ganz neue Generation von Stereotaxie-Systemen mit einem neuartigen Design.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Forschungsprojekt »S2MedPrint«, das am 1. Mai 2021 angelaufen ist, mit rund 218 000 Euro.
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