Studienzentrum am Kreiskrankenhaus Wolgast eröffnet
23.03.2024 - Am Kreiskrankenhaus Wolgast wurde das Untersuchungszentrum für die neue Gesundheitsstudie MV-Fit/SHIP-AGE der Universitätsmedizin Greifswald eröffnet.
Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung fand eine Ausstellung mit dem preisgekrönten Fotografen Karsten Thormaehlen statt, der 50 Arbeiten aus seiner Serie „Young at Heart“ mit jung gebliebenen Seniorinnen und Senioren zeigte. Zu den Gästen zählte auch der Direktor des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin Köln, Prof. Jens Jordan.
MV-Fit (Mecklenburg-Vorpommern Frailty Interventional Trial) ist eine großangelegte Gesundheitsstudie, die sich intensiv mit dem Thema „Gesundes Altern“ auseinandersetzt. Die Studie wird von Prof. Maik Gollasch, Direktor der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin D (Geriatrie) an der Universitätsmedizin Greifswald, geleitet und in Höhe von 2,6 Mio. Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Eigens für die Studie wurde im Kreiskrankenhaus Wolgast ein modernes Geriatrisches Untersuchungszentrum eingerichtet. Die künstlerische Ausgestaltung lag in den Händen des „Jahrhundertfotografen“ Karsten Thormaehlen, der sich mit seinen beeindruckenden Porträts von über 100-jährigen weltweit einen Namen gemacht hat.
„Mit der Studie MV-Fit starten wir heute nicht nur ein weiteres ambitioniertes und innovatives Forschungsvorhaben. Zugleich knüpfen wir an unsere langjährige erfolgreiche Bevölkerungsmedizin an, mit der wir neue Maßstäbe für eine bessere Prävention und Krankenversorgung setzen konnten“, betonte der Wissenschaftliche Vorstand der Unimedizin Greifswald, Prof. Karlhans Endlich. „Insbesondere von der Einbeziehung der in unserem Bundesland in der Bevölkerung weit verbreiteten eingeschränkten Nierenfunktion und der Folgen erhoffen wir uns wichtige neue Erkenntnisse.“
Chronische Nierenerkrankungen (CKD) sind ein entscheidender Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Sterblichkeit bei älteren Menschen. Mecklenburg-Vorpommern hat laut der Greifswalder SHIP-Studie (Study of Health in Pomerania) bei eingeschränkten Nierenfunktionen die höchste Verbreitung in Deutschland und Europa. Mit der MV-Fit-Studie in einer Laufzeit von zunächst drei Jahren sollen wissenschaftliche Erfahrungen gewonnen werden, um Nierenkrankheiten und Gebrechlichkeit zukünftig möglichst frühzeitig zu erkennen und Stürze zu vermeiden. Ziel ist ein gesundes Altern mit einem möglichst langen eigenständigen und selbstbestimmten Leben.
Mehrere Untersuchungswellen geplant
„In unserer Studie MV-Fit analysieren und bewerten wir den Gesundheitszustand von Frauen und Männern ab 65 Jahren im Sinne eines gesundes Alterns“, erläuterte Studienleiter Prof. Maik Gollasch. „Die Analyse und Bewertung dient der Vermeidung von Gebrechlichkeit (Frailty) und Stürzen im Alter. Wir wollen dabei schwerpunktmäßig die Auswirkungen einer eingeschränkten Nierenfunktion auf die Gebrechlichkeit bei älteren Menschen untersuchen und können dafür auch den umfangreichen Datenschatz der langjährigen SHIP-Studie nutzen.“
In der Studie erhalten alle Teilnehmenden eine sehr umfangreiche geriatrische Untersuchung, die Messungen des Blutdrucks und Kreislaufs, der körperlichen Aktivität, der Nierenfunktion, Knochendichte, Muskelmasse und Fettverteilung. „Aus den Ergebnissen leiten wir persönliche Empfehlungen wie beispielsweise therapeutische Trainingsprogramme, altersgerechte Ernährung und Medikamentenverträglichkeit ab und stellen diese den Probanden zur Verfügung“, so der Facharzt für Innere Medizin, Geriatrie und Nephrologie. Die Untersuchungen sollen regelmäßig über drei Jahre wiederholt werden, um mittel- und langfristige Veränderungen im Gesundheitszustand älterer Menschen erforschen zu können.
Einzigartige Komplexität der Untersuchungen
Bei den etwa vier- bis sechsstündigen Untersuchungen mit Pausen kommen eine Vielzahl neuster Messmethoden zum Einsatz. So erfolgt die Sturzrisikoeinschätzung durch einen elektronischen Ganganalysenteppich, der mit 30.000 Sensoren ausgestattet ist. Die Knochendichtemessung (DXA) wird mit einem digitalen Röntgenverfahren mit minimaler Strahlendosis erfasst. Mittels bioelektrischer Impedanzanalyse kann die Körperzusammensetzung bestimmt werden.
Die Finapres-Methode gilt als Goldstandardverfahren der unblutigen ganzheitlichen Kreislaufmessung. Die Pulswellenanalyse gibt Aufschluss über die Funktionsweise des Gefäßsystems und der Kreislaufsituation. Eine umfassende Nierenfunktionsuntersuchung dient der genauen Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Hochleistungsorgans.
Zum Untersuchungsprogramm gehören ferner medizinische Basismessungen, ein Interview und drei Fragebögen zum Allgemeinbefinden, zum Schlafverhalten und zur Beweglichkeit.
„Das Untersuchungsprogramm bietet eine einzigartige Komplexität an Informationsgewinnung“, unterstrich Prof. Maik Gollasch, „die uns weitreichende Erkenntnisse ermöglichen kann.“ Zum Team gehören zwei Fachärzte, eine Studienkoordinatorin sowie vier Studienschwestern.
Kooperation mit der Raumfahrtmedizin
Die Sprungkraft der Beine wird direkt mittels einer speziellen Sprungkraftplatte gemessen. Diese Methode wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln entwickelt, um die Sprungkraft von Astronautinnen und Astronauten vor und nach Flügen in das Weltall zu beurteilen. Die Sprungkraft wird vollautomatisch bestimmt, auch wenn ein sichtbares Abheben nicht möglich ist.
„Am DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin forschen wir, um Menschen im Weltraum, in der Luftfahrt und auf der Erde gesund und leistungsfähig zu erhalten. Dabei gibt es viele Berührungspunkte zwischen Raumfahrtmedizin und Altersmedizin“, hob der Direktor Prof. Jens Jordan hervor. „Die extremen Umweltbedingungen im Weltraum wie Schwerelosigkeit, Strahlenbelastung und Isolation bewirken körperliche Abbauprozesse, die einer Alterung im Zeitraffer gleichen. Dem wollen wir effektiv entgegenwirken, um sichere astronautische Raumfahrt zu ermöglichen, aber auch Menschen in höherem Lebensalter gesund zu erhalten. Umgekehrt können wir in der Luft- und Raumfahrtmedizin viel von älteren Menschen lernen. Die Kooperation mit MV-Fit bietet dafür fantastische Möglichkeiten.“
Jung im Herzen - Wertschätzung durch individuelle Gestaltung
Das Studienzentrum, das aus mehreren speziellen Untersuchungsräumen besteht, wurde mit großformatigen Fototapeten des Künstlers Karsten Thormaehlen ausgestaltet. Es zeigt die aktiven Protagonisten des Fotografen und auch 20 Hundertjährige, die er in vielen Ländern für die Ewigkeit eingefangen hat.
Der Rheinland-Pfälzer war weltweit für Konzerne und ihre Werbekampagnen unterwegs, bevor er sich international einen Namen als „Jahrhundertfotograf“ gemacht hat. Seit vielen Jahren befasst sich der 58-Jährige mit demografischen und soziokulturellen Auswirkungen alternder Gesellschaften und sucht dabei insbesondere den Kontakt und Austausch mit hochbetagten, aber junggebliebenen Seniorinnen und Senioren. Vor allem die Lebenserfahrung, das Authentische, die innere Ruhe und die strahlenden Augen seiner bevorzugten Zielgruppe haben es dem Fotografen angetan.
Im Foyer des Kreiskrankenhauses Wolgast werden zudem anlässlich der Eröffnung des neuen Studienzentrums 50 Werke aus seiner jüngsten Fotoserie „Young at Heart“ gezeigt.
„Mich hat das Anliegen der Studienteams gereizt, durch eine individuelle Gestaltung den Probanden eine besondere Wertschätzung entgegenzubringen“, sagte Karsten Thormaehlen. „Diese Menschen sind in unseren Augen weitaus mehr als nur Gegenstand der Untersuchungen. Es geht darum, die fortgeschrittene Lebensphase ins positive Licht zu rücken und die berechtigten Bedürfnisse der älteren Generation stärker wahrzunehmen.“
Diesem Ansatz schloss sich Prof. Maik Gollasch an, der auch seit 2019 das Altersmedizinische Zentrum am Kreiskrankenhaus Wolgast leitet. „Neben den personalisierten Ansätzen für die einzelnen Probanden geht es bei unserer Studie vor allem darum, die Gesundheitsversorgung älterer Menschen nachhaltig zu verbessern.“
Teilnahme an der Studie MV-Fit
Frauen und Männer ab 65 Jahren, die gern an der Studie teilnehmen möchten, können sich bei dem Probandenmanagement melden: telefonisch unter 03834–86 19 577 oder per Mail an kontakt-mvfit@med.uni-greifswald.de