Gesundheitspolitik

VKD: Die Hälfte der Krankenhäuser ist gefährdet

15.05.2012 -

Ein Gesetz, das auf veralteten Zahlen und bloßen Vermutungen beruht, ist ein schädliches Gesetz. Die jetzt von den Regierungsparteien geplanten neuen Regelungen für die Finanzierung der deutschen Krankenhäuser müssen genau so bewertet werden: Schlecht für die Krankenhäuser, gefährlich für die stationäre Gesundheitsversorgung in Deutschland und damit letztlich vor allem für die Patienten.

„Die in jüngster Zeit immer wieder erneuerten Behauptungen mancher Gesundheitspolitiker und auch des Spitzenverbandes der Krankenkassen, wonach es den Kliniken doch überaus gut gehe, lassen sich durch Zahlen und Fakten nicht mehr belegen. Genau das Gegenteil ist der Fall", erklärt der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), Dr. Josef Düllings.

Eine aktuelle Umfrage unter 1.800 Mitgliedern seines Verbandes belegt das jetzt sehr deutlich: Während in der gesundheitspolitischen Diskussion derzeit von „nur" 20% insolvenzgefährdeten Krankenhäusern die Rede ist, sieht die Wirklichkeit im Jahr 2012 ganz anders aus. Danach sind vor allem die allgemeinen Krankenhäuser, die bis zu 250 Betten vorhalten, zu 57% gefährdet.

Diese Häuser machen aber mehr als die Hälfte der Krankenhäuser insgesamt aus. Sie sind vor allem auch die Garanten der Gesundheitsversorgung in Flächenregionen. Betroffen sind aber ebenfalls viele andere Kliniken unabhängig von ihrer Größe und Trägerschaft. „Das sind nicht nur kommunale Häuser, sondern auch freigemeinnützige und private", erläutert Düllings. Es handele sich also nicht um individuelles Versagen von Trägern oder Management. „Hier liegt ein Systemfehler vor, der schnell behoben werden muss."

Zusammengefasst zeigt die Umfrage,

  • dass 43% der Allgemeinkrankenhäuser das Jahr 2011 mit einem Defizit abgeschlossen haben,
  • dass dieser Anteil bei den Allgemeinkrankenhäusern unter 250 Betten (ohne Fachkrankenhäuser) mit 57% am höchsten ist,
  • dass der Anteil der Allgemeinkrankenhäuser, die ihre Zukunft aus eigener Kraft meistern können, bei nur noch 9% liegt, da auch die Investitionsförderung der Bundesländer seit Jahren stetig abnimmt - von rund 3,8 Mrd. € im Jahr 1993 auf 2,8 Mrd. € in 2010,
  • dass sich die Finanzlage der Krankenhäuser bis Ende dieses Jahres weiter dramatisch verschlechtern wird.

Falsch eingeschätzt

Die Politik bezieht sich in ihrer Beurteilung auf veraltete Daten aus dem Jahr 2010. Sie schätzt die Situation der Krankenhäuser in Deutschland also überwiegend falsch ein. Grund dafür dürfte sein, dass sie sich einseitig auf die Bewertung der Ausgaben für Krankenhausbehandlungen durch die gesetzlichen Krankenkassen stützt. Diese lassen aber wichtige Aspekte außer Acht.

Ebenfalls völlig unterschätzt in ihrer negativen Wirkung auf die betriebliche Entwicklung der Kliniken werden die Auswirkungen der sinkenden Investitionsförderung der Länder. Vergessen werde oft, dass Investitions- und Betriebskostenfinanzierung, wie es für die Unternehmenstätigkeit notwendig ist, als eine Einheit zu betrachten sind, so Dr. Josef Düllings.


Hauptursachen der Defizite

Die Umfrage verdeutlicht die Hauptursachen für die Defizite der Krankenhäuser. Das sind vor allem

  • die Erlöskürzungen in Höhe von 1,3 Mrd. € aus dem GKV-Finanzierungsgesetz in 2011 und 2012, die zusammen mit allgemeinen Kostensteigerungen und den aktuellen Tariferhöhungen als Treibsatz der finanziellen Schwierigkeiten wirken, sowie
  • eine falsche Kalkulationsmethode im Finanzierungssystem nach Fallpauschalen, die vor allem kleine Häuser der Grund- und Regelversorgung massiv benachteiligt und sie nach den Daten für 2011 und 2012 sogar im Bestand gefährdet.

In der Kalkulation des Fallpauschalensystems liegt aus Sicht des Krankenhausmanagements auch ein Ansatzpunkt für Veränderungen. Diese geht von einem Durchschnittskrankenhaus mit 401 Betten und 17.938 behandelten Fällen jährlich aus. Ein falscher Ansatz, da ein Durchschnittkrankenhaus laut Statistischem Bundesamt über lediglich 263 Betten verfügt und 9.946 stationäre Patienten im Jahr behandelt. Eine Refinanzierung gelingt größeren Krankenhäusern mit mehr Patienten besser als kleinen mit geringeren Fallzahlen, die in der Kalkulation aber unterrepräsentiert sind. Hier wird also zum Nachteil der kleinen Allgemeinkrankenhäuser kalkuliert, die über die Hälfte aller Häuser in Deutschland ausmachen. Aufgrund der deutlich geringeren Zahlen an stationären Patienten entsteht bei ihnen systembedingt eine Unterfinanzierung.

Ohne Frage muss aber auch, wie mehrfach von den Krankenhäusern schon gefordert, die inzwischen als verfassungswidrig erkannte Kürzung jeder Krankenhausrechnung zugunsten der Krankenkassen sofort beendet werden.

Um die Finanzlage der Krankenhäuser zu stabilisieren und zu verbessern, empfiehlt der VKD:

  • einen sofortigen und vollen Tarifausgleich in 2012,
  • die Rückgabe des Sparbeitrages der Krankenhäuser für die Krankenkassen zumindest für 2012 wegen des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage", da Gesundheitsfonds und Krankenkassen über Finanzreserven von annähernd 20 Mrd. € verfügen,
  • eine Initiative des Bundes zur Verbesserung der Investitionsförderung der Krankenhäuser. Bei aller Haushaltskonsolidierung sollte auch berücksichtigt werden, dass in den Krankenhäusern bundesweit über 1 Million Mitarbeiter beschäftigt sind, die zur Rettung, Heilung und Lebensqualität der Menschen rund um die Uhr beitragen. Steigender Bedarf und steigende Ansprüche der Patienten sind gesellschaftspolitisch längst nicht mehr nur als Kostenfaktor zu bewerten. Ihre Erfüllung ist ein wichtiger Beitrag zu Wohlstand und Lebensqualität in einem wirtschaftlich starken Land.
  • die ungekürzte Einführung des Kostenorientierungswertes ab 2013, da er ohnehin nur die Obergrenze zur Verhandlung der Landesbasisfallwerte darstellt und eine Kürzung auf eine Veränderungsrate, wie jetzt vorgesehen, wieder eine doppelte Absenkung zu Lasten der Krankenhäuser bedeuten würde,
  • die Abschaffung der Kollektivhaftung der Krankenhäuser bei Mehrleistungen einzelner Häuser - bereits bei den niedergelassenen Ärzten hat ein ähnliches Instrument nicht getaugt und wurde abgeschafft. Der VKD unterstützt hier den Vorschlag der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur Finanzierung von Leistungsveränderungen. Er sollte Grundlage einer gesetzlichen Neuregelung sein.
  • „Die Politik und auch die Krankenkassen müssen sich endlich ihrer Verantwortung für eine Krankenhausversorgung in guter Qualität für die Bürger dieses Landes bewusst werden", fordert der VKD-Präsident. „Halbherzige Entscheidungen ändern nichts an der aktuell bereits bedrohlichen Situation. Schön geredete Zahlen und populistische Vorwürfe führen zu falschen gesetzlichen Regelungen. Das können wir uns einfach nicht mehr leisten."

Schon jetzt kündigt der VKD an, die Umfrage im Herbst 2012 zu wiederholen, da dann

  • die aktuelle Gesetzgebung abgeschlossen ist,
    die Entgeltverhandlungen 2012 ebenfalls abgeschlossen sind und
    die Tarifwirkungen auch für Krankenhäuser in nicht-öffentlicher Trägerschaft feststehen dürften.

 

Kontakt

Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands VKD

Oranienburger Str. 17
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+49 30 288859 12
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