Aus den Kliniken

Warum Männer im Alter häufiger an Nierenschäden leiden als Frauen

01.06.2023 - Ein Forschungsteam des Uniklinikums Jena untersucht die molekularen Mechanismen der Nierenschädigung im Alter und bei Diabetes.

Es fand geschlechtsspezifische Unterschiede in der Rolle des Rezeptors für Advanced Glycation Endproducts, die als Auslöser von Gefäßschäden gelten, und liefert damit einen Erklärungsansatz dafür, dass Männer im Alter ein höheres Risiko für chronische Nierenerkrankungen haben als Frauen.

Bei gebratenem Fleisch, knusprigem Gebäck oder Pommes frites sorgt die Maillard-Reaktion für den typischen Geschmack. Die Reaktion verbindet Zucker- mit Eiweißmolekülen oder Fettbestandteilen ohne die Mitwirkung von Enzymen. Im Körper reagieren auf diese Weise Kohlenhydrate, wie zum Beispiel Glukose, mit körpereigenen Eiweißstoffen zu sogenannten Advanced Glycation Endproducts, kurz AGEs. Solche Glykierungsprodukte bildet auch der Blutfarbstoff Hämoglobin mit im Blut vorhandenem Zucker – das dadurch entstehende HbA1c wird als Wert für den Langzeitblutzucker verwendet und ist umso höher, je schlechter die Blutzuckereinstellung eines Patienten mit Diabetes mellitus ist.

Die AGEs entstehen kontinuierlich und summieren sich mit steigendem Alter, sie treten aber auch verstärkt bei Diabetes mellitus, Alzheimer-Demenz und Arteriosklerose auf. „Die AGEs stehen im Verdacht, eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Gefäßschäden und einer Reihe von chronischen Erkrankungen zu spielen“, sagt Prof. Dr. Gunter Wolf, MHBA, Direktor der Klinik für Innere Medizin 3 am Universitätsklinikum Jena. Im nephrologischen Forschungslabor der Klinik untersucht die Arbeitsgruppe von PD Dr. Ivonne Löffler die molekularen Mechanismen der Nierenschädigung im Alter und bei Diabetes. „Auch im Nierengewebe beobachten wir eine Anhäufung von AGEs mit dem Alter und einen Rückgang der Organfunktion“, so die Biologin, die jetzt einen der Rezeptoren für AGEs im Nierengewebe genauer unter die Lupe genommen hat.

Es gibt etwa ein halbes Dutzend solcher Rezeptoren, die in der Zellmembran sitzen und AGEs und andere Substanzen erkennen. Aktivieren diese Stoffe den Rezeptor, so löst das in der Zelle Dauerstress und eine Entzündungsreaktion aus. Es gibt aber auch AGE-Rezeptorformen im Blut, die dort AGEs an sich binden, bevor diese ihren negativen Einfluss auf die Zelle haben können. Das Forschungsteam untersuchte nun Mäuse, die aufgrund einer Genveränderung den Rezeptor RAGE nicht ausbilden konnten, und verglich sie mit nicht genetisch veränderten Wildtyptieren – jeweils in unterschiedlichen Altersstufen und beiden Geschlechtern. Ivonne Löffler: „Wir wissen, dass Männer ein höheres Risiko für altersbedingte Nierenschwäche haben als Frauen, deshalb interessierten wir uns besonders für eventuelle Geschlechtsunterschiede.“

Detailliert analysierten die Wissenschaftler die Effekte des Rezeptors bzw. seines Nichtvorhandenseins. „Wir erfassten die AGEs im Nierengewebe und eine Reihe von Biomarkern, die den Entzündungsprozess, die Gewebeveränderungen und die Schädigung der Niere kennzeichnen“, so der Medizinstudent Alexander Lübbe. Er führte einen Großteil der Messungen im Rahmen seiner Doktorarbeit durch. Die Messergebnisse verglichen die Forscher jeweils für junge und alte, weibliche und männliche, Mäuse mit und ohne RAGE-Rezeptor.

Die Befunde: Die altersbedingte Ansammlung der AGEs im Nierengewebe war bei beiden Geschlechtern ähnlich. Bei Wildtypmäusen zeigten sich erwartungsgemäß im Alter bei den Weibchen weniger Nierenschäden als bei den Männchen. In den Nieren der alten Mäuse ohne Rezeptor wurden in beiden Geschlechtern massive Einwanderungen von Entzündungszellen in das Nierengewebe beobachtet. Dies kann Reparaturmechanismen, aber auch einen Gewebeumbau zur Folge haben, der die Funktion der Nierenzellen einschränkt. Die Untersuchungen zu Gewebe- und Nierenfunktions-Markern zeigten dann, dass der Rezeptormangel vorrangig bei männlichen Tieren die alters-induzierte Nierenschädigung verstärkt. Bei den weiblichen Tieren war dieser Effekt nicht signifikant ausgeprägt.

„Dass das Fehlen eines AGE-Rezeptors nicht einfach zur Verringerung der schädlichen Wirkung der AGEs führt, zeigt das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Rezeptoren und wahrscheinlich auch Rezeptor-unabhängiger Mechanismen“, fasst Ivonne Löffler zusammen. „Die Beteiligung der Sexualhormone dabei wird in den Geschlechtsunterschieden deutlich.“ Ihre Arbeitsgruppe wird die Vertreter der Rezeptorgruppe und ihre Rolle für die chronischen Nierenerkrankungen weiter untersuchen.

Auch wenn aus dem Ergebnis keine unmittelbaren Therapiehinweise abgeleitet werden können, hat es deutlichen Praxiswert: Die AGEs, die eben auch mit bestimmten gebratenen oder gerösteten Nahrungsmitteln aufgenommen werden können, spielen eine wichtige Rolle bei der altersbedingten Nierenschädigung. Und das Geschlecht hat einen Einfluss darauf, wie der Körper auf die AGEs reagiert.

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