Wir fördern das Selbstmanagement von Jugendlichen mit Diabetes Typ 2
07.11.2024 - Weltdiabetestag am 14. November 2024
Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 200 Jugendliche neu an Diabetes mellitus Typ 2. Im Altonaer Kinderkrankenhaus und im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) des Altonaer Kinderkrankenhauses steigt die Anzahl der Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ebenso jährlich an. Sie leiden unter Adipositas, was der größte Risikofaktor für eine Diabetes Typ 2 Erkrankung ist.
Was es für Jugendliche zu beachten gilt und warum eine multimodale Therapie häufig hilfreich ist, berichtet Dr. Valentina Lahn, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und zertifizierte Adipositas-Trainerin im Altonaer Kinderkrankenhaus. Mit ihr hat das AKK seit 2023 eine zertifizierte Adipositas-Trainerin für Kinder und Jugendliche sowie deren Familien dazugewonnen.
Was beinhaltet Ihre Arbeit als Adipositas-Trainerin?
Patienten mit Adipositas haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Diabetes mellitus Typ 2. Da beide Erkrankungen oft zusammen auftreten und es bewährte Therapiemöglichkeiten gibt, um Diabetes Typ 2 zu kontrollieren, ist es mir eine Herzensangelegenheit, Familien auf ihrem Weg zu unterstützen. Meine Arbeit umfasst die stationäre und tagesklinische Schulung von Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 2 und schwerer Adipositas sowie deren Familien.
Warum bekommen heutzutage denn schon Kinder und Jugendliche Adipositas sowie Diabetes mellitus Typ 2?
Der Diabetes mellitus Typ 2 ist eine hochkomplexe Erkrankung, die noch nicht ausreichend erforscht ist. Die häufigsten Ursachen umfassen ungesunde Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel. Jedoch wissen wir heute auch, dass genetische Faktoren maßgeblich an der Entstehung beteiligt sind. Viele Jugendliche mit Diabetes mellitus Typ 2 haben mindestens ein Elternteil, das erkrankt ist. Die Vererbungswahrscheinlichkeit wird mit 50 % angegeben.
Inwieweit besteht ein Zusammenhang zwischen Adipositas und einer Diabetes Typ 2 Erkrankung bei Jugendlichen?
Der Zusammenhang zwischen Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 bei Jugendlichen ist gut belegt. Der Anstieg von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen hat zur Folge, dass die Anzahl der Typ 2 Diabetes Fälle in dieser Altersgruppe stark zunimmt. Adipöse Jugendliche tragen ein höheres Risiko, an Typ 2 Diabetes zu erkranken, da überschüssiges Körperfett, insbesondere im Bauchbereich, die Insulinempfindlichkeit beeinträchtigen kann. Dies führt dazu, dass der Körper Insulin nicht effektiv nutzen kann, was wiederum zu erhöhten Blutzuckerwerten führt.
Woran erkennen Eltern eine Diabetes Typ 2 Erkrankung bei ihren Kindern?
Die meisten Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 2 zeigen zum Diagnosezeitpunkt keine Symp-tome. Manchmal fallen erhöhte Blutzuckerwerte bei Routineuntersuchungen auf, beispielsweise, wenn bei Adipositas und familiärer Belastung durch Diabetes mellitus Typ 2 eine Blutentnahme er-folgt. Die Jugendlichen fühlen sich oft müde oder energielos, da der Körper nicht in der Lage ist, Zu-cker effektiv in Energie umzuwandeln. Die gute Nachricht: Im Vergleich zum Diabetes mellitus Typ 1 können sie meist noch gut Insulin bilden, nur wirkt das Insulin nicht ausreichend, was zu einer soge-nannten Insulinresistenz führt. Hautveränderungen (Acanthosis Nigricans), insbesondere im Nacken oder in den Achselhöhlen, können ein Hinweis auf Insulinresistenz sein.
Wie kann man Adipositas und Diabetes Typ 2 bei Kindern und Jugendlichen vorbeugen?
Adipositas entsteht durch eine komplexe Mischung aus genetischen, verhaltensbedingten und um-weltbedingten Faktoren. Um Diabetes bei Übergewicht vorzubeugen, sind diese Maßnahmen unter anderem sinnvoll:
Schritte zur Verbesserung der Ernährung und Ernährungskontrolle umfassen den Verzicht auf zuckerhaltige Getränke, die Beschränkung der Portionsgrößen, eine Umstellung auf fettarme Nahrungsmittel und die Erhöhung der Ballaststoffaufnahme durch Gemüse.
Gemeinsame Familienmahlzeiten einführen.
Regelmäßige Bewegung ist wichtig, da dadurch die Glukosekontrolle verbessert und die Ge-wichtsabnahme erleichtert wird.
Sport stärker in den Schulalltag integrieren: Insgesamt sollte vor allem an Schulen und Kitas mehr Bewegung und gesündere Ernährung eine wichtige Rolle spielen. Eine Stunde pro Woche Sportunterrichtreicht sicherlich nicht aus. Aus diesem Grund entwickelt sich die Adipositas insbesondere ab dem Einschulungsalter.
Worauf müssen Diabetes mellitus Typ 2 erkrankte Jugendliche im Alltag achten?
Kleine Alltagsveränderungen können schon große positive Auswirkungen auf den Stoffwechsel ha-ben. Vorausgesetzt, die kleinen Patienten halten sich an ein paar wichtige Spielregeln: Sie sollten täglich darauf achten, welche Nahrungsmittel sie verzehren und in welchen Mengen. Zudem ist es wichtig, dass sie sich ausreichend bewegen. Wenn ein Jugendlicher etwa zweimal pro Woche mit dem Fahrrad zur Schule fährt, verbessert das bereits seine Insulinsensitivität. Ist der Diabetes medikamentös eingestellt, müssen die Jugendlichen oft mehrmals täglich an ihre Tabletten denken.
Welche Ernährungsmaßnahmen sind besonders wichtig?
Wir schulen die Jugendlichen und deren Familien in der Ernährungsberatung nach der Ernährungspyramide. Die Vorteile liegen in der einfachen Anwendung, und darin, dass keine Lebensmittel verboten sind, sondern dass eine ausgewogene Zufuhr von Nährstoffen sichergestellt wird. Altersentsprechende Portionsgrößen sowie die Einhaltung von regelmäßigen Mahlzeiten sind auch wichtige Themen, die wir mit den Familien besprechen. Zum Beispiel sollte die Menge an Süßigkeiten, die pro Tag verzehrt wird, die Handfläche des Kindes nicht überschreiten. Ein ständiges Essen (Snacken), wie es im Kleinkindalter häufig praktiziert wird, ist nicht zu empfehlen.
Was motiviert Sie in Ihrer Arbeit als Adipositas-Trainerin am meisten?
Die Veränderung des Essverhaltens und Lebensstils erfordert viel Motivation und Selbstmanagement von den Patienten, da Adipositas eine chronische Erkrankung ist. Wir wollen auch motivieren und den Jugendlichen zeigen, dass das Leben auch mit Diabetes gut bewältigt werden kann. Daneben ist es wichtig, Begleiterkrankungen frühzeitig zu behandeln sowie den Blutzucker durch Medikamente zu kontrollieren. Dafür brauchen die Jugendlichen eine feste Anlaufstelle. Es sind besonders schöne Momente, wenn die Patienten durch die Therapie Freude an Bewegung entdecken und erste Fortschritte wahrnehmen. Im Anschluss an die stationäre Schulung zeigen die Jugendlichen häufig eine große Motivation ihren Lebensstil zu ändern. Die Herausforderung ist, diese Motivation aufrecht zu erhalten und das Selbstmanagement des Diabetes und die Eigenverantwortlichkeit zu fördern. Wenn sie dann nach der Gruppenschulung regelmäßig mit einem Lächeln in die Ambulanz kommen, wissen wir, dass wir sie erfolgreich motivieren und nachhaltig einbinden konnten.