Gesundheitsökonomie

Neubau oder Umbau – das ist hier die Frage

Die Krankenhausmodernisierung muss sorgfältig kalkuliert werden

11.03.2010 -

Um langfristig ihrem Versorgungsauftrag gerecht zu werden, müssen Krankenhäuser ihre Wirtschaftlichkeit und Qualität gleichzeitig optimieren. Dabei sind zwei Stoßrichtungen zu verfolgen: Einerseits haben Krankenhäuser ihr strategisches Leistungsspektrum klar zu definieren und medizinische Schwerpunkte herauszubilden, andererseits ist ein straffes Prozessmanagement existenziell. Vorhandene Krankenhausbauten sind zumeist schlecht geeignet, um diese Stoßrichtungen zu unterstützen: Der medizinische und medizintechnische Fortschritt im Leistungsspektrum in den vergangenen Jahrzehnten führte zu massiven Anspruchsveränderungen hinsichtlich der baulichen Gegebenheiten. Und Prozessverbesserungen können nicht ihr vollständiges Potential entfalten, wenn nicht die Wege und Räumlichkeiten in entsprechender Weise auf die heutigen Krankenhausabläufe ausgerichtet sind.

Investitionen in zukunftsträchtige Baumaßnahmen stellen einen Wettbewerbsfaktor dar. Ein modern ausgerichtetes Krankenhaus gewinnt nicht nur bei den Patienten an Attraktivität. Auch Fachärzte und fachkompetentes Management richten ihr Augenmerk auf die bauliche und technische Ausstattung eines Hauses. Die Baukosten sollen sich aus der heutigen und künftigen Leistungserbringung refinanzieren. Zur Auflösung des in deutschen Krankenhäusern aufgelaufenen Investitions- und Instandhaltungsstaus sind die meisten öffentlichen Krankenhäuser dazu aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage.

Im Sinne einer „Generalüberholung" des Krankenhausbetriebs hat das Krankenhaus zunächst zu bewerten, ob und inwieweit es seinen bisherigen Bestand umbaut oder einen kompletten Neubau anstrebt. Diese Weichen stellende Strategie ist z.B. häufig bei der Übernahme eines Klinikbetriebes durch einen privaten Investor anzutreffen, wobei private Klinikträger wie Rhön oder Helios in Bezug auf Umbau oder Neubau hier durchaus konträre Philosophien verfolgen.

Ausgangspunkt des Baukostenvergleichs von Neu- und Bestandsbau ist die bauliche Umsetzung eines Betriebsablaufkonzeptes. Die Baukosten im Bestand müssen den Baukosten eines Neubaus gegenüber deutlich geringer ausfallen. Überschlägig orientierten sich öffentliche Krankenhausträger für einen kompletten Krankenhausneubau ohne Ausstattung an einem Investitionsvolumen von rund 200.000 € pro Krankenhausbett.

Je nach bestehender Gebäudestruktur und Geschick der Betriebsplaner und Gebäudetechniker sind die Vorgaben an den Architektenentwurf so zu entwickeln, dass die Baukosten inklusive Überführung der alten Infrastruktur im Bestand um ca. 30-40% günstiger als ein Neubau sind. In der Betriebsplanung sind die Rahmenkriterien entsprechend mit Prioritäten und damit implizierten Opportunitätskosten (höhere zukünftige Betriebskosten) zu hinterlegen. Tendenziell gilt: Je höher die Kompromissbereitschaft in Bezug auf die Funktionsplanung, umso höher der Kosteneinspareffekt, aber umso größer ist auch die Gefahr der Verwässerung der Idee des Betriebsablaufkonzeptes.

Der Effekt ist abhängig von der Grundsubstanz des Bestandsgebäudes und damit nur im Einzelfall zu bewerten. Zeichnet sich die bestehende Gebäudestruktur z.B. durch eine sog. Pavillonbauweise aus, die das Ziel kurzer Wege nur schwer realisieren lässt, kommen die Baukosten mit hoher Wahrscheinlichkeit den Neubaukosten nahe, da sich vorhandene Ressourcen aufgrund der hohen Priorität des Kriteriums „kurzer Wege" kaum nutzen lassen.

Ist die Gebäudestruktur aus Prozessoptimierungssicht - ggf. nach Erweiterungsanbauten - grundsätzlich passend, dann lässt sich durch die Nutzung so viel wie möglich der alten Ressourcen, z.B. tragender Wände, technischer Infrastruktur etc., ein Großteil des Einsparpotentials realisieren. Verfügt ein Krankenhaus bereits über eine gute und solide Bausubstanz, wäre es sehr kostennachteilig, diese bei einem Neubau wiederherzustellen, da eine früher übliche Massivbauweise heute kaum noch bezahlbar ist.

Aufgrund seiner Historie liegt ein Krankenhaus meist strategisch günstig. Ziel jeglicher baulicher Maßnahmen sollte es sein, Standort bedingte Wettbewerbsvorteile zu erhalten. Ein Komplettabriss und anschließender Neubau des Krankenhauses auf dem bisherigen Grundstück ist kaum möglich, da man den Versorgungsauftrag nicht über Jahre „einfach auf Eis legen" kann. Ein neuer Standort, der außerhalb des alten Einzuggebietes liegt oder durch eine schlechtere Erreichbarkeit geprägt ist, ist grundsätzlich nicht anzuraten.

Bei einem Neubau stellt die Bauausführungsplanung den laufenden Betrieb kaum vor größere Herausforderungen, wodurch die Bauphase verkürzt wird, keine Interimslösungen notwendig werden und vor allem keine Belastung der Patientenversorgung in der Umbauphase zu spüren ist.

Allerdings bedingt der Neubau neben zusätzlichen, nichtförderungsfähigen Grundstückskosten auch weitere Kosten des Unterhalts für den Bestandsbau sowie ein Konzept für die Anschlussnutzung und dazu notwendiger baulicher Maßnahmen. Die zusätzlich benötigte Grundstücksfläche ist so lange für den Kostenvergleich zu kalkulieren, bis eine Alternativverwendung der vorhandenen Gebäude- und Grundstücksteile angenommen werden kann.

Unabhängig von der Erreichung einer optimalen Betriebsplanung - im Neubau lassen sich energetische Vorteile erzielen, die zu einem dauerhaften Unterhaltungsvorteil führen. Das Bestandsgebäude ist dann jedoch abzureißen oder einer Neunutzung zuzuführen.

Gegenüber dem Umbau ergibt sich allerdings der Vorteil, dass sich die Bauphase nicht durch notwendige Rochaden verlängert und durch Interimslösungen verteuert. Wesentliches Entscheidungskriterium bzgl. des Umbaus eines Krankenhauses ist so die Frage, inwieweit die Fortführung des laufenden Krankenhausbetriebes gewährleistet werden kann, sodass der Versorgungsauftrag des Hauses sichergestellt ist und kein Leistungs- bzw. Erlösausfall entsteht.

Ob Umbau oder Neubau - die wirtschaftliche Entscheidung bleibt einzelfallabhängig.

Investitionsfördermittel (im Auszug)

Zwischen Umbau und Neubau bleibt auch bei Inanspruchnahme von Fördermitteln durch öffentliche Träger individuell abzuwägen. Krankenhäuser haben derzeit im Zuge der dualen Finanzierung nach § 8 KHG einen Anspruch auf Fördermittel, soweit sie in den Krankenhausrahmenplan des jeweiligen Landes und in das Investitionsprogramm für Investitionen nach § 9 KHG aufgenommen sind. Die Fördermittel decken förderungsfähige, betriebsnotwendige Investitionskosten nach den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Darunter fällt z. B. die Vermeidung von Leerstandsflächen.
Unter Investitionskosten definiert § 2 KHG die Kosten der Errichtung (Neu-, Um-, Erweiterungsbau) von Krankenhäusern und der Anschaffung zugehöriger Wirtschaftsgüter (außer Verbrauchs- und Anlagegütern). Ausgeschlossen sind die Kosten des Grundstücks, des Grundstückserwerbs, der Grundstückserschließung sowie der Finanzierung, Bauunterhaltung und Instandsetzung.
Mittlerweile ist es zudem üblich, dass Häuser für einen Teil der Investitionen selbst aufkommen. Da die Finanzierung z. B. des ambulanten Bereichs grundsätzlich nicht förderfähig ist, kommt eine 100%ige Förderung heutzutage faktisch nicht mehr in Betracht.

Dr. Elke Eberts (ZeQ AG), Stefan Ruhl (ZeQ AG), Wilhelmina Katzschmann (IGB Ingenieurbüro Katzschmann)

Kontakt

Ruhl Consulting AG

EASTSITE II, Harrlachweg 1
68163 Mannheim

+49 621 328864 90
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