Hygiene

Hitze- oder Plasmasterilisation

Wirksamkeit bei hoch-resistenten Erregern am Beispiel von Prionen

14.04.2010 -

In zunehmenden Umfang setzt die moderne Medizin temperaturempfindliche Werkstoffe für die Herstellung kritischer Medizinprodukte ein. Dies führt zu einem wachsenden Bedarf für Sterilisationsverfahren, die bei Temperaturen unter 70°C oder niedriger arbeiten und die Anforderungen an die Sicherheit der Sterilisation erfüllen. Die klassischen Sterilisationsverfahren in der Medizintechnik,

  • die Sterilisation mit feuchter Hitze, also die Dampfsterilisation (Autoklav), und
  • die Sterilisation mit trockener Hitze, die Heißluftsterilisation,

stoßen bei diesen Temperaturen an ihre Grenzen.

Eingeführte Niedertemperatur-Sterilisationsverfahren sind die Sterilisation mit Ethylenoxid (EO-Sterilisation) und mit Formaldehyd in Form der Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd (NTDF)-Sterilisation. Etwa 80% aller thermolabilen Einweg-Medizinprodukte werden mit EO sterilisiert. Die NTDF-Sterilisation arbeitet in der Regel bei Temperaturen um 60°C. Da Formaldehyd im Wesentlichen nur an Oberflächen wirkt, ist die Entfernung von Rückständen aus dem Sterilgut weniger problematisch und zeitaufwendig als bei der EO-Sterilisation.

Die Vielzahl neuer Medizinproduktwerkstoffe hat zur Entwicklung neuer Niedertemperatursterilisationsverfahren geführt, die folgende Vorteile aufweisen:

  • kurze Zyklusdauer,
  • keine Desorptionsphase,
  • keine toxischen Rückstände,
  • keine besonderen Entsorgungsmaßnahmen des Gases.

Wasserstoffperoxid-Gasplasma-Sterilisation (Sterrad-Verfahren):
Anwendung von Wasserstoffperoxid-Gas bei 45 bis 55°C im Unterdruck bei 0,8 bis 1,3 kPa. Zusätzlich Erzeugung von Plasma mittels eines hochfrequenten elektromagnetischen Feldes. Der Sterilisationszyklus wird mit einem Druckausgleich-/Belüftungsschritt abgeschlossen, bei dem sowohl freie Radikale als auch Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff werden; das Sterilgut kann sofort entnommen und eingesetzt werden. Die sterilisierende Wirkung beruht auf freien Radikalen im Plasma und auf einer vom Plasma emittierten UV-Strahlung. Neben geringer thermischer Belastung besteht ein weiterer Vorteil darin, dass die Feuchtigkeit in dem Gasgemisch nur 5% beträgt und auch feuchtigkeitsempfindliche Objekte sterilisiert werden können.

Wasserstoffperoxiddampf-Sterilisation (Amsco V-Pro 1-Verfahren):
Niedertemperaturverfahren (Zyklustemperatur 50°C), bei dem im Unterdruck mit Wasserstoffperoxiddampf - allerdings ohne Erzeugung eines Plasmas - sterilisiert wird. Ähnlich wie bei der Wasserstoffperoxid-Gasplasma-Sterilisation gibt es bestimmte Beschränkungen für enge Lumina (z.B. Edelstahl 2 × 250 mm oder 3 × 400 mm). Für beide Verfahren gilt: Zur Verpackung des Sterilguts werden Folien aus Hochdruck-Polyethylen-Fasern (Tyvek) verwendet.

Inaktivierung von Prionen durch verschiedene Sterilisationsverfahren


Prionen sind Ursache von übertragbaren degenerativen Erkrankungen des Gehirns (spongiforme Enzephalopathien) bei Mensch und Tier, welche charakterisiert sind durch die Akkumulation einer pathologischen Isoform eines körpereigenen Proteins (PrP bzw. PrpSc). Das Prionprotein ist resistent gegenüber Proteinasen und zahlreiche in der Medizin angewandte Verfahren zur Inaktivierung von Krankheitserregern, wie die Standardprogramme für Dampf- und Heißluftsterilisation oder eiweißfällende Desinfektionswirkstoffe (z.B. Aldehyde, Alkohole).
Häufigste Krankheitsform beim Menschen ist die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) einschließlich ihrer sog. varianten Form (vCJK). Ein medizinisches Risiko ist vor allem in der Übertragung von Prionen durch unzureichend aufbereitete Medizinprodukte zu sehen, die mit unerkannt infiziertem Risikogewebe in Kontakt waren. Für die Aufbereitung von Medizinprodukten gilt generell, dass im Sinne der Risikobewertung Instrumente nach Kontakt mit Risikogewebe einem Verfahren unterzogen werden müssen, das in der Lage ist, Prionen zu inaktivieren.

Eigene Untersuchungen


Zur Prüfung der Prioneninaktivierung wurde ein Tiermodell entwickelt, bei dem Goldhamster (in tiefer Anästhesie) durch intrazerebrale Implantation eines Edelstahldrahtes, der mit Prionen des 263 K Scrapie-Stammes kontaminiert war, infiziert wurden. Auswertungskriterien waren die klinische Beobachtung (Überlebenszeit) der Tiere sowie die molekularbiologische Diagnose mithilfe des Western Blot. Folgende Aufbereitungsverfahren wurden geprüft:

  • Dampfsterilisation (134°C, Haltezeit 18 min) allein und in Kombination mit Vorbehandlung in 1 N NaOH (60 min, Raumtemperatur),
  • Wasserstoffperoxid-Gas-Plasma-Sterilisation im Sterrad 100S-Verfahren (59% H2O2),
  • Wasserstoffperoxid-Gas-Plasma-Sterilisation im Sterrad NX-Verfahren (90% H2O2),
  • Einfluss der Vorbehandlung mit enzymatischen und alkalischen Reinigern.


Ergebnisse


Es zeigte sich, dass die Implantation des nicht-kontaminierten Drahtes keinen Einfluss auf die Überlebenszeit der Tiere hatte. Dagegen kam es bei Implantation des unbehandelten kontaminierten Drahtes, auch wenn die Kontaktzeit nur fünf Minuten betrug, in allen Fällen zur Infektion mit dem Scrapie-Prion. Die Aufbereitung der Drähte mit den empfohlenen Verfahren der Dampfsterilisation zeigte - wie auch aus der Literatur bekannt - keine vollständige Aufhebung der Infektiosität.

Die Aufbereitung der Implantate mit enzymhaltigen Detergenzien beeinflusste die Übertragungsrate im Vergleich zur Kontrolle nicht, in Verbindung mit Dampfsterilisation zeigte sich sogar ein ungünstigeres Ergebnis als bei Aufbreitung durch Dampfsterilisation allein. Dagegen führte die Anwendung von alkalischen (KOH-basierte) Reinigungsmitteln zu einer signifikanten Reduktion der Übertragungsrate. Wurden alkalische Produkte in Verbindung mit Wasserstoffperoxid-Gas-Plasma-Sterilisation (Sterrad 100S) angewandt, so konnten keine Übertragungen mehr nachgewiesen werden. Im Gegensatz zum Verfahren mit dem Sterrad 100S konnte die Übertragungsrate durch Sterilisation im Sterrad NX (allein oder in Kombination mit einem alkalischen Detergenz) auf 0 reduziert werden.

Die beschriebenen Arbeiten wurden teilweise gefördert durch das Land Baden-Württemberg, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (Az. 729.59-6/10) und durch Advanced Sterilization Products (ASP), Irvine, Calif., U.S.A.

 

Vortrag von Prof. Dr. Peter Heeg am 03.05.2010 auf dem Wümek - Würzburger Medizintechnik Kongress.

Kontakt:
Prof. Dr. Peter Heeg

Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Universitätsklinikum Tübingen
D-Tübingen
Tel.: 07071/29-82351

Kontakt

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