Mit Telmisartan die gesamte Risikosituation therapieren
06.10.2010 -
Bei der Behandlung von Hochrisikopatienten geht es in der Praxis nicht primär darum, konsequent jeden einzelnen Risikofaktor zu kontrollieren. Bedeutsamer für die langfristige Prognose ist es, die Gesamtrisikosituation in den Griff zu bekommen. Dies ist nicht nur über allgemeine Maßnahmen der Lebensstiländerung möglich, sondern auch über medikamentöse Optionen wie den AT1-Blocker Telmisartan, wie klinische Studien dokumentieren.
Mit dem Wirkstoff Telmisartan (z. B. Kinzalmono) ist
erstmals ein AT1-Blocker für die allgemeine kardiovaskuläre Prävention bei
Hochrisikopatienten unabhängig von deren Blutdruck verfügbar geworden. Die
Zulassung in dieser erweiterten Indikation basiert auf den Daten der
ONTARGET-Studie(1) (Ongoing Telmisartan Alone and in combination with Ramipril
Global Endpoint Trial). In dieser groß angelegten Endpunktstudie war gezeigt
worden, dass das Sartan eine ebenso effektive Reduktion kardiovaskulärer
Ereignisse vermittelt wie der ACE-Hemmer Ramipril, der als einziger Vertreter seiner
Substanzklasse ebenfalls in dieser Indikation zugelassen ist. Telmisartan
zeichnet sich aber, so ein weiteres Studienergebnis, durch eine deutlich
bessere Verträglichkeit als der ACE-Hemmer aus.
Schutzwirkungen über die Blutdruckkontrolle hinaus
"Zu bedenken ist ferner, dass die Patienten, die in die ONTARGET-Studie
eingeschlossen wurden, eine weitaus bessere kardiovaskuläre Basismedikation
erhielten als seinerzeit die Patienten in der HOPE-Studie, in der die
Schutzwirkungen von Ramipril belegt worden waren", so Professor Dr. Walter
Van Mieghem aus Genk/Belgien. Die präventiven Effekte von Telmisartan dürften
somit eher unter- als überschätzt werden, meinte der Mediziner beim Kongress
der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Stockholm. Kein Zweifel
besteht nach seinen Worten daran, dass auch Telmisartan Schutzwirkungen über
die Blutdruckkontrolle hinaus besitzt, was für kein anderes Sartan bisher
dokumentiert wurde.
Besonders bedeutsam sind solche präventiven Effekte nach Professor Dr. Ulrich Kintscher, Berlin, für Patienten mit Diabetes mellitus, die per se als Hochrisikopatienten einzustufen sind. "Diabetiker haben praktisch ein doppelt so hohes Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden wie Nicht-Diabetiker", mahnte Kintscher in Stockholm. Es ist bei Typ 2-Diabetikern deshalb auf eine strikte Blutdruckkontrolle zu achten, wobei die Zielwerte bei 130 bis 139 mmHg systolisch und 80 bis 85 mmHg diastolisch liegen sollten. Den maximalen Nutzen haben die Patienten laut Kintscher bei einer Blockade des Renin-Angiotensinsystems (RAS), wie dies für Ramipril und ebenso für Telmisartan in Studien gezeigt wurde.
Günstige Stoffwechselwirkungen beim Metabolischen Syndrom
Die Analyse der Studiendaten zeigt ferner, dass Telmisartan auch antidiabetogene
Effekte besitzt. Das Sartan zeigt einen ebenso antidiabetogenen Effekt
vergleichbar dem Ramipril. Diese Wirkung dürfte einerseits auf der RAS-Blockade
beruhen, zum anderen aber auch substanzspezifisch bedingt sein, wie Kintscher
darlegte. So zeigen verschiedene Studien, dass Telmisartan eine günstige
Modulation der Fettverteilung bei Patienten mit Metabolischem Syndrom bewirkt
und vor allem den Anteil des viszeralen Fetts minimiert(2).
Der Wirkstoff verbessert ferner die Insulinsensitivität bei übergewichtigen Hypertonikern, ein Befund, der offenbar durch die spezifische Wirkung als partieller Agonist der PPARγ (Peroxisom-Proliferator-Activating Receptor γ) zu erklären ist.
Telmisartan bessert die Insulinempfindlichkeit
Diese Daten stehen im Einklang mit den Ergebnissen einer Studie von Rizos et
al.(3), in der bei Patienten mit gestörter Glukosetoleranz Verbesserungen des
Kohlenhydrat-Metabolismus für Telmisartan dokumentiert wurden, die andere
Sartane so nicht vermitteln. In der randomisierten offenen Studie wurden 151
Probanden mit gestörter Glukosetoleranz, Dyslipidämie und einer Hypertonie
sechs Monate lang mit Rosuvastatin und zusätzlich entweder mit Telmisartan,
Irbesartan oder Olmesartan behandelt. Es zeigte sich in der Telmisartan-Gruppe
eine ausgeprägte Reduktion des HOMA-Index als Maß der Insulinresistenz.
Der HOMA-Index ging unter Telmisartan um 29 Prozent zurück, stieg dagegen in
den Vergleichsgruppen sogar an. Der Unterschied war statistisch signifikant.
Gleichzeitig ging das Nüchtern-Insulin unter Telmisartan um 21 Prozent zurück,
während es in den beiden Vergleichsgruppen anstieg. Die unterschiedlichen
Effekte auf den Glukose-Stoffwechsel dürften, so die Interpretation der
Studienleiter, auf der unterschiedlichen Wirkung der AT1-Rezeptorantagonisten
auf PPARγ beruhen. Sie sprechen nach ihrer Ansicht dafür, dass es sich um eine
spezifische Wirkkomponente von Telmisartan auf die allgemeine
Stoffwechselsituation handelt, die so bei anderen Sartanen nicht zu beobachten
ist.
Quellen:
Symposium "Preventing Cardiovascular Morbidity" beim Kongress der
Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) am 30. August 2010 in Stockholm
1) The ONTARGET Investigators, N Engl J Med 2008 ; 358 : 1547-1559
2) Shimabukuro, M. et al., J Hypertension 2007; 25: 841-848
3) Rizos, C. V. et al., Clin Thera 2010 ; 32 : 492-505