Projektentwicklung im Krankenhaus: Ganzheitliche und nachhaltige Planung
18.11.2010 -
Eine ganzheitliche und nachhaltige Projektentwicklung ist für strategisch und zukunftsorientiert planende Klinikbetreiber von zunehmender Bedeutung. Dabei finden sie oft Unterstützung von Spezialisten, deren Schwerpunkte sich unter dem ökonomischen Druck der Häuser verändert haben. Das seit den 60er Jahren gängige Instrument der Zielplanung ist aktueller denn je und gewinnt für Krankenhausplaner zunehmend an Bedeutung. Volker Kölsch und Joachim Welp, Architekten BDA und geschäftsführende Gesellschafter der Architektengruppe Schweitzer + Partner, geben einen Einblick in die veränderten Schwerpunkte ihrer Arbeit als Krankenhausplaner.
M & K: Weshalb ist das Thema Zielplanung aus Ihrer Sicht im Moment besonders aktuell?
Joachim Welp: Wir erleben in unserer täglichen Praxis, dass zunehmend mehr Krankenhausbetreiber vor die Ausschreibung einer konkreten Baumaßnahme eine Zielplanung setzen. Es werden Masterpläne erstellt, die eine langfristige Perspektive bieten und deren kontinuierliche Fortschreibung von vornherein festgelegt ist. Zielplanung ist deshalb eine dynamische Strategieplanung.
Volker Kölsch: Hintergrund dieser Praxis ist einerseits die Knappheit finanzieller Ressourcen, deren zweckmäßige Verwendung nicht nur vom Gesetzgeber vorgeschrieben, sondern auch ein Gebot wirtschaftlichen Handelns ist. Andererseits wird eine umfassende Zielplanung im Sinne der Nachhaltigkeit auch zunehmend von den Förderbehörden (EU, Länder, Kommunen) gefordert.
Diese Geldgeber fördern Einzelmaßnahmen nur auf der Grundlage einer bestätigten Zielplanung. Sie wollen nicht eine Vielzahl von aufeinander folgenden Maßnahmen fördern, die durch die jeweiligen gesundheitspolitisch aktuellen Engpässe entstehen, sondern die gesamte Krankenhausplanung soll überprüft und verbessert werden. So erhalten die fördernden Institutionen und der Betreiber des Krankenhauses eine langfristige inhaltliche und terminliche Planung einschließlich einer laufenden Kostenermittlung. Alle Einzelmaßnahmen basieren auf einer Gesamtkonzeption, und Fehlinvestitio¬nen werden vermieden.
Welchen Anteil haben Sie als Architekten an solch einer strategischen Planung?
Volker Kölsch: Für die Erstellung einer umfassenden Zielplanung müssen Fachleute unterschiedlicher Disziplinen - etwa Tragwerksplanung, Technische Ausrüstung, Medizintechnik, Brandschutz, Freianlagen, Betriebsplanung - unter Koordination eines erfahrenen Krankenhausarchitekten zusammenarbeiten.
Joachim Welp: So ein Projekt geschieht ja grob zusammengefasst in vier Schritten, von denen wir nur einen (nämlich den zweiten) nicht bei uns im Haus anbieten:
- Raum- und Funktionsprogramm,
- Betriebs- und Organisationskonzept,
- Bauliche Umsetzung (= zeichnerische Darstellung und Abschluss der Zielplanung),
- HOAI LP 1-9.
Ich bin davon überzeugt, dass eigentlich alle Probleme der Krankenhäuser durch bauliche Veränderungen geheilt werden können: betriebswirtschaftliche Probleme etwa durch eine Senkung der Energie- oder Personalkosten infolge von Um- oder Neubauten, medizinische Probleme durch eine Optimierung der Prozesse, Marketing-/Akzeptanzprobleme durch eine bessere Gestaltung und Außendarstellung. Die Zielplanung entwickelt bereits im Maßstab 1:500 Bausteine zur Lösung dieser Probleme. Also ist der Architekt der beste Arzt für die Krankheiten des Krankenhauses.
Welchen Schwierigkeiten begegnen Sie auf diesem Arbeitsfeld?
Joachim Welp: Uns begegnen natürlich in jedem Krankenhaus individuelle Probleme, auch in Abhängigkeit von der konkreten Aufgabenstellung. Eine immer wiederkehrende Schwierigkeit ist aber z. B. die Unterteilung der Krankenhäuser in unterschiedliche Kliniken mit ihren Chefärzten, Sekretariaten, Schreibbüros, Untersuchungsräumen. Diese verschiedenen Funktionsbereiche sind dann häufig auf verschiedene Gebäude verteilt.
Eine Abstimmung zwischen den einzelnen Kliniken ist bisher zumindest nicht überall gang und gäbe. Dabei ist es unter dem Aspekt der Prozessoptimierung sinnvoll, den Weg des Patienten durch das Krankenhaus und die verschiedenen Stationen seines Aufenthalts gedanklich vorwegzunehmen.
In modernen Konzepten wird das Konzept der Kliniken deshalb etwas aufgelöst: Diagnostik und Pflegestationen sind jeweils interdisziplinär organisiert; es gilt der Grundsatz „Der Arzt kommt zum Patienten". Meist befindet sich dann der basisdia-gnostische Untersuchungs- und Behandlungsbereich in einem Geschoss, und auf einer anderen Ebene existiert ein interdisziplinärer Bettenpool. Die Arzträume (als Büroräume) rutschen in die Randbereiche. So können Abläufe erheblich optimiert werden.
Volker Kölsch: Ein anderes Problem liegt dar¬in, dass die Krankenhäuser nicht besonders gut auf die zunehmende Zahl der ambulanten Patienten vorbereitet sind. Der Gesetzgeber unterstützt ja durch verschiedene Regelungen die ambulante Behandlung von Patienten in Krankenhäusern, und für die Betreiber eröffnen sich hier zusätzliche Einnahmequellen.
Wegeführung und Ablauforganisation sind aber für ambulante Patienten völlig anders als für stationäre. Und die Aufenthaltsqualität wird wichtiger, weil der ambulante Patient sich das Krankenhaus besser aussuchen kann. Außerdem gewinnt die selbsterklärende Orientierung an Bedeutung. Hier besteht noch viel Nachholbedarf!
An diesem Beispiel wird deutlich, wie ganzheitlich das Instrument der Zielplanung ausgerichtet ist: Entwicklungen in der Sozialpolitik haben Auswirkungen auf architektonische Aspekte. Wir müssen dabei immer im Auge behalten, dass auch die Politik dynamisch ist - morgen können schon wieder völlig neue Aufgabenfelder auf das Krankenhaus zukommen. Eine flexible Zielplanung berücksichtigt dies und beinhaltet Erweiterungs- und Aufstockungsmöglichkeiten für heute noch nicht erkennbare zukünftige Bedarfssituationen, ohne deshalb mit Provisorien zu arbeiten.
Wie unterscheiden Sie zwischen verschiedenen Aufgabenfeldern?
Volker Kölsch: Wir unterscheiden ganz grob folgende Zielrichtungen:
- Umstrukturierung,
- Erweiterung,
- Zusammenlegung von zwei oder mehreren Häusern an einem vorhandenen Standort,
- Zusammenlegung von zwei oder mehreren Häusern auf der „Grünen Wiese",
- Neubau,
- Standortschließung - Aussagen zur Weiternutzung.
Joachim Welp: Letztendlich ist jeder Zielplanungsauftrag mit einer ganz individuellen Aufgabe verbunden. Nur die Haupt-Arbeitsschritte sind natürlich immer dieselben: Nach der Analyse und Bewertung der Betriebsorganisation, der Betriebs- und Leistungsdaten, des Grundstücks und der Gebäude kommt die Definition der medizinischen, baulichen und ökonomischen Ziele. Das Ganze wird nach Priorität in Realisierungsstufen gegliedert, sodass einzelne finanzierbare Blöcke entstehen.
In jedem Fall definieren wir Umfang und Inhalt des ersten Bauabschnitts, erstellen ein Funktions- und Raumprogramm nach DIN 13080 und legen einen Kosten- und Realisierungsrahmen fest. Die Grafik veranschaulicht recht gut die einzelnen Arbeitsschritte. Damit hat der Auftraggeber dann eine tolle Grundlage für eine detaillierte Zukunftsplanung an der Hand.
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