Konsolidierung des Labors: Faktor Mensch
01.07.2011 -
Konsolidierung des Labors: Faktor Mensch. Der Gesundheitsmarkt, ein höchst intransparentes System. Nicht nur, dass er dabei ist sich stärker zu vernetzen, er globalisiert sich auch. Dies führt bei den Krankenhäusern und letztlich auch den Laboratorien zu einer großen Privatisierungswelle und zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich. Die Formel hierzu ist recht einfach: Einsparung von Kosten bedeutet Abbau von Arbeitsplätzen! Und was geschieht danach mit den Menschen? Denn der Faktor heißt hier nicht wie üblich „Kosten“, sondern „Mensch“.
Das Gesundheitswesen ist schon seit vielen Jahren durch Veränderungen geprägt. Diese finden sich u. a. in einer weiteren Öffnung der Krankenversorgung für profitorientierte Marktteilnehmer, oder in einer Senkung von Lohn(neben)kosten durch Einschränkung von Leistungen der Krankenversicherung und Entlastung der Staatsfinanzen. In vielen Kliniken Deutschlands werden und wurden Laborkommissionen eingesetzt, die zum Ziel haben, Einsparpotentiale aufzuzeigen. Sehr häufig geschieht dies durch Laborzentralisierungen und Zentralisierung von Laborleistungen, aber auch durch Vertragsbündelungen und Einkaufsgemeinschaften. Insbesondere die Zentralisierungen führen häufig zu Effizienzsteigerungen der Laboratorien. Zentralisieren heißt aber auch Arbeit verdichten. Maßnahmen, die eine Arbeitsverdichtung zum Ziel haben, sind Rationalisierung, Technisierung und Automatisierung. Alle diese Maßnahmen haben gleichzeitig die Reduzierung von Arbeitskräften zum Ziel. In anderen Worten – durch diese Maßnahmen soll Personal eingespart werden; im Mittelpunkt stehen die Kosten und nicht der Mensch.
Dass das Labor als dienstleistende Abteilung zur Kernkompetenz eines Krankenhauses gehört, sollte im Rahmen von kürzeren Patientenverweilzeiten und korrekter DRGZuordnung nicht mehr hinterfragt werden. Die Frage jedoch, ob ein krankenhausinternes Laboratorium in der bisherigen Struktur auch zukünftig Bestand haben kann, muss eindeutig mit „nein“ beantwortet werden. Traditionelle Strukturen müssen aufgebrochen und verändert werden mit dem Endziel einer schnellen, zuverlässigen und kostengünstigen Diagnostik – und damit einhergehend einen hohen Automatisierungsgrad, aber auch der Verschmelzung von ambulanten und stationären Versorgungen mit Labordiagnostik. Hierbei ist auch der Patient in eine diagnostische Kette zu integrieren.
Bis heute gilt im Labor die Forderung, wie man Analytik effektiver in Massenproduktion herstellen kann – mit geringem Materialeinsatz, weniger Kosten und weniger Zeitaufwand für jede einzelne Analyse. Das Labor strebt danach, die Analytik zu optimieren. Je mehr Analysen durchgeführt werden, umso mehr Geld soll es verdienen.
Zukünftig wird das Labor nicht mehr vorrangig versuchen, seinen Output an Analytik zu optimieren, sondern seine Zeit damit verbringen, sinnvolle Diagnostik-Strategien zu entwickeln oder auch ganz neue Anlaysenmethoden einzusetzen, um die Diagnostik schneller und zielgerichteter anzubieten. Einfachere Laborarbeiten, wie z. B. die Bestellung von Reagenzien und anderen Verbrauchsmaterialien, werden zukünftig direkt beim Lieferanten elektronisch nachgeordert. Spezielle EDV-Systeme werden den Verbrauch, das Haltbarkeitsdatum, die entsprechende Lagerhaltung etc. im Auge behalten und regelmäßig den Nachschub bestellen. Diese und noch weitere Trends haben zum Ziel, den Faktor Mensch noch weiter zu entlasten.
Die Verlagerung der Labortätigkeiten von menschengesteuerter Analytik zu hoch technisierter Dienstleistung sowie das gewachsene Kostenbewusstsein führen dazu, dass es immer weniger Arbeit für die Labormitarbeiter geben wird. Flexibilität, schnelle Reaktionsfähigkeit, die Bereitschaft, auf spezielle Kundenwünsche einzugehen, der Umgang mit neuartigen Technologien, die richtige Interpretation der Ergebnisse sowie eine meist überdurchschnittlich hohe Fachkompetenz sind zukünftige Anforderungen an das Labor.
Andererseits wird die Labordiagnostik weniger und geringer qualifiziertes Personal zur Bedienung der Analysengeräte erfordern. Ohne ausreichende Kapazitäten und fachliche Qualifikation des im Laboratorium beschäftigten Personals ist weder eine optimale Nutzung der diagnostischen Möglichkeiten noch die Übermittlung zuverlässiger Befunde gewährleistet.
Da die Mitarbeiter das bedeutendste Kapital des Laboratoriums sind, sollten diese an der Mitgestaltung ihrer Arbeitsumwelt direkt beteiligt werden. Deshalb ist der Mitarbeiterentwicklung eine adäquate Bedeutung einzuräumen. Die primären Schwerpunkte der Mitarbeiterentwicklung müssen die
- Aus- und Fortbildung, Weiterbildung und Schulung,
- Motivierung und Integration,
- Teamarbeit und Kommunikation beinhalten.
Das Bedürfnis nach Sicherheit, besonders am Arbeitsplatz, ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Mit den Veränderungen, die unsere Arbeitswelt – auch im medizinisch-diagnostischen Labor – hat verkraften müssen, ist der Glaube an sichere Werte bedrohlich ins Wanken geraten. Davon betroffen sind insbesondere viele der als mächtig und unverletzlich angesehenen Groß-Laboratorien, aber auch viele Krankenhauslaboratorien und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Auf dem Weg zu Gewinn maximierenden Betrieben haben sie die Loyalität langjähriger Mitabeiter/innen ignoriert und den Glauben an ihr Verantwortungsbewusstsein arg strapaziert. Dabei ist es für die Entlassenen oder in anderen Arbeitsbereichen versetzten Mitarbeiter unbedeutend zu erfahren, dass gewisse Umstrukturierungen mehr als überfällig waren.
Veränderte Strategien und Prozesse setzen bei allen Mitarbeitern eine entsprechende Einsicht und Änderung der lieb gewonnenen Tätigkeiten, Haltungen und Überzeugungen voraus. Deshalb muss bei solch gravierenden Veränderungen insbesondere von der Laborführung eine Unternehmenskultur gelebt werden, die für die einzelnen Mitarbeiter als gegenseitiges Vertrauen wahrgenommen wird. Die Identifikation mit dem Betrieb „Labor“ muss von allen Beteiligten gelebt werden.