Hygiene

2. Hauptstadtsymposium der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde

21.07.2011 -

2. Hauptstadtsymposium der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Im Mittelpunkt des 2. Hauptstadtsymposiums der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) zum Thema „Volkskrankheit Depression: Pro und Contra der Behandlung mit Antidepressiva“ standen ganz grundsätzliche Fragen der Therapie von depressiven Erkrankungen im Spannungsfeld von wissenschaftlichen Studien, evidenzbasierten Leitlinienempfehlungen, wirtschaftlichen Restriktionen und therapeutischer Entscheidungsfreiheit des behandelnden Arztes: Wie wirksam ist die Pharmakotherapie mit SSRI, den Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern wirklich? Oder: Wie groß ist der Placebo-Effekt und welche Bedeutung hat dabei die Beziehung Arzt-Patient?

Antidepressiva in der Kritik: Die Behandlung von schweren Depressionen erfordert neben der psychotherapeutischen Behandlung gerade in der Akutphase auch eine pharmakologische Therapie mit Antidepressiva. Zur Wahl stehen heute neben den „trizyklischen Antidepressiva“ auch die SSRI. Diese Präparate erhöhen die Konzentration des Botenstoffs Serotonin im zentralen Nervensystem, genauer: in den Synapsenspalten zwischen den Nervenzellen. Obwohl die Wirksamkeit von Antidepressiva bei der Behandlung akuter depressiver Episoden in zahlreichen klinischen Studien belegt ist, wird von Zeit zu Zeit immer wieder eine Debatte über die Wirksamkeit dieser Pharmaka geführt. So zuletzt etwa ausgelöst durch eine Studie von Irving Kirsch (Hull, Großbritannien). Darin wurde die Wirksamkeit der antidepressiven Pharmakotherapie angezweifelt. Im Mittelpunkt stand der Vorwurf, Antidepressiva grenzten sich in der Wirksamkeit nicht in klinisch relevantem Maße von Placebo ab. Dies ist ein massiver Vorwurf, weil damit die Effektivität der pharmakologischen Therapie von Depressionen pauschal in Abrede gestellt wird.

Diskussion um Placebo

Die DGPPN weist deshalb auf die zahlreichen Studien hin, die belegen, dass die Wirksamkeit eines Antidepressivums sich desto ausgeprägter von Placebo abgrenzt, je schwerer die Depression der untersuchten Patienten ist. Zudem ist seit Langem bekannt: Placebo wirkt desto weniger, je schwerer die Depression ist. Mit diesen Fakten wird die Wirksamkeit von Antidepressiva insbesondere bei schwerer Betroffenen bestätigt. Entschieden widerspricht die DGPPN daher der Lesart in manchen Medien, selbst bei schweren depressiven Erkrankungen erzielten Antidepressiva keine klinische Wirkung im Sinne eines Nutzens für die Patienten, da der Unterschied zwischen den berücksichtigten Antidepressiva und Placebo so gering sei, dass es kaum Gründe gebe, diese Medikamente weiter zu verordnen. Allein vor dem Hintergrund der Suizidgefahr, die für viele Betroffene mit einer Depression einhergeht, ist für die DGPPN die Option einer Therapie mit Antidepressiva unverzichtbar.

Für die DGPPN stellt der Präsident, Professor Dr. med. Wolfgang Gaebel, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Frage, ob in Studien gemessene mittlere Besserungsraten tatsächlich ein geeignetes Maß für die klinische Relevanz im Sinne eines Patientennutzens darstellen. „Den einzelnen Patienten interessiert doch“, so Gaebel, „welche Wahrscheinlichkeit ihm geboten wird, sich in einer Zeit von etwa sechs Wochen wieder gesund zu fühlen. Hier liegt der Unterschied zwischen einem Antidepressivum und Placebo typischerweise bei zehn bis 20 %. Das bedeutet, es müssen fünf bis zehn Patienten mit dem Antidepressivum behandelt werden, um eine spezifisch dem Antidepressivum zuzuschreibende signifikante Besserung zu erzielen. Im Vergleich zu vielen anderen medizinischen Interventionen bedeutet dies eine beachtliche Wirksamkeit. Deshalb kann man im Interesse der betroffenen Patientinnen und Patienten nicht auf die Pharmakotherapie bei Depressionen verzichten.“ Für den Präsidenten der DGPPN, Professor Gaebel, bleibt es trotz aller Diskussionen um die Wirksamkeit von Antidepressiva selbstverständlich, dass in jedem Einzelfall die Indikation zur Behandlung mit einem Antidepressivum sorgfältig abzuwägen ist. Letzten Endes entscheidet der oder die Betroffene nach umfassender ärztlicher Aufklärung, welche der möglichen Therapieformen unter Einschluss von Psychotherapie gewählt wird.

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