Hygiene

Trinkwasserversorgung im Krankenhaus – Was empfiehlt der Hygieniker?

08.08.2011 -

Die Trinkwasserversorgung unterliegt den anspruchsvollen Anforderungen der deutschen Trinkwasserverordnung, bleibt aber dennoch eines der wichtigsten Transportmittel für Krankheitserreger.

Wie nützlich die Erkenntnisse der Wasserhygiene sind, erleben wir regelmäßig im Zusammenhang mit Naturkatastrophen, wenn nach dem Erdbeben eine Seuche droht. Heute werden in Deutschland Erreger von Infektionskrankheiten beim Wasserversorger eliminiert oder durch Desinfektion unschädlich gemacht. Er stellt sicher, dass Salmonellen, Campylobacter, Streptokokken und andere nicht zum Verbraucher gelangen. Dabei konzentriert sich der Versorger auf Escherichia coli und Coliforme Bakterien, die als Indikatorkeime für fäkale Verunreinigungen dienen. Ein Gespräch mit Dr. Klaus-Dieter Zastrow, Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Vivantes Kliniken Berlin.

Ist unser Wasser heute frei von Risiken für die Gesundheit des Verbrauchers?

Dr. Klaus-Dieter Zastrow: In Europa ist die Zeit der großen Seuchen, die durch Wasser verbreitet wurden, vorbei. Auch Typhus, Ruhr, Cholera und Poliomyelitis sind dank der Trinkwasserhygiene in Europa ausgerottet. Doch es gibt nun andere Erreger wie Legionellen, die es gilt, in Schach zu halten. Dabei könnten wir Legionellen literweise trinken, ohne zu erkranken, lediglich ihre Aerosole, also feinste Sprühnebel, können uns gefährlich werden. Wenn wir sie inhalieren, droht eine Lungenentzündung, welche bei Immungeschwächten tödlich enden kann.

Nicht unerhebliche Risiken befinden sich auch im Biofilm, einer glitschigen Schicht aus Mikroorganismen und ihren Stoffwechselprodukten. Er ist in Rohren und Schläuchen zu finden.

Im Biofilm können sich Mikroorganismen vermehren, die sonst nur vereinzelt vorkommen. Es kann hier also eine große Menge an Erregern entstehen - eine sog. Infektionsdosis -, die ausreicht, um eine Krankheit auszulösen.

Welche Gegenmaßnahmen sind sinnvoll?

Dr. Klaus-Dieter Zastrow: Legionellen vermehren sich am besten bei Wassertemperaturen unter 50°C, hohe Temperaturen töten sie ab. Darum gibt es seit vielen Jahren hocheffektive Installationssysteme, die das Trinkwasser auf diesem Temperaturniveau zirkulieren lassen. Zusätzliche Spülmaßnahmen sind daher überflüssig und aus ökonomischer Sicht nachteilig, da aufwendig erwärmtes Wasser ungenutzt ins Abwassersystem gelangt.

Da sich zudem stehendes Wasser in Leitungssystemen positiv auf die Vermehrung von Legionellen auswirkt, muss Stagnation in allen großen Trinkwassersystemen vermieden werden. So ist immer für den bestimmungsgemäßen Betrieb zu sorgen, entweder durch tatsächlichen Verbrauch oder durch automatisierte Wasseraustauschmaßnahmen.

Allerdings sollte man aus ökologischen und ökonomischen Gründen überflüssige zusätzliche Wasseraustauschmaßnahmen vermeiden. Dies ist projektbedingt mit in¬telligenten Installationsmethoden möglich. So kann der Wasseraustausch auch auf nicht genutzte Bereiche durch tatsächlichen Verbrauch in anderen Bereichen ausgedehnt werden.

Sind zusätzliche Spüleinrichtungen und -maßnahmen an Regulierventilen erforderlich?

Dr. Klaus-Dieter Zastrow: Der flächendeckende Einbau und die Vielzahl an Regulierventilen sowohl auf einer Etage als auch im Steigstrang zeigen, dass sich ein unproblematischer Betrieb ganzjährig ohne zusätzliche Spülmaßnahmen aufrechterhalten lässt. Jeder Zusatzaufwand ist wirtschaftlich nicht sinnvoll.

Zudem sind zusätzliche Spülvorrichtungen manuell zu bedienen. Sie werden also nach jedem Spülvorgang wieder in die Betriebsstellung zurückgestellt, was personal- und kostenintensiv ist. Die Gefahr der Fehlbedienung ist oft größer als der vermeintliche Gewinn an Sicherheit.

Reichen heute im Markt befindliche Stichleitungssysteme mit T-Stück-Installation im Trinkwasser Kalt aus, um die Vorgaben an der Entnahmestelle nach der Trinkwasserverordnung einzuhalten?

Dr. Klaus-Dieter Zastrow: Prinzipiell ist bei bestimmungsgemäßem Betrieb keine Abweichung von den Hygiene-Anforderungen zu erwarten. In der Praxis kann es anders aussehen: Die T-Stück-Installationen werden oft nicht durchströmt, sodass sich Stagnationsbereiche ergeben. Daher hat schon 1988 die RKI-Richtlinie das Heranführen der Rohrleitung bis an die Entnahmestellen möglichst im Ring oder eingeschleift empfohlen. Es gibt heute hervorragende Ringsysteme, die sogar ohne zusätzlichen Wasserverbrauch einen hohen Wasserwechsel über den ganzen Tag realisieren und eventuell automatisierte Spülprozesse einleiten.

Eine Konsequenz aus den heute üblichen stagnierenden T-Stück-Installationen ist die Einrichtung manueller Spülpläne. Sie sind mit hohem Personalaufwand und hohen Wasserverbräuchen verbunden.

Die Ringleitungssysteme zeichnen sich dadurch aus, dass der Wasserwechsel bis zur Entnahmestelle vollständig automatisiert werden kann und dies zeitgleich mit einer deutlichen Reduktion der erforderlichen Auslaufwassermengen erfolgt. Die Maßnahmen lassen sich automatisieren und dokumentieren. Der Personalaufwand geht gegen null.

Ist dieser zusätzliche Installationsaufwand sinnvoll?

Dr. Klaus-Dieter Zastrow: Auf jeden Fall. Durch inzwischen auf dem Markt befindliche Software lassen sich Ringleitungen technisch sehr präzise berechnen und so auslegen, dass die Rohrdimensionen sehr klein gestaltet sind. Dies führt zu kleinen Rohrinnenoberflächen und hohen Fließgeschwindigkeiten. So werden zwei Ziele erreicht: Wirtschaftlichkeit zum einen und Trinkwasserhygiene zum anderen. Das rechtfertigt den Aufwand.

Für welche Gebäude würden Sie solche Systeme empfehlen?

Dr. Klaus-Dieter Zastrow: Gerade dort, wo eine regelmäßige Nutzung nicht stattfindet, haben diese Systeme ihre besondere Berechtigung: Patientenzimmer sind nicht immer belegt, und die Wasserentnahmestellen werden nicht gleichmäßig genutzt. Sind Patienten immobil und nicht in der Lage, die Duschen zu nutzen, kann es wochenlang zu Stagnationen kommen. Wirtschaftlichkeitsberechnungen sprechen von Amortisationszeiten bei Ringinstallationen von weniger als zwei Jahren.

In Trinkwasserinstallationen werden oft Komponenten mit beweglichen Bauteilen eingesetzt. Sind solche Komponenten für eine Verkeimung verantwortlich?

Dr. Klaus-Dieter Zastrow: Diese Konstruktionen sind so robust und werkstofftechnisch optimiert, dass eine Verkeimung praktisch nicht vorkommt. Befinden sich solche Bauteile im Bereich von Stagnationswasser, könnte der Eindruck entstehen, sie seien ursächlich für erhöhte Keimzahlen verantwortlich. Doch das liegt immer in der Stagnation des Wassers.

Deutet eine erhöhte Menge an Endotoxinen auf eine hohe Kontamination mit Legionellen oder anderen Keimen hin?

Dr. Klaus-Dieter Zastrow: Endotoxine werden frei, wenn Mikroorganismen absterben. Wenn sie z.B. durch hohe Wassertemperaturen abgetötet werden, können Endotoxine freigesetzt werden. Sie sind für den Menschen bedeutungslos, außer sie gelangen bei einer Sepsis oder Lungenentzündung in die Blutbahn.

 

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