IT & Kommunikation

Ist die Pflege eHealth-fähig?

27.10.2011 -

Durch die zunehmende Zahl pflegebedürftiger Menschen rückt die pflegerische Versorgung immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Pflege kann dabei neben der pflegerischen Versorgung in Krankenhäusern je nach der aktuellen Situation des Pflegebedürftigen oder auch seiner pflegenden Angehörigen in spezifischen Versorgungssettings erfolgen. So kann die ambulante Versorgung entweder von pflegenden Angehörigen bzw. durch einen der ca. 12.000 professionellen ambulanten Pflegedienste übernommen werden.

Als Alternative außerhalb der häuslichen Umgebung werden vielerorts auch halbstationäre Möglichkeiten zur Tages- oder (eher selten) Nachtpflege angeboten. Für eine vollstationäre Betreuung stehen in Deutschland zurzeit ca. 11.600 Pflegeheime zur Verfügung. Innerhalb der pflegerischen Versorgung ergeben sich über die allgemeine Pflege hinaus immer wieder Situationen, in denen neben einer medizinischen auch eine professionelle pflegerische Expertise erforderlich ist. Dies kann z.B. eine palliative Pflege oder die Betreuung von Menschen mit einem apallischen Syndrom oder einer Langzeitbeatmung umfassen. Professionelle Pflege ist aber auch bei der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden bzw. Schmerzen oder mit einer akuten Besiedlung mit MRSA-Erregern notwendig.

All diese komplexen pflegerischen Versorgungsszenarien erfordern einen kontinuierlichen Informationsfluss zwischen den Akteuren einschließlich der Betroffenen für eine möglichst sichere und effektive Versorgung der Menschen durch professionelle Pflegekräfte und Mediziner.

Multiprofessionelle Informationskontinuität

Die Informationskontinuität soll künftig durch den Aufbau einer flächendeckenden Telematikinfrastruktur unterstützt werden. Um Letztere nutzen und elektronische Dokumente rechtssicher signieren zu können, ist ein elektronischer Heil- bzw. Berufsausweis notwendig. Dessen Ausstellung war zunächst jedoch nur für die verkammerten Berufe im Gesundheitswesen wie Ärzte, Zahnärzte, Apotheker vorgesehen.

Da Gesundheitsversorgung immer auch pflegerische Versorgung beinhaltet und Gesundheitstelematik damit auch Telematik in der Pflege ist, hat der Gesetzgeber den Aufbau eines zentralen elektronischen Beruferegisters für Gesundheitsfachberufe (eGBR) mit Sitz in Bochum beschlossen. Als virtueller Zertifizierungsdienst soll das eGBR künftig die Identität und Authentizität der Angehörigen von Gesundheitsfachberufen auf Antrag überprüfen und die elektronischen Berufsausweise an diese Personen ausstellen.

Zugang zur nationalen Telematikinfrastruktur

Ähnlich wie die Medizin nutzt auch die Pflege bisher formularbasierte Transferdokumente zur Weiterleitung ihrer Informationen bei Entlassung oder Verlegung. Solche Pflegeberichte (oder Pflegeüberleitungsbögen) fassen den Verlauf der pflegerischen Behandlungsepisode eines einzelnen Patienten zusammen. Sie unterscheiden sich damit von einer Pflegeberichterstattung, die rein statistischen oder politischen Zwecken dient. Für einen reibungslosen elektronischen Austausch zwischen Informationssystemen im Sinne einer Gesundheitstelematik ist es nötig, dass diese Systeme Informationen, die sie austauschen, verstehen und weiterverarbeiten können.

Sie müssen also die gleiche „Sprache" sprechen. Die Regeln für solche Sprachen werden mithilfe von IT-Standards wie HL7 festgelegt. Hier wird u.a. spezifiziert, aus welchen Elementen ein Arztbrief bestehen muss, damit er zwischen den Systemen ausgetauscht und weiter genutzt werden kann. Für den elektronischen Arztbrief (VHitG-Arztbrief) wurden solche Regeln hinsichtlich der Struktur und Inhalte bereits vor einigen Jahren auf der Basis eines HL7-Standards für das deutsche Gesundheitswesen definiert.

An der Hochschule Osnabrück wurde nun in der Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen zusammen mit dem Netzwerk Versorgungskontinuität in der Region Osnabrück ein Standard für den elektronischen Pflegebericht (ePflegebericht) in Anlehnung an den eArztbrief entwickelt. Diese Spezifikationsarbeiten standen unter der Schirmherrschaft des Deutschen Pflegerates und werden zukünftig wie der eArztbrief frei verfügbar sein.

Der ePflegebericht nutzt zur Abbildung pflegerischer Informationen den Pflegeprozess. Als kybernetischer Kreislauf ist der Pflegeprozess weltweit als strukturgebendes Element einer professionellen Pflege anerkannt. Mithilfe des Pflegeprozesses wird sichtbar, wie, warum und mit welchem Ergebnis Pflege tätig wurde. Darüber hinaus kann der ePflegebericht weitere Informationen zur Biografie des Patienten sowie zur Wohnumgebung und zu Hilfsmitteln (Home Care) transportieren.

Der ePflegebericht

Aktuell arbeitet die Hochschule Osnabrück mit Experten aus der Praxis sowohl an einem Standard für einen elektronischen Statusbericht zur Wunddokumentation als auch für einen physiotherapeutischen Bericht zur Unterstützung der Arzt-Physiotherapeut-Kommunikation. Damit wird die Familie der standardisierten elektronischen Transferdokumente im Gesundheitswesen künftig um versorgungsspezifische Ansätze auf dem Weg zu einer multiprofessionellen Transferdokumentation erweitert.

Für eine vollständige wissenserhaltende Kommunikation zwischen den IT-Systemen ist neben einem Dokumentenstandard auch eine gemeinsame Fachsprache im Sinne einer Terminologie oder Klassifikation notwendig. Mit ihr wird das gleiche Verständnis des Gesagten sichergestellt, z.B. dass alle Systeme unter der ICD-10 M54 die „Rückenschmerzen" verstehen.

Für die Medizin wurde die Verwendung der ICD-10 als offizielle Klassifikation für medizinische Diagnosen festgelegt. Gleiches gilt für den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) im Bereich der Abrechnung stationärer Leistungen. Für die Pflege besteht eine solche offizielle Festlegung nicht. Häufig nutzen Pflegekräfte einrichtungsbezogen Kataloge eigener Begrifflichkeiten, die einen eindeutigen wissenserhaltenden Austausch unmöglich machen.

Neben einigen kommerziellen Pflegeklassifikationen gibt es die International Classification of Nursing Practice (ICNP), die vom International Council of Nurses als internationalem Berufsverband der Pflegekräfte entwickelt wurde. Die ICNP ist die einzige Pflegeklassifikation, die die WHO anerkennt und die Möglichkeit bietet, die vielen verschiedenen Formulierungen innerhalb der professionellen Pflege zu verbinden.

Mit dem ePflegebericht hat die professionelle Pflege einen aktiven Beitrag zur Gesundheitstelematik in Deutschland geleistet. Damit die Pflege ihr Wissen elektronisch im Sinne von eHealth umfassend austauschen kann, bedarf es aber einer Festlegung auf eine gemeinsame national geltende Pflegeterminologie.

 

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