Labor & Diagnostik

Sepsis-Diagnose und Sepsis-Therapie

22.11.2011 -

Die schwere Sepsis und der septische Schock zählen gegenwärtig zu den häufigsten Todesursachen auf nicht-kardiologischen Intensivtherapiestationen. In der Bundesrepublik Deutschland leidet gegenwärtig etwa jeder zehnte Patient auf einer Intensivtherapiestation an diesen schweren Verlaufsformen der Sepsis.

Dabei liegt die 28-Tage-Letalität dieser Patienten bei 44,1% und die 90-Tage-Sterblichkeit bei 50,3%. Die Inzidenz steigt trotz extensiver Forschungsarbeiten und neuen Erkenntnissen in der klinischen Praxis weiter an. So kam es beispielsweise in den USA zwischen 1993 und 2003 fast zu einer Verdopplung der Aufnahmediagnose „Sepsis" in den Krankenhäusern. Somit ist die Sepsis nicht nur häufiger, sondern auch tödlicher als die überwiegende Anzahl anderer Akuterkrankungen.

Aufgrund der mangelhaften öffentlichen Aufklärung wird dieses Krankheitsbild in der Bevölkerung jedoch häufig unterschätzt. Neben der medizinischen kommt der Sepsis auch eine immense sozioökonomische Bedeutung zu. Die durchschnittlichen Behandlungskosten für einen Patienten mit schwerer Sepsis liegen bei ca. 23.000 €. Rechnet man die indirekten Kosten für die Gesellschaft, z.B. durch Arbeitsausfall oder Frühberentung, hinzu, so betragen die jährlichen Kosten in Deutschland zwischen 3,6 und 7,8 Milliarden €. Eine Sepsis ist definiert als eine nachgewiesene oder vermutete mikrobielle Infektion und dem Vorliegen von mindestens zwei der Kriterien des „systemic inflammatory response syndrome". Da Letztere jedoch relativ unspezifische Symptome darstellen, erfolgt die Diagnosestellung häufig verzögert.

Deshalb bestehen oft bereits Funktionseinschränkungen primär nicht betroffener Organe und somit der Definition nach eine schwere Sepsis. Kommt es zusätzlich zu einer Volumenrefraktären arteriellen Hypotonie, liegt ein septischer Schock vor, der mit einer bedeutsamen Verschlechterung der Prognose assoziiert ist.

Besteht der Verdacht auf eine Sepsis, hat die Identifikation und Elimination des infektiösen Fokus höchste Priorität. Zur Diagnostik sind je nach klinischer Symptomatik und Anamnese Blutkulturen, Sputum- und Liquorproben sowie Wundabstriche in Kombination mit ra-diologischen Verfahren erforderlich. Da die Ergebnisse der mikrobiologischen Befunde nicht abgewartet werden können, gewinnen insbesondere die schnell verfügbaren und bettseitig durchführbaren Ultraschall- und Röntgenverfahren an Bedeutung. Falls diese ergebnislos verlaufen, sollte die Fokussuche durch eine Computertomografie ergänzt werden.

Die immense Bedeutung eines frühzeitigen Therapiebeginns verdeutlicht eine aktuelle prospektive, randomisierte Studie an Patienten im septischen Schock. Verzögerte sich die Gabe eines geeigneten Antibiotikums bis nach Eintritt der Schocksymptomatik, so erhöhte sich die Letalität von 11,8% auf 23,8%. Dementsprechend fordern die Therapierichtlinien der „Surviving Sepsis Campaign" die Gabe einer Breitspektrumantibiose bereits innerhalb einer Stunde nach Diagnosestellung. Sofern der Infektionsfokus operativ zugänglich ist, sollte zusätzlich eine umgehende chirurgische Sanierung erfolgen.

Parallel zu dieser kausalen Therapie muss eine aggressive, supportive Therapie etabliert werden, um den Patienten akut zu stabilisieren. Die hierzu empfohlene Volumengabe sowie der Einsatz von Vasopressoren und ggf. Inotropika sollten dabei differenziert und zielorientiert erfolgen, da sowohl eine positive Flüssigkeitsbilanz (Anasarka) als auch hohe Katecholamindosierungen (Ischämien, kardiale Rhythmusstörungen) ihrerseits negative Auswirkungen auf das Outcome der Patienten haben können.

Das sogenannte erweiterte hämodynamische Monitoring umfasst verschiedene Verfahren wie Thermodilutionsverfahren, Pulskonturanalyse und intraaortale Flussmessung, die unterschiedlich invasive Techniken voraussetzen. Keinesfalls darf jedoch die Etablierung des jeweiligen Monitorings den Therapiebeginn verzögern. Unter anderem aus diesem Grund berufen sich die aktuellen Leitlinien noch immer auf vermeintlich veraltete, aber ubiquitär und relativ einfach zu erhebende Zielparameter, wie den zentralen Venendruck (ZVD), den arteriellen Mitteldruck, die Urinausscheidung und die zentral- oder gemischtvenöse Sauerstoffsättigung. Insbesondere für den ZVD ist jedoch wiederholt nachgewiesen worden, dass er keine Aussagekraft hinsichtlich des Volumenstatus hat.

Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen konzentrieren sich auf die Vorhersagbarkeit eines Ansprechens auf die jeweiligen therapeutischen Maßnahmen. In diesem Zusammenhang konnten beispielsweise über die Veränderung der Schlagvolumenvariation nach Gabe eines Flüssigkeitsbolus sowie den „passive leg raising"-Test bereits erste Erfolge hinsichtlich der Volumentherapie erzielt werden. Dagegen stellt die Entwicklung und routinemäßige, bettseitige Verfügbarkeit von Biomarkern noch keine klinische Praxis dar. So könnten z.B. anhand der gentechnischen Analyse des Enzyms Vasopressinase, das an der Metabolisierung von Vasopressin beteiligt ist, bereits vor Beginn einer niedrig-dosierten Therapie Aussagen über deren Erfolgschancen gemacht werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Weiterentwicklung von Diagnose- und Monitoringverfahren sowie die Etablierung von Biomarkern mit prädiktivem Wert maßgeblich zur Verbesserung der Prognose septischer Patienten beitragen können. Sie erleichtern es dem behandelnden Arzt, den individuellen Patienten innerhalb kürzester Zeit mit maximaler Effektivität zu therapieren.

 

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