IT & Kommunikation

Telemed auf der eHealth Week 2007

30.05.2012 -

Telemed auf der eHealth Week 2007. Seit Anfang der 90er Jahre werden im deutschen Gesundheitswesen Anwendungen der Telemedizin und Telematik analysiert, diskutiert und deren Praxisrelevanz erprobt. In diesem Zusammenhang wurde 1996 vom Berufsverband Medizinischer Informatiker (BVMI) und der FU Berlin die Telemed begründet, um einen Beitrag zur Koordinierung der vielen Aktivitäten auf dem Gebiet der Telematik im Gesundheitswesen zu leisten und ein Konsensforum von Gesundheitspolitikern, Wissenschaftlern, Leistungserbringern und der Industrie zu schaffen. Die unerwartet hohe Beteiligung und positive Resonanz, die diese Veranstaltung in Fachkreisen fand, führten dazu, dass sich die „Telemed“, als eine zentrale wissenschaftliche Jahrestagung zur „Telematik im Gesundheitswesen“ entwickelte.

Auf Initiative von Prof. Dr. Otto Rienhoff haben sich Anfang 2004 alle wichtigen Veranstalter von Telemedizinkongressen darauf verständigt, die traditionelle Berliner Telemed als gemeinsames „Nationales Forum zur Telematik für die Gesundheit“ neu zu begründen, um die bisher zersplitterte Veranstaltungslandschaft zur Gesundheitstelematik und Telemedizin zusammenzuführen. Mit der Initiierung der „Neuen Telemed“ wurde beabsichtigt, in dem relevanten Bereich der Gesundheitstelematik die seit Jahren in Deutschland bestehende Verbands-Kleinstaaterei zu überwinden. Damit ist ein erster Schritt getan, einen Bogen von wissenschaftlicher Forschung zu pragmatischen Anwendungen für Patienten und Heilberufe zu schlagen, um die zahlreichen Aktivitäten in Deutschland auch international präsentieren zu können. Es ist nicht übertrieben, die jährlich stattfindende Telemed als ein Schaufenster zu Stand und Perspektive der Gesundheitstelematik in Deutschland zu bezeichnen. Die Telemed 2007 fand am 16. und 17. April erstmals im Kontext einer europäischen eHealth Konferenz sowie von ITeG und Connect-athon auf dem Berliner Messegelände statt.

Mehr als 250 Teilnehmer informierten sich und diskutierten über Konzepte, den aktuelle Stand und den erreichten Nutzen zu den Themen: Elektronische Patientenakte (Electronic Health Record in allen Ausprägungen), Gesundheitsportale sowie Outcome-Betrachtungen von eHealth-Anwendungen. Eröffnet wurde die Telemed von Priv.-Doz. Dr. Günter Steyer, Vorsitzender des Telemed-Steeringkomitees, und Sebastian Claudius Semler, Vorsitzender des Programmkomitees, der eine aus Anlass des zurückliegenden zehnjährigen Telemed-Jubiläums zusammengestellte CD-ROM mit einem Artikel zur Telemed-Historie sowie allen Tagungsbeiträgen von 1996 bis einschließlich 2007 präsentierte, die allen Teilnehmern von Telemed und eHealth Conference mit den Tagungsunterlagen ausgehändigt wurde.

Das Grußwort der Berliner Ärztekammer überbrachte deren Präsident, Dr. Günter Jonitz. Er forderte mit Nachdruck die stärkere Einbeziehung der Ärzteschaft in regionale und nationale eHealth-Strategien und befürwortete künftig eine enge Kooperation der Telemed mit der Berliner Ärztekammer. Erstmalig konnten auf der Telemed auch acht Fortbildungspunkte für teilnehmende Ärzte vergeben werden. Die erste Session war dem Thema „Modelle & Standards“ gewidmet. Priv-Doz. Dr. Bernd Blobel, EHCC Regensburg, verglich in seiner wissenschaftlich fundierten Keynote die EPA-Modelle openEHR, CDA, ISO 133606 und CCR. In weiteren Vorträgen der Eröffnungssession gab Raimund Vogl, UMIT Innsbruck, einen Überblick über verteilte EHR-Architekturen, Christoph Rinner von der Universität Wien sprach zur Standardisierung des EHR entsprechend CEN prEN 13606, und Ricarda Rüth, Universität Gießen, berichtete über die Abbildung des strukturierten Vokabulars einer Intensivstation in LOINC, einer inzwischen über den Laborbereich hinaus interessanten Nomenklatur (auch als Alternative zu SNOMED CT). Die Themen der folgenden 13 Fachvorträge in den Sessions „Realisierungen & Projekte“, „Konzepte aus Forschung und Industrie“ und „Outcome“ waren:

  • Intersektorale Kommunikation und Interoperabilität der Systeme (Prof. Ulrich Prokosch machte anhand der Erfahrungen an Universität Erlangen hierzu auch einige kritische Bemerkungen), wobei die semantische Interoperabilität der Systeme einen besonderen Schwerpunkt darstellt (Vortrag Frank Oemig, HL7-Benutzergruppe/ Agfa).
  • Praktische Erfahrungen mit der elektronischen Patienten- bzw. Gesundheitsakte und regionalen Netzen (z.B. CIMECS – die zentrale Patientenakte im Netz, Erfahrungen am Beispiel der koronaren Herzkrankheit, Vorstellung der Gesundheitsakte Vita-X, Erfahrungen health@net in Österreich u.a.).
  • Ein Blick in die Zukunft der elektronischen Patienten- bzw. Gesundheitsakte (Alexander Ihls, ICW Walldorf, Prof. Dr. Ulrich Sax, Universität Göttingen).
  • Von der archivierten Krankenakte zur EPA (Dr. Carl Dujat gab dazu einen Installationsüberblick).
  • Telemedizinische Unterstützung bei speziellen Krankheitsbildern (Prof. Dr. Harald Korb, PHTS Düsseldorf, berichtete über ein Diabetes- Betreuungskonzept mit Telemedizin als Informations- und Serviceplattform).
  • Evaluierung von Telemedizinprojekten und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zur EPA (Vorträge von Dr. Aykut M. Uslu, Uslu Medizininformatik, und Andreas Lux, Debold & Lux).

In bewährter Art gab Prof. Dr. Peter Haas, FH Dortmund, abschließend in seiner Schluss-Keynote des Tages eine Analyse und Nutzenbetrachtung zu Projekten zur EPA in Deutschland. Prof. Dr. Otto Rienhoff, Universität Göttingen / TMF, fasste die Vorträge und Diskussionen der Telemed im Rahmen der ehealth conference am Folgetag zusammen und fokussierte hierbei auf die Bedarfslage des Patienten sowie die politischen Notwendigkeiten auf dem Weg zu interoperablen elektronischen Patientenakten. Erstmalig gab es in diesem Jahr eine hochkarätige Telemed-Abend-Session im Hotel Excelsior, wo auch das anschließende Bankett stattfand. Peter Waegemann, Direktor des Medical Record Institute, Boston, gab einen fundierten Überblick über den Stand der regionalen Netze (RHIOs) in den USA und stellte ausführlich das Modell und erste Realisierungen des EHRund Kommunikationsstandards CCR (Continuity of Care Record) vor. Dabei stellte er auch den Kontext zu CDA und Snomed CT her.

Zu der immer wiederkehrenden Frage, welche aktuellen rechtlichen Aspekte bei der Konzipierung und Realisierung elektronischer Patientenakten zu berücksichtigen sind, nahm anschließend Prof. Dr. Dr. Christian Dierks, RAe Dierks & Bohle, Berlin, ausführlich Stellung. Die abschließende Betrachtung des komplexen Themas aus ärztlicher Sicht hatte für den erkrankten Priv.-Doz. Dr. Michael Reng spontan Prof. Dr. Björn Bergh, Universität Heidelberg, übernommen. Bergh begründete u.a., dass es nicht reicht, die elektronische Patientenakte aus informationstheoretischer und technischer Sicht zu betrachten. Vielmehr ist eine Kultur für den Umgang mit der EPA zu entwickeln und die dafür erforderliche Vorlaufzeit einzuplanen. Die Telemed-Kurzpräsentationen (elektronische Posterpräsentation) fand am zweiten Tag der Telemed auf der eHealth Conference statt. Die 10 Kurzpräsentationen zu den Themen: Portale, Infrastruktur, Kommunikationsplattformen und Outcome hatten durchweg eine hohe Qualität und wurden rege diskutiert.

Die Verleihung der Telemed-Preise erfolgte in diesem Jahr im Rahmen des Empfangs der eHealth Conference in der Landesvertretung NRW. Preisträger für den wissenschaftlichen Vortrag wurde Prof. Ulrich Sax, Georg-August-Universität Göttingen, für den Gemeinschaftsbeitrag mit Priv.-Doz. Dr. Anette Weisbecker, Fraunhofer- Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), Stuttgart, und anderen zum Thema „Auf dem Weg zur individualisierten Medizin – Grid-basierte Services für die EPA der Zukunft“. Der Preis für die beste Kurzpräsentation (Telemed Posterpreis) musste wegen gleicher Bewertung geteilt werden. Er wurde zu gleichen Teilen an Dr. Michael Spitzer, für die Präsentation mit Lars Brinkmann und Prof. Dr. Frank Ückert, alle Westfälische Wilhelms-Universität Münster, zum Thema „Differenzierter Einsatz des telemedizinischen Systems Clearinghouse“ und an Dr. Carsten Schultz, Technische Universität Berlin, für die Präsentation mit Dr. Thomas Helms, Deutsche Stiftung für chronisch Herzkranke, Fürth, Prof. Dr. Korb, PHTS, Düsseldorf und Dr. Christian Zugck, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, zum Thema „Diskrepanz zwischen den realen Potentialen der Telemedizin und ihrer Wahrnehmung in der Ärzteschaft – Klinische Erfahrungen und empirische Befunde“ verliehen.

Die Preisgelder von je 750 € wurden wie in den Vorjahren zu gleichen Teilen gestiftet vom BVMI und der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitstelematik (DGG). Am Ende konnte Priv.-Doz. Günter Steyer, der als BVMI-Präsident zusammen mit Dr. Stephan H. Schug, DGG-Geschäftsführer, die Preisverleihungen vornahm, der anwesenden eHealth-Community noch verkünden, dass Dr. Gottfried Dietzel einen zusätzlichen Preis für nutzbringende Folgeprojekte der Gesundheitskarte gestiftet hat. Dietzel, DROPS-Smartcard-Preisträger und BVMI-Ehrenmitglied, möchte mit dem Preis darauf hinweisen, dass die eGK kein Selbstzweck ist, sondern dass sie erst durch die Folgeanwendungen zum Leben erweckt wird. Der BVMI e.V. wird den Preis ausloben sowie die Jury bestimmen. Der Preis ist zunächst mit 1.000 € dotiert und wird jährlich zur Telemed an Einzelpersonen oder Teams in Gesundheitseinrichtungen und Instituten oder der Industrie vergeben, deren Projekte den Nutzen der Gesundheitskarte für Patienten oder für die Qualität ärztlichen Tätigwerdens besonders eindrucksvoll zeigen. Zustiftungen sind erwünscht (Informationen: www.bvmi.de).

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